Schriesheim

Nach Schließung in Schriesheim: Metzger Urban sucht neue Aufgabe

Es war das Ende einer Ära, als die Rathaus-Metzgerei Urban im Juni für immer schloss. Für das Aus des Handwerksbetriebs in vierter Generation gibt es viele Gründe. Davon und von seinen Zukunftswünschen berichtet Alexander Urban

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Jasper Rothfels
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Metzger Alexander Urban vor seiner geschlossenen Rathaus-Metzgerei in der Heidelberger Straße. © Jasper Rothfels

Schriesheim. Das letzte Stück Fleischwurst aus eigener Produktion ist verspeist, die Regale sind geleert und einige Maschinen schon weg. In der vor gut drei Wochen geschlossenen Rathaus-Metzgerei Urban wird aufgeräumt. Alexander Urban, Metzger in vierter Generation, verabschiedet sich Schritt für Schritt von seinem Traditionsbetrieb, den er 15 Jahre lang geleitet hat. Mitte Juni hatte der 51-Jährige für immer zugemacht – und damit die Ära der letzten Handwerksmetzgerei in der Altstadt beendet. Für viele Kundinnen und Kunden ein herber Verlust, denn die Produkte erfreuten sich – wie Bedienung und Beratung – großer Beliebtheit. Für Urban gab es dennoch keine Alternative. „Es wird immer komplizierter als Selbstständiger in dieser Größe“, sagt er, „zumindest in der Sparte“.

Gründe für das Aus gibt es viele. Einer davon: „Es wird immer weniger Fleisch und Wurst gegessen“, sagt Urban beim Gespräch in der Kaffeeküche. Vom Gang aus kann man den leeren Verkaufsraum sehen, durch die rot-braunen Vorhänge vor den Ladenfenstern fällt gedämpftes Licht auf die Theke. Früher herrschte hier Betrieb, und noch früher standen Kundinnen und Kunden samstags oft in Reihen hintereinander und sogar bis auf die Straße, wer nicht ganz früh dran war, musste Zeit mitbringen.

Viele ernähren sich inzwischen vegetarisch oder vegan - da fehlt der Umsatz

Das galt auch, wenn mancher Kunde bedächtig den Wochenbedarf für eine ganze Familie auswählte, freundlich bedient von einer Verkäuferin. „Das ist halt Einkaufskultur, da wird auch mal geschwätzt zwischendurch“, erinnert sich Urbans Vater Klaus (79) gerne. Noch 2018, so der Sohn, habe er vormittags zweieinhalb Stunden am Stück beim Fleisch bedient, „ich bin nicht ein Mal weggekommen“, aber: „Das ist nicht mehr.“ Viele ernährten sich inzwischen vegetarisch oder vegan, das entscheide jeder selbst, er habe Verständnis dafür. „Aber da fehlt dann der Umsatz im Endeffekt.“ Manche hätten vielleicht auch weniger Geld.

Den Umsatz drückten auch die Folgen der Corona-Pandemie und der Beginn des russischen Kriegs gegen die Ukraine, zudem machten Kostensteigerungen zu schaffen – für Material, Waren und Personal sowie für Strom. Nach Angaben des Sohns braucht die Metzgerei etwa 50 000 Kilowattstunden im Jahr für ihre Anlagen. „Weniger kühlen geht nicht“, sagt er.

Investitionen seien nötig, doch dafür hätte er sich verschulden müssen, erklärt der 51-Jährige, der auch einen Mangel an Nachwuchs beklagt. „Fast niemand lernt mehr den Beruf“, sagt der Vater. Hinzu kommt nach Angaben des Sohnes eine wachsende Zahl von Verordnungen und Vorschriften, etwa in Sachen Dokumentation.

70- bis 75-Stunden-Wochen waren die Regel

Die Folge für den verheirateten Vater einer siebenjährigen Tochter: Eine 70- bis 75-Stunden-Woche, deren Arbeitstage morgens um 6 Uhr begannen und bis zu vier Mal wöchentlich um 22 oder 23 Uhr im Büro endeten. Wie solle er sich dabei um seine Eltern kümmern, wenn mit ihnen einmal etwas wäre, fragt der Sohn.

Im Januar kündigten die Urbans dann das Ende ihres Ladens für Mitte Juni an. „Ich wollte es ordentlich zu Ende bringen, das war mir wichtig“, sagt Alexander Urban. Die Verkäuferinnen – zwei Vollzeit- und zwei Teilzeitkräfte sowie zwei Aushilfen – sollten ebenso wie ein angestellter Metzger Zeit haben, neue Stellen zu finden, was auch gelang. Die Urbans sind ihnen und den Kunden sehr dankbar, dass sie bis zum Ende blieben.

Schon Klaus Urbans Großvater hatte in den 1920er Jahren in der Bahnhofstraße einen kleinen Laden mit Wurstküche, und Klaus Urbans Vater pachtete später mit seiner Frau, die er in Wiesbaden kennengelernt hatte, zeitweilig den Deutschen Hof, zu dem eine Metzgerei gehörte. 1958 baute die Familie auf einem freigewordenen Grundstück die Rathaus-Metzgerei auf, die Klaus Urban 1971 übernahm. 2009 folgte Alexander, einer von zwei Söhnen, er hatte nach Abitur und Zivildienst dort gelernt.

Viele Kunden waren wegen der Schließung enttäuscht

Und wie sehen es die beiden heute? Viele Kunden seien enttäuscht, sagt Klaus Urban. „Das tut uns eben leid, wir hätten es gern weitergemacht, aber. . .“ Sein Sohn, der nach eigenen Angaben bei Selbstständigen auf Verständnis stieß, verspürt „Wehmut, aber auch Erleichterung“, dass der von den Zwängen erzeugte Druck nun weg ist. Er sucht nun eine neue Arbeit ab September, was es werde, wisse er noch nicht. Er sei auch für einen Quereinstieg offen, etwa in Richtung Bürotätigkeit, sagt der 51-Jährige, der viel Erfahrung in diesem Bereich mitbringt. Was aus dem Ladengeschäft wird, ist noch unklar.

Seit dem Jahr 2000 verschwanden damit in der Kernstadt laut Kommune fünf Metzgereien, eine davon existierte zeitweilig. Übrig ist die Metzgerei Miltner in der Conradstraße, die laut Inhaber Gerhard Miltner überwiegend Partyservice-Essen auch mit spanischen Spezialitäten herstellt und einen Teil ihrer Metzgerei-Ware selbst produziert. Rolf Edelmann vom Bund der Selbstständigen verweist außerdem auf den Wochenmarkt-Metzger. Fleisch und Wurst gibt es ferner in Supermärkten im Ort.

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