Rheinau. Jeder hat Sorgen und Ängste, kaum jemand spricht gerne darüber. Grübeln raubt einem den Schlaf und negativer Stress greift die Gesundheit an. Jeder kennt das. Aber kann man mit Sorgen und Ängsten gut und gesund umgehen? Dieses Thema stellte Hansjörg Tenbaum, Leiter der Psychologischen Beratungsstelle der Diakonie, in der Reihe „Freitags um 4“ in den Mittelpunkt. „Endlich sorgenfrei?! Vom guten und gesunden Umgang mit Sorgen und Ängsten“ hieß der Themennachmittag in der Versöhnungskirche am Rheinauer Marktplatz.
Gesundheit, Sicherheit, Geld: Welche Ängste und Sorgen viele Menschen umtreiben
Der Rahmen der Veranstaltung ist eigentlich ein gemütlicher Plausch bei Kaffee und Kuchen – wie an jedem letzten Freitag im Monat um 16 Uhr. Mehr als 60 Gäste waren dieses Mal erschienen, und stärkten sich mit Kaffee und Kuchen. Denn was dann aufgetischt wurde, war für viele keine leichte Kost: Wird das Geld reichen? Wird die Rente reichen? Die Ängste um Kinder und Angehörige und auch um die eigene Gesundheit, so bekannten viele Teilnehmer, beschäftige sie. Vielleicht deutlich mehr, als man ertragen sollte. Für ganz viele ältere Menschen ist auch die vergessen geglaubte, aus Kinderzeiten tief sitzende Angst vor einem Krieg seit dem russischen Überfall auf die Ukraine wieder allgegenwärtig. Auch die abnehmende ärztliche Versorgung im Stadtteil und ganz allgemein gehört zu den meistgenannten Ängsten aus dem Publikum.
Schlaf, Nahrung, Schutz: Welche Ängste und Sorgen ihre Berechtigung haben
Referent Hansjörg Tenbaum zeigte sich beeindruckt von der Offenheit seiner Zuhörer und Gesprächspartner. Denn Sorgen und Ängste sind oft schambehaftet, „daher redet man nicht so gerne darüber“, erklärte er. Ruhig und mit großem Verständnis moderierte er das unangenehme und bedrückende Thema. Und er zeigte nicht nur einen Weg auf, mit der eigenen Angst umzugehen. Er sorgte auch für etliche Aha-Momente. Denn Sorgen und Ängste haben auch ihre Berechtigung. Sie sind mit existenziellen menschlichen Bedürfnissen verbunden, wie zum Beispiel Schlaf, Nahrung und Schutz.
Um mit Sorgen und Ängsten leben zu lernen, müssen sich jeder selbst aber auch als wirksam erleben, müsse Anerkennung erfahren und Verbundenheit fühlen. Gerade die Verbundenheit mit anderen Menschen, so führte der Fachmann aus, helfe, mit Sorgen und Ängsten gut umzugehen. Sich seelisch zu schützen durch gemeinsame Unternehmungen und Austausch – das sei ein guter und wichtiger Weg gegen Ängste und Sorgen: „Gehen sie unter die Leute!“, betonte Tenbaum, „pflegen sie herzlich ihre Kontakte“.
Einfluss auf die eigenen Gedanken nehmen: Wie man richtig auf Sorgen und Ängste reagiert
Das Zusammenspiel von Gedanken und Gefühlen und vor allem die Reaktion des Körpers darauf, sei einerseits ein kompliziertes Gebilde, andererseits könne man durchaus auf seine Gedanken und damit auch auf Sorgen und Ängste Einfluss nehmen, so Hansjörg Tenbaum. Eine wichtige Frage in diesem Zusammenhang ist: Reagiere ich angemessen auf die Situation? Ja, ein kaputtes Hausdach macht einem Sorgen, griff er einen Einwand aus dem Publikum auf. Das ist ein Problem, um das muss man sich kümmern. Man kann Telefonate führen und Angebote einholen. Die innere Angst, die bleibt, vor der großen Aufgabe und der Sorge, dass das Geld für die Reparatur vielleicht nicht reicht, dagegen könne man sich aber wappnen.
Resilienz oder Widerstandskraft: Was man Sorgen und Ängsten entgegensetzen kann
„Man kann Ängsten und Sorgen etwas entgegensetzen“ – diese Botschaft brachte Hansjörg Tenbaum an dem Nachmittag in der Versöhnungskirche herüber. Man kann etwas für die eigene Resilienz tun. Resilienz ist ein anderer Begriff für psychische Widerstandskraft, um schwierige Lebenssituationen ohne anhaltende Beeinträchtigung zu überstehen. So stabilisieren Normalität und Routinen im Alltagsleben in Krisenzeiten. Auch seine Empfehlung, die Informationsflut der Medien und sozialen Medien einzudämmen, damit die Gedanken nicht ins Rotieren kommen, wurde mit allgemeinem Nicken bestätigt.
Trost und Ablenkung: Wie man Sorgen und Ängste im Alltag überwinden kann
Tenbaum hatte zudem Listen mit Tipps mitgebracht, die er an alle verteilte. „Schließen Sie die Sorgen und Ängste nicht in einen inneren Tresor ein“, sagte er, „reden Sie darüber!“ Dazu könne man auch die Telefonseelsorge, die kostenlos und vertraulich ist, nutzen. Trost und Ablenkung finde man bei allem, was man gerne tut, was einem Freude macht. „Das ist ihre Schatzkiste“, formulierte der Psychologe. „Kennen sie ihre eigenen Ressourcen und Kraftquellen?“ Bevor Maria Huettner, vom Organisationsteam „Freitags um 4“ ihn verabschiedete, wies er darauf hin, dass eben auch die Veranstaltungsreihe ein wertvolles und wichtiges Angebot ist. „Hier wird ein Rahmen geschaffen, um sich mit wichtigen Themen zu beschäftigen“, bedankte er sich. Das Publikum applaudierte lange.
Optimismus und gute Gedanken: Wie die Teilnehmer der Veranstaltung reagierten
Gisela (69) wollte gemeinsam mit einer Freundin kommen, die dann aber absagen musste. „Ich bin dann trotzdem hergekommen“, erzählt sie. „Ich musste bei dem Vortrag oft an diesen einen schönen Satz denken: Sorge dich nicht, lebe! Man denkt viel zu wenig daran. Ich nehme von hier gute Gedanken mit“. Das Zitat, das Hansjörg Tenbaum als letztes Bild seiner Präsentation zeigte, habe sie besonders berührt. Es war ein Zitat von Friedrich Schiller: „Die wahren Optimisten sind nicht überzeugt, dass alles gut gehen wird, aber sie sind überzeugt, dass nicht alles schiefgehen kann.“
Termine und Anlaufstellen
Die Veranstaltungsreihe in der Versöhnungskirche „Freitags um 4“, findet immer am letzten Freitag im Monat statt. Der Eintritt ist frei. Veranstalterin ist die Evangelische Gemeinde Rheinau gemeinsam mit dem Diakonischen Werk und dem Quartiermanagement Rheinau. Das Thema am Freitag, 26. September, lautet „Im Alter sicher leben“.
Als Anlaufstelle für Krisen, Sorgen und Ängste ist die Nummer der Telefonseelsorge : 0800/111 0 111 und 0800/111 0 222.
Auch die Website der Psychologischen Beratungsstelle der Diakonie Mannheim bietet Hilfe und weiterführende Informationen: www.pb.diakonie-mannheim.de
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