Bezirksbeirat Innenstadt

Mehr Kokainkonsumenten in der Mannheimer Innenstadt

Der Runde Tisch Drogen hat die neuesten Entwicklungen in der Mannheimer Drogenszene vorgestellt. Und welche Rolle spielt die Cannabis-Legalisierung?

Von 
Sylvia Osthues
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Innenstadt. 1200 Opiat-Konsumenten gibt es laut einer neuen Studie in Mannheim. 300 bis 400 von ihnen verkehren demnach auf 130 Szeneplätzen. Die aktuelle Drogenszene in der Innenstadt und die Entwicklung bedarfsorientierter Angebote wurde nun in der Bezirksbeiratssitzung vom Runden Tisch Drogen vorgestellt. Seit 1995 ist dieses Gremium behörden- und fachübergreifend für die Drogenproblematik in der Mannheimer Innenstadt zuständig. Erste Bürgermeisterin Diana Pretzell (Grüne) leitete die Sitzung.

Philip Gerber, Geschäftsführer des Mannheimer Drogenvereins, gab einen kurzen Einblick in das Drogengeschehen. Grundlage ist eine Szenebefragung durch das Centre for Drug Research der Universität Frankfurt aus dem Jahr 2021. Dabei wurden 101 Konsumenten befragt.

Viele Konsumenten können heute weiterleben

Während vor zehn Jahren noch viele Opiat-Konsumenten gestorben seien, würden sie heute nach Konfiszieren und gezielter Beratung weiterleben, so Gerber. Hinzu kämen globale Veränderungen. Die Übernahme der Macht in Afghanistan durch die Taliban habe zu Heroinengpässen geführt. Die Opioide würden durch gefährlichere Substanzen wie Fentanyl, Nitazene und synthetische Opioide ersetzt. In der gesamten Innenstadt sei der Konsum von Kokain angestiegen, was verhaltensbezogene Negativerscheinungen und Szeneveränderungen nach sich ziehe. Statt ein bis zwei Treffpunkte, gebe es nun mehrere, über die gesamte Innenstadt verteilte Drogentreffs: von der Neckarstadt-West bis zum „Alter“.

Harald Fahldiek, Leiter der Führungsgruppe Polizeirevier Mannheim-Innenstadt, erklärte zur aktuellen Entwicklung und den Szeneplätzen: „Es gibt wenig Beschwerden.“ Seit der Legalisierung von Cannabis fänden Handelsdelikte eher verdeckt in Wohnungen und einschlägigen Lokalitäten statt. Am Alten Messplatz, wo die Beschwerdelage im Spätsommer hoch war, sei es jetzt ruhiger. Allerdings sei die konsumbedingte Aggressivität gestiegen, auch gegenüber Polizei und Rettungskräften. Wegen der Cannabis-Legalisierung würden zudem immer mehr junge Leute in die Drogenszene rutschen.

Carolin Käser, Suchtbeauftragte der Stadt Mannheim, erklärte, auch vonseiten der städtischen Sicherheitsbehörden gebe es aktuell keine Bedenklichkeitsmeldungen. Zum geplanten Drogenkonsumraum (DKR), in dem Drogenabhängige mitgebrachte Substanzen unter hygienisch guten Bedingungen und unter Aufsicht konsumieren können, erklärte sie: Nach drei intensiven Jahren interdisziplinärer Beratung, Befragung und Szeneanalyse habe es im Juli 2023 einen Grundsatzbeschluss zur Einrichtung eines DKR gegeben.

Nach Einwänden von Schulen und des Zentralinstituts für seelische Gesundheit (ZI) habe es zwei Workshops zur Klärung und Sozialverträglichkeitsprüfung gegeben. Danach habe man die Einrichtung des Drogenkonsumraums in K 3 favorisiert, doch dann sei es zu Verzögerung wegen finanzieller Engpässe gekommen. Die gute Nachricht sei aber: „Das Café Anker läuft sehr positiv“, so Käser über das alkohohlakzeptierende Aufenthaltsangebot für Drogenabhängige in der Akademiestraße, das Anfang 2020 eröffnet wurde.

Café Anker erreicht viele Menschen in Mannheim

Manuela Morsch vom Caritasverband Mannheim berichtete, dort würden viele Gruppen erreicht. Die Besucherzahlen reichten von 65 pro Tag bis zu 90 bis 100 im Winter. Als Fazit stellte sie fest: „Im Großstadtvergleich ist die Beschwerdelage bezüglich des Drogengeschehens für Mannheim als moderat einzuordnen“ Doch der Bedarf sei hoch für tiefergehende Ursachenbekämpfung sowie für stabile, nachhaltige ineinandergreifende Hilfe- und Versorgungsangebote. Hinzu komme ein Mehrbedarf durch riskante Konsumtrends, wie beispielsweise Lachgas oder Snus (Kautabak) bei Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen.

Runder Tisch Drogen

Der Runde Tisch Drogen besteht in Mannheim seit 30 Jahren und zog nun eine Bilanz im Bezirksbeirat der Mannheimer Innenstadt .

Das Gremium ist behörden- und fachübergreifend aufgestellt. Es bewertet die aktuelle Drogenszene und entwickelt bedarfsorientierte Angebote.

Durch Entzug und gezielte Beratung konnte die Todesrate von Abhängigen deutlich verringert werden.

Bezirksbeirat Johannes Schmidt (FDP) fragte, ob es in Mannheim seit der Cannabis-Legalisierung mehr Konsumenten gibt und ob Cannabis für die tendenziell etwas jüngeren Konsumenten eine Einstiegsdroge ist. Außerdem wollte er wissen, wie reagiert wird auf psychische Auffälligkeiten im öffentlichen Raum. Käser erwiderte, Cannabis habe einiges verändert. Polizeilich sei es aufwendiger, ob legal oder illegal, einzugreifen. „Doch eine Einstiegsdroge ist Cannabis nicht“, sagte Gerber. Dass die Konsumenten immer jünger werden, dafür gebe es auch andere Gründe, wie Lebenskrisen. Perspektivlosigkeit und andere Bezugsquellen, beispielsweise über das Internet. Zum Drogenhandel erklärte Fahldiek: „Seit der Cannabis-Legalisierung ist der Schwarzmarkt mit Cannabis angestiegen.“

Zu den Auffälligkeiten im öffentlichen Raum erklärte Käser: „Kokainkonsum kann zu Auffälligkeiten führen und zu psychischen Erkrankungen.“ Eine Tendenz zu psychischer Erkrankung sei auch deutlich im Café Anker spürbar. „Manchmal sind es fünf bis sechs pro Tag, das war vorher nicht so“, berichtete Morsch. Auf die Frage von Bezirksbeirat Maximilian Schulz (Grüne), wie die Personen zum Café Anker kommen und wie reagiert wird auf das Problem mit Konsumenten auf dem Quartiersplatz im Jungbusch, antwortete Käser: „Das ZI hat viele Konsumenten zu uns geschickt.“ Manche kämen nur eine Stunde ins Café Anker. Danach gingen viele auf den Quartiersplatz. Durch die Zusammenarbeit mit Quartiermanager Michael Scheuermann aber habe man das Problem so weit im Griff. Bürgermeisterin Pretzell dankte dem Runden Tisch Drogen für die „sehr intensive Arbeit“.

Freie Autorin

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