Rhein-Neckar - Das größte Bauprojekt der Region, der Schriesheimer Branich-Tunnel, geht zwei Jahre nach dem Beginn planmäßig seiner Vollendung 2016 entgegen

Hundertjähriger fährt als Erster durch

Von 
Konstantin Groß
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Der 85 Millionen Euro teure Schriesheimer Branich-Tunnel ist das größte Infrastruktur-Projekt der Region. Im zurückliegenden Jahr kamen die Arbeiten so weit voran, dass er bis auf Fahrbahn und Sicherheitstechnik im Grunde fertig ist.

© Schwetasch

Schriesheim ist nicht Berlin. Was das Selbstbewusstsein der Bewohner beider Städte angeht, vielleicht zwar schon, aber eben nicht, was die Umsetzung baulicher Großprojekte angeht. Denn im Unterschied zum neuen Flughafen in der deutschen Hauptstadt läuft an der Bergstraße zeitlich und finanziell alles ziemlich rund: Der Branich-Tunnel geht stramm seiner Vollendung im Jahre 2016 entgegen. Beim anderen Großprojekt der Region, der Neckarbrücke, ist dagegen Warten angesagt.

Am Branich-Tunnel, der 1,8 Kilometer langen unterirdischen Umfahrung Schriesheims, wird seit dem Anstich Anfang 2012 geschafft - und zwar von erstaunlich wenigen Menschen. 20 bis 30 sind es derzeit, die diese Großbaustelle am Laufen halten, und sogar in den Spitzenzeiten sind es nur etwa 50 bis 60 gewesen.

Unfälle hat es hier - toi, toi, toi - bislang nicht gegeben - "bis auf einen gequetschten Daumen und so was", wie Bauleiter Ralph Eckerle bei einem Vor-Ort-Besuch des "MM" zum Jahresende bilanziert. Der eigens eingerichtete Landeplatz für den Rettungshubschrauber muss zum Glück kein einziges Mal benutzt werden - der traditionsgemäß als Figur am Eingang wachenden Tunnelheiligen Barbara sei Dank.

Talstraße mit neuem Verlauf

Wie weit das Projekt bereits gediehen ist, das zeigt sich bereits beim Außengelände auf den ersten Blick: Am östlichen Tunnel-Ende, an dem die Autofahrer wieder das Tageslicht erblicken, erfreut sich die Talstraße eines neuen Verlaufes.

Um diesen herzustellen, bedarf es Ende August/Anfang September mehrere Wochen lang einer Vollsperrung dieser Hauptverkehrsader zwischen Odenwald und Rheinebene. Grund ist die notwendige Tieferlegung der Talstraße. Denn vom Ausgang des Tunnels bis auf die Fahrbahn bestehen bis zu zwei Meter Höhenunterschied. Die nervige Umleitung über Großsachsen droht.

So eindeutig die Notwendigkeit für diese Vollsperrung, so sehr trifft sie einen zentralen Nerv der Schriesheimer. Auf einer Bürgerversammlung Anfang Juli entlädt sich wortreich der Unmut der Bevölkerung über Vollsperrung und Umleitung.

Ärger wegen Straßensperrung

Besonders die ehrenamtlichen Verantwortlichen vom Betreiberverein des Waldschwimmbades bekommen Sorgenfalten auf die Stirn, ja Zornesröte ins Gesicht: In einer auf Grund des Wetters ohnehin beklagenswerten Saison sehen sie sich nun auch noch zum Ende der Schulferien von der Kernstadt abgeschnitten. Gleichwohl wird die Sperrung durchgezogen, ist sie doch, um ein Lieblingswort unserer Kanzlerin zu gebrauchen, "alternativlos".

Auch im Inneren kommt das Tunnel-Bauwerk im zurückliegenden Jahr sichtbar voran: Vom Straßenbelag und der Technik abgesehen, ist es im Grunde fertig. Das zeigt sich, als Schriesheims Ehrenbürger Peter Hartmann als heiß ersehntes Geschenk zu seinem 100. Geburtstag am 21. Oktober durch die Tunnelröhre chauffiert wird.

Geschenk zum runden Geburtstag

Allerdings bedarf es für dieses epochale Ereignis eines robusten Geländewagens Marke Nissan, um den Herrn mit dem biblischen Alter samt Landrat Stefan Dallinger, Bürgermeister Hansjörg Höfer und dessen Vorgänger Peter Riehl durch das Bauwerk zu kutschieren. Denn die Fahrbahn ist noch nicht fertig.

Die Wände dagegen sind es, gegossen aus Stahlbeton in Blöcken zu je zwölf Metern. Die Spuren ihrer Verschalung sind deutlich zu erkennen - und sollen es auch bleiben.

Die ersten hundert Meter der Tunnelröhre haben die Form eines Gewölbes, am Scheitelpunkt 7,20 Meter hoch. Der Großteil misst jedoch nur 5,10 Meter. Fertig sind auch schon die fünf Notausgänge; 2,25 Meter hoch und 2,25 breit, führen sie ins Freie, der erste nach dem Ostportal etwa auf die Talstraße.

Modernste Sicherheitstechnik

Installiert werden müssen nun nur noch die Sicherheitseinrichtungen, etwa die ausgeklügelte Belüftungstechnik. Sollte einmal zu wenig Luft in der Röhre sein, setzen sich automatisch sieben riesige Ventilatoren an der Decke in Bewegung. Denn Sicherheit ist hier oberstes Gebot.

Neben der Fahrbahn wird ein meterbreiter Not-Gehweg verlaufen, in regelmäßigen Abständen eine Pannenbucht ausgespart sein. Auf der Fahrbahn wird alle 120 Meter eine Nische mit Notrufstation bestehen, alle 120 Meter ein Hydrant für die Schriesheimer Feuerwehr, die schon jetzt eingehend auf ihre künftige Aufgabe vorbereitet wird: Ihre Halle am Schriesheimer Festplatz muss erweitert werden - diese politische Grundsatzentscheidung ist im zurückliegenden Jahr gefallen.

Im Frühjahr 2016 soll der Tunnel befahrbar sein. Die Menschen im Schriesheimer Ortskern, vor allem in der Talstraße, ersehnen diese Entlastung von einem Großteil der bislang 12 000 Fahrzeuge pro Tag.

Und zugleich verstärkt sich im zurückliegenden Jahr die Erkenntnis, dass mit dem Tunnel alleine nicht alles geritzt ist. Der Stadtteil Altenbach etwa fürchtet, dass seine Ortsdurchfahrt unter mehr Verkehr leidet, wenn es für Pendler und Ausflügler möglich wird, mit 70 durch den Tunnel zu rauschen, statt sich durch die Staus in der Talstraße zu quälen.

So beschließen die örtlichen Verantwortlichen im zurückliegenden Jahr, bei der Verkehrsbehörde für ihre Hauptstraße Tempo 30 zu beantragen. Entscheidung erfolgt 2015.

Auch Sorgen um die Folgen

Eine andere Folge betrifft die Innenstadt. Geschäftsleute sorgen sich, was passiert, wenn die Kunden an der Innenstadt vorbeisausen. Insofern wird ihre Aufwertung zügig vorangetrieben. Auf dem früheren OEG-Gelände entlang der B 3 etwa, zahllosen Bürgern der Region von ihrem Besuch beim Mathaisemarkt bestens bekannt, eröffnet im Sommer das Ärztehaus mit einem Dutzend Anbietern aus dem Gesundheitswesen. Die Bebauung dieses "Filetstücks" ist damit im Großen und Ganzen abgeschlossen.

Ja, es wird sogar ein zweites Ärztehaus geplant. Der stadtbildprägende Traditions-Gasthof "Pfalz" entlang der B 3 am südlichen Eingang zur Innenstadt, Ort auch vieler in die Nachbargemeinden ausstrahlender Veranstaltungen, wird dafür fallen. Die baurechtlichen Voraussetzungen werden im zurückliegenden Jahr in die Wege geleitet.

Weit in die Zukunft blickend, kümmert sich die Stadt in diesem Jahr auch um ihre Ortsmitte: Ein Ideenwettbewerb wird ausgeschrieben, wie der Festplatz attraktiver gestaltet werden kann. Die Ergebnisse - viel Grün, Randbebauung und sogar ein Neubau des Rathauses - stoßen im Sommer jedoch mehrheitlich auf Kritik. Ohnehin konkurrieren die möglichen Kosten mit jenen 40 bis 80 Millionen Euro, die für die anstehende Sanierung des Kurpfalz-Bildungszentrums benötigt werden.

Warten auf Neckarbrücke

Während sich der Branich-Tunnel seiner Vollendung nähert, geht das Warten auf den Neubau der L 597 mit Neckarbrücke bei Ladenburg weiter. Was vor allem Ilvesheim und Seckenheim als Entlastung ihrer Ortsdurchfahrten dringend erwarten, stößt in Edingen-Neckarhausen nach wie vor auf gemischte Gefühle. Gleichwohl werden im Laufe des Jahres Tatsachen geschaffen.

Mit dem vom Regierungspräsidium angekündigten Neubau des Radweges zwischen Neu-Edingen und Seckenheim soll der Planfeststellungsbeschluss zementiert werden. Für den Teilabschnitt "Nord" zwischen der K 4138 bei Neckarhausen und der Umgehung Ladenburg (bestehende L 597) auf den Gemarkungen Ilvesheim, Neckarhausen und Ladenburg läuft im November erneut ein Erörterungsverfahren, um die Genehmigung zu verlängern.

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