Nymphaea

Mannheimer Traditionsverein verschenkt Schildkröten und stellt sich neu auf

Umzug weg aus Neckarau: Der Mannheimer Verein Nymphaea gibt seine Schildkröten weg. Eine ist rund 90 Jahre alt – warum Rambo jetzt ein neues Zuhause hat.

Von 
Steffen Mack
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Der 90 Jahre alte "Rambo" aus Neckarau in seinem neuen Domizil, einer Reptilienauffangstation in der Südpfalz. © Kevin Keßler

Mannheim. Es ist ein herrlicher Sommerabend am Stollenwörthweiher. Hier am nordöstlichen Ufer kommt einem das berühmte Zitat von Mark Twain in den Sinn. Als einige US-Zeitungen meldeten, der Schriftsteller sei verstorben, verkündete er frohgemut: „Die Nachricht von meinem Tod war eine Übertreibung.“

Im Falle von Nymphaea aus Neckarau wurden kürzlich in der Südpfalz fälschlicherweise verbale Totenglocken geläutet. Der 1913 gegründete Mannheimer Traditionsverein, benannt nach dem wissenschaftlichen Namen der Seerose, müsse sich wohl auflösen, hieß es aus einer Reptilienauffangstation in Gossersweiler-Stein (Landkreis Südliche Weinstraße). Seine 17 Schildkröten habe er ihr bereits geschenkt. Das älteste Tier sei geschätzt 90 Jahre alt. 80 bis 100 können Landschildkröten werden.

Die 38 Koi-Karpfen sind derzeit auf einem Forellenhof

„Rambo!“, rufen die Männer am Stollenwörthweiher darauf angesprochen. Den vermissten sie in der Tat. Aber die Betreuung der Schildkröten sei hier leider nicht mehr möglich. „Nach denen müssen Sie jeden Tag sehen“, sagt Thomas Kasparek, langjähriger Vorsitzender von Nymphaea. Nachfolger Leon Wacker und sein Stellvertreter Joachim Gilles berichten, um die Reptilien auf dem Vereinsgelände hätten sich zwei Rentner gekümmert. Doch die könnten das auf Dauer nicht mehr, daher habe man die Tiere schweren Herzens weggegeben.

Die 38 Koi-Karpfen sind auch nicht mehr da, aber nur vorübergehend. Die wurden auf einen Forellenhof in Heiligkreuzsteinach ausgelagert, weil ihr großer Teich neu gemacht werden muss. Das Warmhaus, in dem früher all die Aquarien und Terrarien etwa mit Molchen standen, ist schon lange leer. Früher veranstaltete der Verein an manchen Sonntagen beliebte Kaufbörsen. Doch der Tiergroßhandel habe dies als unliebsame Konkurrenz gesehen und durchgesetzt, dass dies nur noch samstags gehe, erzählen die Männer. Und da hätten die Leute für so etwas einfach keine Zeit.

Glauben an die Zukunft ihres Vereins (v.l.): Leon Wacker, Joachim Gilles, Elias Wacker, Thomas Kasparek, Hagen Grundmann und Frank Trublereau vor dem derzeit leeren Teich für Koi-Karpfen. © Steffen Mack

Auch die legendären Sommerfeste, bei denen vor allem die frischen Forellen äußerst beliebt gewesen sein sollen, gibt es schon seit einigen Jahren nicht mehr. Sie hätten zwar noch etwa 40 Mitglieder. Aber mitanpacken würden nur noch etwa zehn, berichtet Wacker. Zum Treffen mit dem „MM“ hat er neben Kasparek und Gilles auch seinen sechsjährigen Sohn Elias sowie zwei weitere Vorstandsmitglieder mitgebracht, seinen Schwiegervater Hagen Grundmann und Frank Trublereau. Letzterer ist Imker und erst seit wenigen Jahren im Verein, er verkörpert ein Stück weit die Neuausrichtung von Nymphaea.

Aquarien- und Terrarienfreunde sind die Männer nur noch dem Vereinsregister nach. Heute wollen sie vor allem Biotop für Artenvielfalt sein. Auf dem rund 3.000 Quadratmetern großen Gelände, das sie 1960 vom benachbarten und befreundeten Anglerverein Merkur übernommen haben, tummeln sich jede Menge Pflanzen und Wildtiere. Kasparek zählt etwa Fuchs, Marder, Waschbär und Ringelnatter auf.

Sechs Bienenvölker produzieren eigenen Honig für Nymphaea

Auf dem Weg zu Trublereaus sechs Bienenvölkern amüsieren sich Wacker und Gilles leise, dass der unbedarfte Reporter Ameisenlöwe und Ameisenbär verwechselt hat. An den Stöcken angekommen, berichtet der Imker, dass er hier schon Klassen vom Moll-Gymnasium herumgeführt habe. In der Tat findet sich auf der Schul-Homepage ein kurzer Bericht der 6a, der Ausflug sei sehr schön gewesen. „Zum Glück wurde niemand gestochen.“

Trublereau betreibt hier auch eine Königinnen-Zucht und verkauft Honig mit Nymphaea-Etikett. Der Vorstand könnte sich künftig noch sehr viel mehr in Sachen Schul-Exkursionen und Lehrpfade vorstellen. Nach dem Motto „Totgesagte leben länger“ würden sie sich auch sehr über Mitgliedernachwuchs freuen, insbesondere weiblichen. Einige von ihnen hätten jetzt auch wieder mehr Zeit für Vereinsarbeit, weil ihre Kinder größer seien, sagt Gilles.

Mit Ausnahme dieser Honigbienen-Völker von Imker Frank Trublereau leben aktuell nur noch Wildtiere auf dem rund 3000 Quadratmeter großen Vereinsgelände. © Hagen Grundmann

Dann wäre nur noch zu klären, was aus Rambo geworden ist. Dem gehe es gut, erzählt am Telefon Kevin Keßler von der Südpfälzer Reptilienauffangstation. Die meisten Mannheimer Schildkröten seien mittlerweile wieder weg, bei Vereinsmitgliedern daheim unter Artgenossinnen untergekommen. Aber der rund 90-Jährige solle als Aushängeschild unbedingt bleiben.

Ob Rambo wohl manchmal auch seine früheren Herrchen von Nymphaea vermisst (umgekehrt ja), kann Keßler nicht sagen. Aber er berichtet, die Tiere seien hochintelligent und extrem sozial. Er habe eine männliche Schildkröte, „der ist schlimmer als ein Hund“. Ständig komme er angerannt und wolle gekrault werden. Diese Geschwindigkeit zumindest wäre für Rambo in seinem Alter wohl nichts mehr.

Redaktion Steffen Mack schreibt als Reporter über Mannheimer Themen

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