Hochstätt. „Heute morgen“, sagt Saban Kaya, und der Ärger ist ihm auch über zwölf Stunden später noch deutlich anzumerken, „heute morgen sind wir hier um sechs Uhr aus den Betten geworfen worden.“ Das war am Mittwoch, als der erste Bagger auf den ehemaligen Spielplatz/Boltzplatz am Riestenweg rollte.
Als in der Woche vorher damit begonnen wurde, die Begrünung auf dem Areal an der Lärmschutzwand des Rangierbahnhofs zu roden, hatten die Anwohner noch gedacht, die Stadt lasse den seit der Corona-Pandemie ziemlich vernachlässigten Platz wieder auf Vordermann bringen. „Das wäre dringend nötig gewesen“, sagt Samed Akyüz, „es gibt in unserem Stadtteil viele Kinder und Jugendliche und kaum Spielplätze.“ Wenige Meter entfernt befindet sich zudem der Jugendtreff Hochstätt, von dem aus viele Jugendliche den Platz genutzt haben.
Anwohner in Mannheim-Hochstätt fühlen sich von dem Self-Storage-Bau „völlig überrumpelt“
„Wir fordern , das Bauvorhaben zu stoppen und die bestehenden Grünflächen zur Erholung und Sportförderung der Bürger von Hochstätt zu erhalten“ - das schrieb Akyüz, er ist mit Kaya Verwaltungsbeirat im Wohnhaus Riestenweg 14, am Dienstag der vergangenen Woche an die Stadtverwaltung. Zu diesem Zeitpunkt war gerade ein Bauzaun aufgestellt worden. Auf einem Schild an diesem Zaun steht, das „Lager, XXL-Garagen und Lager mit Büros zur Miete“ errichtet werden sollen.
„Das war ein Schock für uns“, sagt auch Fatih Alkan, ebenfalls Anwohner in der Nachbarschaft, Vorstandsmitglied bei Türkspor Hochstätt und ehemals Mitglied im Migrationsbeirat der Stadt Mannheim. „Wie soll das gehen?“ fragen die drei Männer, die sich wie viele ihrer Nachbarn von dem Bauvorhaben „völlig überrumpelt“ fühlen. Die Straßen in dem Wohngebiet sind schmal und voller Schlaglöcher, es gibt zu wenig Parkplätze. „Wie sollen Leute, die hier dann etwas einlagern oder abholen wollen, an- und abfahren?“, fragen sie.
Hier wurden hinter unserem Rücken Tatsachen geschaffen.
Gewerblicher Verkehr sei bereits jetzt ein Riesenproblem im Stadtteil: In der benachbarten früheren Bundesbahn-Halle lagern private Unternehmen Güter ein, neuerdings Autoreifen. Auf einem Areal hinter der Halle wird seit ein paar Tagen Erdaushub abgelagert. Die Anwohner haben mehrfach 40-Tonner-Lkws beobachtet, die an- und abfahren. Akyüz: „Das staubt alles wie verrückt“. Abdeckung, Befeuchtung der Halden? Fehlanzeige. Hinzu komme, dass in der Halle offenbar auch genächtigt werde. „Da sind die ganze Nacht Menschen, die sind oft sehr laut“, berichten Akyüz, Alkan und Kaya.
In Mannheim-Hochstätt werden 193 Lager- und Garageneinheiten gebaut
Wie das alles überhaupt möglich ist, ohne dass sie als Anwohner vorab darüber zumindest informiert wurden, können viele Hochstätter nicht verstehen. „Wir werden hier komplett ignoriert“, sagt Fatih Alkan, der von ähnlichen Erfahrungen mit dem Sportverein und dem Migrationsbeirat berichtet. Nachfragen Akyüz‘ beim für den Mannheimer Süden einschließlich Seckenheim und Friedrichsfeld zuständigen Bürgermeister Thorsten Riehle (SPD) sowie bei den Stadträtinnen Nina Wellenreuther (Grüne) und Marianne Seitz (CDU) ergaben, dass auf dem Gelände 193 Lager- und Garageneinheiten in einer zweistöckigen Bebauung vorgesehen sind.
Was die Stadt Mannheim zu dem Bauvorhaben am Riestenweg sagt
Adnan Werning, Büroleiter des Mannheimer Baubürgermeisters Ralf Eisenhauer, nimmt ausführlich Stellung zum Thema Bebauung am Riestenweg:
“Grundsätzlich ist es Ziel der Stadt, die Lebensqualität in den Stadtteilen zu verbessern. Bei Bauanträgen ist aber die Baurechtsbehörde verpflichtet, genehmigungsfähige Anträge zu genehmigen. Dabei geht es auch um den Schutz des privaten Eigentums. Ziel ist auch entsprechend, Bauanträge zu vereinfachen und zu beschleunigen. Entsprechend gab es auch diverse Reformen der Landesbauordnung in letzter Zeit, um Bauanträge zu beschleunigen und Bürokratie abzubauen
Im konkreten Fall handelt es sich um ein privates Baugrundstück. Vorgesehen ist laut Beschreibung der Neubau eines zweigeschossigen Lagerparks mit 17 Hallenreihen und 193 Lager- und Garageneinheiten. Die Verwaltung empfiehlt dem privaten Investor, seine Maßnahme im Stadtteil bzw. Bezirksbeirat und mit den Nachbarinnen und Nachbarn vorzustellen und abzustimmen. Darauf wird die Verwaltung hinwirken. Letztlich ist es Entscheidung des Bauherren. Die Maßnahme kann jedoch auch dazu beitragen, den Lärm der angrenzenden Bahnlinie zu verringern. Aufgrund der Bahnlinie ist auch lediglich eine Gewerbeansiedlung auf dem Grundstück möglich
Es gibt noch keine Baufreigabe für das Gesamtprojekt, lediglich für den Erdaushub
Für die Baufreigabe ist notwendig, das Schallschutzkonzept abzustimmen, das noch nicht endgültig abgestimmt ist und in dem auch die Verkehrsbelastung geprüft wird
Da sich der Bolzplatz auf einem privaten Grundstück befindet, kann dem Bauherren auch nicht vorgeschrieben werden, diesen zu erhalten. Die Nutzungsvereinbarung zwischen der Stadt und dem Eigentümer konnte nicht verlängert werden.“
Dem Plakat am Bauzaun kann man entnehmen, dass es sich um den in der Region bereits in Ludwigshafen, Frankenthal, Heidelberg und Ladenburg vertretenen Anbieter „Storage 24“ handelt. Das Unternehmen wurde 2015 von den Brüdern Markus und Matthias Sattler in Nordrheinwestfalen gegründet und betreibt mittlerweile europaweit sogenannte Self Storage-Anlagen. Auf Anfrage zu seinen Hochstätt-Plänen bestätigte das Unternehmen die Anzahl 193 Lagereinheiten und kündigte weitergehende Informationen zu seinem Bauvorhaben an (Bericht folgt). Adnan Werning, Büroleiter des Mannheimer Baubürgermeisters Ralf Eisenhauer (SPD), teilte mit, dass das Bauvorhaben auf einem Privatgelände erfolge, rechtlich grundsätzlich genehmigungsfähig sei und die Baufreigabe für die Erdarbeiten bereits erfolgt sei.
Anwohner in Mannheim-Hochstätt kritisieren den Verlust einer wertvollen Grün- und Freizeitfläche
Die Kritik der Hochstätter richtet sich vor allem gegen den Verlust der Freizeitfläche, deren Wert die Stadt selbst in einer Gemeinderatsvorlage aus dem Jahr 2019 festgestellt hat. Damals wurde in geplant Wohnbebauung an der selben Stelle abgelehnt. Weitere Kritikpunkte sind, wie erwähnt, der generelle Parkplatzmangel, die zu erwartende erhöhte Verkehrsbelastung durch das 24 Stunden an sieben Tagen die Woche zugängliche Lager, Sicherheitsbedenken und Lärmbelastung. Zudem ist die Hochstätt, wenn auch zwischen Rangierbahnhof und Autobahn gelegen, in den Augen ihrer Bewohner ein Wohn- und kein Gewerbegebiet. Allerdings, so stellte Adnan Werning klar, gibt es für den Bereich keinen Bebauungsplan, so dass die Stadt verpflichtet sei, die Self-Storage-Anlage auf dem Gelände am Riestenweg zu genehmigen.
Die Bebauung, so argumentieren dagegen die Anwohner, sei schädlich für den Umwelt- und Naturschutz, könne zu Problemen mit dem Regenwassermanagement führen, ebenso zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen durch den Lärm und die Staubbelastung des Verkehrs, das Lager verursache Lichtverschmutzung und störe ganz allgemein wegen des Wegfalls von Grün- und Freizeitflächen das soziale Gefüge im Stadtteil. Die vorgesehene Bebauung, so wirft Werning ein, könne indes einen zusätzlichen Lärmschutz gegen die Gleisanlagen des Rangierbahnhofs schaffen.
Baufreigabe für die Self-Storage-Anlage in Mannhim-Hochstätt ist noch nicht erfolgt
Zudem, so erläutert Adnan Werning, müsse der Betreiber des Self Storage, noch Fragen zum Lärmschutz und zum Verkehrsaufkommen klären. Deswegen sei die Freigabe der eigentlichen Bauarbeiten noch nicht erfolgt. Gibt es also doch noch Hoffnung für die Anwohner? „Hier wurden hinter unserem Rücken Tatsachen geschaffen“, ärgert sich Fatih Alkan. Das, so die bittere Bilanz der Hochstätter, „machen die da oben immer mit uns.“ Man wolle, so Adnan Werning vom Büro des Baubürgrmeisters, dem Bauherrn Storage 24 empfehlen, auf die Nachbarschaft zu zu gehen und zu informieren.
Dass der Bau jetzt noch gestoppt werden könnte - „das glauben Sie doch selbst nicht“, so Alkan. „Ich bin hier geboren und aufgewachsen“, sagt er. Und fügt an: „das wäre das erste Mal, dass auf uns Stadtteilbewohner hier gehört würde.“ Inzwischen ist es nach 19 Uhr. Der Baggerlärm von der Baustelle am Riestenweg verstummt für diesen Tag. Immerhin.
Deshalb schlagen Akteure für den Stadtteil Hochstätt Alarm
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