„Scheinbar Unscheinbares“ können Besucher derzeit im Museum Théo Kerg erleben. Mit AINO und Tom Feritsch stellen zwei Künstler aus, die von ihrem Ansatz unterschiedlicher kaum sein könnten und die dennoch dem gleichen Ziel zuarbeiten: „sich einen Blick auf das Schöne zu verschaffen, sich von der Perfektion in der Wahrnehmung der allgegenwärtigen Vollkommenheit zu bewegen“, wie es offiziell heißt. „Faszination und Entdeckungslust, Suche nach verborgener, übersehener Schönheit“ führt die beiden zusammen.
„Die Werke sind nicht laut, nicht aufsehenerregend“, erklärte Kunsthistorikerin Susanne Zeunert vor 50 Gästen der Vernissage. Den musikalischen Rahmen bildete das Heidelberger Ethno-Duo Emajamaa. Als Vorsitzende des Künstlerbunds Rhein-Neckar arbeitet Zeunert eng mit Tom Feritsch zusammen, der 2020 die Leitung des Museums übernahm. Terrakotta, Eisen und Bronze sind typische Materialien, aus denen der 1946 geborene bildende Künstler und Kunstwissenschaftler seine Objekte fertigt.
Tore zu einer anderen Zeit
„Die skulpturalen Installationen öffnen Tore zu einer anderen Zeit“, merkte Zeunert an. „Vordergründig hart und brachial, strahlen sie auf den zweiten Blick Zerbrechlichkeit aus“ – „scheinbar unscheinbar“, getreu dem Motto der Ausstellung. Die Verwendung einfacher geometrischer Figuren entlocke Bronze und Ton regelmäßig Tiefe und Ausdruckskraft, die ihresgleichen suche. So werde das Unscheinbare des Materials zum Glänzen gebracht, womit der Ursprung des Wortes „scheinen“ erreicht ist: „Scinan“ bedeutet im Althochdeutschen „glänzen“ und „unmittelbar werden“, erläuterte die Kunstvermittlerin den etymologischen Hintergrund.
Ganz anders als Feritsch, der sich vom Zufall leiten lässt, nähert sich AINO dem Thema. Die in Moskau aufgewachsene Objektkünstlerin, die in Karlsruhe Architektur studierte, macht Materialien wie Erde, Ton, Samen, Wachs und Fundobjekte zu Bedeutungsträgern. Auf diese Weise erhält ein alter, der Witterung ausgesetzter Ziegel durch Eingießen in Wachs eine neue Bestimmung. Als „Zeitzeuge mehrerer Generationen“ gibt er ein Zeugnis von deren Existenz, von Schicksalen und Lebensgeschichten. Dabei richtet AINO den Blick stets von außen nach innen, von der Form auf die Essenz. Sichtbar wird laut Zeunert „die in einem Element bereits vorhandene Vollkommenheit, die ursprüngliche Schönheit“ – jener Begriff, den die Künstler mit ihren Exponaten gemeinschaftlich erkunden. Die Voraussetzungen sind in Schriesheim günstig: Gerade die historische Bausubstanz des Museums Théo Kerg verleiht den Werken besonderen Raum. Authentizität wird spürbar beim Durchschreiten der drei Etagen der restaurierten Scheune.
Noch bis zum 12. November
- „Scheinbar unscheinbar“ ist eine gemeinsame Ausstellung von AINO und Tom Feritsch.
- Die zeitgenössischen Künstler erforschen den Begriff der Schönheit unter Verwendung von Materialien wie Eisen, Ton, Ziegel, Wachs und Erde.
- Die noch bis zum 12. November laufende Sonderausstellung im Museum Théo Kerg (Talstraße 52) ist samstags und sonntags zwischen 14 und 17 Uhr besuchbar, außerdem mittwochs von 17 bis 19 Uhr nach Voranmeldung für Gruppen ab fünf Personen.
- Parallel ist in Schriesheim sonntags die ständige Ausstellung „Théo Kerg“ zu sehen. Gezeigt werden auf drei Ebenen der Scheune Arbeiten des luxemburgischen Malers, Bildhauers, Grafikers und Glasgestalters, der von 1909 bis 1993 lebte.
Eine philosophische Dimension
Doch hat „Unscheinbarkeit“, das Leitmotiv der Schau, auch eine philosophische Dimension: „Sie erinnert uns daran, dass es viele Dinge gibt, die außerhalb unseres Verständnisses und unserer Wahrnehmung liegen“, betonte Susanne Zeunert. Die „Demut vor dem Unbekannten“ gelte es zu entdecken, insbesondere „in einer Welt, die stark von Spektakel und Glanz geprägt ist“. Kunst müsse weder laut noch aufregend sein, um eine Beziehung zum Betrachter herzustellen.
Inspiration versprach auch Bürgermeister Christoph Oeldorf den künftigen Besuchern. Ein „Zentrum für regionale Kunst“ sei im Fachwerkbau in der Talstraße entstanden, für die gesamte Region sei der Ausstellungsort von Bedeutung. Namhafte Künstler seien zudem im näheren Umkreis zuhause.
Bekannt ist das Museum Théo Kerg vor allem für die Dauerausstellung zum Schaffen des Namensgebers, der von 1909 bis 1993 lebte und sein Werk der Stadt Schriesheim vermachte. Der Luxemburger begründete die Kunstrichtung des Taktilismus, bei der Materialien und Lebensenergien durch den Tastsinn erfahrbar werden. Zweimal jährlich finden Sonderausstellungen statt.
„Zu den zeitgenössischen Künstlern gehören renommierte Akteure aus aller Welt“, weiß Tom Feritsch. So waren vom 21. Mai bis 25. Juni Arbeiten von Marc Soisson zu sehen, 2022 stellten Doris Erbacher und Jens Trimpin aus. Eine Hommage an die verstorbene Museumsleiterin Lynn Schoene gab es 2021. Auch nächstes Jahr will Feritsch, der schon 2013 eigene Werke präsentiert hat, für ein spannendes Programm sorgen. Die Künstler sucht er wie immer selbst aus, möglich macht es die gute Vernetzung.
Das im Auftrag der Stadt vom Kulturkreis Schriesheim betriebene Museum ist samstags und sonntags zwischen 14 und 17 Uhr geöffnet. Parkmöglichkeiten finden sich auf dem Festplatz, der Fußweg zum Museum beträgt 250 Meter.
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