Naturschutz

Spannender Rundgang: Baumexpertise auf dem Friedhof Feudenheim

Der Friedhof Feudenheim in Mannheim beeindruckt mit 689 nummerierten Bäumen. Ein Baumexperte gibt Einblicke in die Baumkunde. Was es zu entdecken gibt.

Von 
Bernhard Haas
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Die Zuhörer verfolgen die Aussagen von Tobias Schüpfeling. © Bernhard Haas

Feudenheim. Bei einem Spaziergang über den Friedhof Feudenheim haben rund 30 Besucher, davon die meisten aus dem Mannheimer Vorort, aber auch aus Ilvesheim und anderen Stadtteilen der Quadratestadt viel Neues erfahren. Der Friedhof Feudenheim wurde im Jahr 1870 auf dem sogenannten Ratsbuckel, einem der sieben Hügel Feudenheims, angelegt. Seit der Eingemeindung im Jahr 1910 gehört Feudenheim zur Stadt Mannheim. Nach mehrfacher Erweiterung hat der Friedhof, einer von insgesamt 13 in Mannheim, heute eine Größe von rund 4,6565 Hektar mit rund 4000 Grabstätten.

Wer durch den Haupteingang bei der Trauerhalle spaziert, dem fallen als erstes Alleen aus Spitzahornen ins Auge. Alle Bäume persönlich kennt der Baumexperte der städtischen Friedhöfe, Tobias Schüpferling. Als „Herr über die 10.000 Friedhofsbäume der Stadt“ weiß er über den Zustand der Bäume Bescheid, kennt die verschiedensten Arten und weiß, wie ihnen geholfen werden kann. „Der Friedhof Feudenheim ist einer der schönsten in der Stadt“, so Schüpferling, der in seiner unnachahmlichen Art die Zuhörer sofort faszinierte: „Hier stehen insgesamt 689 Bäume, die alle nummeriert sind und damit einen Personalausweis mit sich führen.“

Jedes Jahr werden die Bäume auf dem Friedhof in Feudenheim mindestens einmal kontrolliert

Mithilfe eines Computerprogramms könne festgehalten werden, wie der Baum gepflegt werden muss. Jedes Jahr werden die Bäume mindestens einmal kontrolliert. Mit dieser Visual Tree Assessment-Methode (VTA) werden alle Arten einmal im Jahr in Augenschein genommen. Die Methode selbst wurde am Forschungszentrum Technik und Umwelt in Karlsruhe entwickelt, berichtete Schüpferling. Es ist ein international weit verbreitetes Bewertungsverfahren für eine differenzierte Beurteilung der Stand- und Bruchsicherheit von Bäumen.

Rund 30 Zuhörer lauschen gespannt den Ausführungen von Baumexperte Tobias Schüpferling. © Bernhard Haas

Der wichtigste Teil der Baumbeurteilung mit VTA ist die biologisch und mechanisch fundierte Sichtkontrolle, unter Berücksichtigung aller wesentlichen Umfeldfaktoren (Windexposition, Wurzelraum, Bodenbedingungen, Bauwerke). Der Experte erklärte, dass Veränderungen als Warnsignale in der Körpersprache der Bäume auf eine mögliche Schädigung hinweisen. Die VTA-Methode ordnet den Symptomen die verursachenden Defekte zu. Diese Rückschlüsse werden mehrfach abgesichert. Wer beispielsweise mit einem speziellen Hammer auf das Holz schlägt, kann hören, ob der Baum krank ist oder eben gesund.

Anhand eines Beispiels zeigte Schüpferling, dass ein U-Zwiesel für die Standfestigkeit eines Baumes viel besser ist als ein V-Zwiesel. Ein Zwiesel ist der Winkel, in dem die beiden Stämme eines Baums zueinander stehen. Außerdem musste eine Dame beweisen, dass Bäume auch mit einer dynamischen Kronensicherung länger erhalten werden können. Diese Sicherung müsse allerdings nach zehn bis zwölf Jahren ausgetauscht werden, weil sie dann an Elastizität verliere. Eichhörnchen würden diese Stützen manchmal zerstören, was nicht zur Freude des Baumexperten beitrage.

Aufgrund des Klimawandels verabschieden sich die Robinien

Neben Ahornen bietet der Friedhof auch Heimat für Schwarzkiefern, aus Amerika stammende Mammutbäume oder den aus China kommenden Urweltmammutbaum. Aufgrund des Klimawandels würden sich langsam die Robinien verabschieden. Rosskastanien würden von Miniermotte und Blattbräune-Pilz befallen. Japanische Schnurbäume würden viel Totholz produzieren, weshalb sie besonders beachtet werden müssen. Die amerikanische Gleditschie sei bei Baumsteigern nicht beliebt, da sie mit Dornen behaftet sind.

Tobias Schüpferling erklärt die Funktionsweise einer dynamischen Kronensicherung. © Bernhard Haas

Da erklärte der Baumexperte auch den Unterschied zwischen einem Essigbaum und einem Götterbaum, die zwar ähnliche Blätter hätten, aber an deren unterschiedlichem Geruch differenziert werden können. Der Götterbaum würde nach Popcorn duften, so der Fachmann. Auch eine der letzten Birken wurde gesichtet: „Diese Pionierbaumart verabschiedet sich auf diesen Böden und wird durch andere Baumarten ersetzt“, so Schüpferling.

An einer außerhalb des Friedhofs wachsenden Pappel berichtete der Experte, wie schädlich Misteln sind. Diese besitzen nämlich kein gewöhnliches Wurzelwerk, sondern bilden spezielle Saugwurzeln (Haustorien), mit denen sie in das Holz des Wirtsbaums eindringen und seine Leitungsbahnen anzapfen, um Wasser und Nährsalze aufzunehmen. Blüten und Beeren werden von Insekten und Vögeln aufgenommen und weiter verbreitet. Ein starker Befall könne dazu führen, dass der Wirtsbaum selbst langsam eingeht.

Die Zuhörer verfolgen die Ausführungen von Tobias Schüpfeling. © Bernhard Haas

Jedes Jahr müssen auch neue Bäume gepflanzt werden, wie etwa Zuckerahorne, die an einem Gerüst aus Stangen und Hanfseilen befestigt werden müssen. Auch für eine Entwässerung müsse gesorgt werden. Baumspenden würden gerne entgegengenommen werden. Für 300 Euro könne ein neuer Baum eingekauft werden. Bis er nach drei bis fünf Jahren sich selbst überlassen werden kann, würden allerdings Kosten in Höhe von 1600 bis 1900 Euro anfallen, erklärte Schüpferling.

Am Ende gab es viel Anerkennung für den interessanten Spaziergang. Carsten Hohmann aus Feudenheim sagte da zum Beispiel: „Das war insgesamt sehr interessant. Der Mann hat schon eine beeindruckende Kompetenz und lässt sich genügend Zeit, um alle Fragen der Zuhörer zu beantworten.“ Man müsse sich auch frühzeitig informieren, meinte Hohmann augenzwinkernd: „Vielleicht liege ich ja demnächst hier. Da ist es gut, wenn man weiß, wie und ob der Friedhof auch gepflegt wird.“

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