Schriesheim. Schriesheimer sind „Raumteiler“. So heißt nämlich ein gemeinsames Projekt der Landesregierung und des Städtetags Baden-Württemberg. Und seit März 2019 ist die Weinstadt mit ihrem wortspielerisch benannten eigenen Programm „Schriese Fairmietet“ dabei – als einzige Kommune im „MM“-Verbreitungsgebiet zwischen Neckar und Bergstraße. Ziel ist es, bezahlbaren Wohnraum zu vermitteln für ausdrücklich alle Einwohnerinnen und Einwohner mit geringem Einkommen oder Leistungsbezug.
Beim Pressegespräch im Rathaus legt die Stadtverwaltung Zahlen vor: Mittlerweile ist es zu zwölf „Fairmietungen“ gekommen, wovon acht Wohnungen von Menschen mit Migrationshintergrund bezogen sind. Unterm Strich sind 28 Personen untergebracht, darunter drei Alleinerziehende und drei Personen, die ansonsten obdachlos wären. Insgesamt 19 Vermieter-Anfragen seit 2019 stehen in der Summe 116 Mietinteressenten gegenüber. Die größten Gruppen bilden 46 Alleinstehende, 37 Familien und 21 Alleinerziehende. Es sind auch Senioren betroffen, die nach dem Tod des Partners oft die bisherige Wohnung nicht mehr halten können, und sich durch einen notgedrungenen Umzug in eine andere Kommune entwurzelt fühlen würden.
Viele noch auf der Suche
„Das ist für viele ganz bitter“, weiß Christine Söllner von der städtischen Sozialstelle. Angesichts von rund 100 nach wie vor Suchenden handele es sich um ein durchaus brisantes Thema, so Söllner: „Die Problematik, dass sich Menschen schwertun, ortsübliche Mieten zu bezahlen, rückt in die Mitte der Gesellschaft, wenn schon doppelverdienende Eltern betroffen sein können.“ Dennoch: Mit bislang durchschnittlich sechs Fairmietungen pro Jahr zeigt sich Christine Söllner „zufrieden, auch weil es das soziale Engagement von Vermietern beweist“.
Das Programm „Fairmietet“
- Seit 2019 arbeiten städtische Sozialstelle und Ehrenamtliche als Multiplikatoren und Ideengeber zusammen, um privaten Wohnraum zu aktivieren.
- Gesucht werden leerstehende Wohnungen für Personen mit Berechtigungsschein, die seit zwei Jahren Schriesheimer sind.
- „Fairmieter“ schließen den Vertrag mit der Mietpartei und eine Vereinbarung mit der Stadt ab.
- Kontakte: Christine Söllner (Sozialstelle, 06203/602 115, Mail: sozialstelle@schriesheim.de), Alexandra Stahl (Liegenschaften, 06203/602 167, Mail: alexandra.stahl@schriesheim.de).
Den weit über Dienstliches hinausgehenden Einsatz von Söllner und der für kommunale Liegenschaften zuständigen Mitarbeiterin Alexandra Stahl lobt Bürgermeister Hansjörg Höfer ebenso wie alle Beteiligten. Das Projekt benötige nun noch mehr Verbreitung unter potenziellen „Fairmietern“, denen die Stadt mit Rat und Tat zur Seite stehe.
„Wir hatten uns das Ziel gesetzt, im Jahr drei Wohnungen zu finden, und nun das Erhoffte verdoppelt“, sagt Höfer und verdeutlicht: „Wenn wir als Stadt für die vermittelten zwölf Personen ein Mietshaus bauen müssten, wäre das eine Investition von vier Millionen Euro.“ Für die tatsächliche Umsetzung mit „angemessenen Mieten, wie sie Jobcenter und Landratsamt vorgeben“, habe es Lob vom Städtetag gegeben, berichtet Söllner. „Wir empfehlen passende Mieter und klären auch die Mietfähigkeit, also ob Interessenten zuverlässig sind“, erklärt sie.
Die Fairmieter haben jedoch das letzte Wort bei der Auswahl, so Söllner: „Das muss passen.“ Obendrein begleiten städtische Fachangestellte das Ganze. Dadurch sollen Hemmschwellen bei Vermietern abgebaut werden. Um weitere „Fairmieter“ zu gewinnen, setzen Stadt und Land Anreize wie Mietausfallgarantie, Zuschüsse für Renovierungen und Wiedervermietungsprämie von 500 Euro nach mindestens neunmonatigem Leerstand. Offenbar funktioniert das, denn Söllner teilt auf Nachfrage mit: „Es ist bislang noch auf keiner Seite zu größeren Klagen gekommen.“
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