Haushaltskonsolidierung

Mannheimer Sparmaßnahmen: Stadtteilbibliothek in Friedrichsfeld droht Schließung

Die Zweigstelle der Stadtbibliothek in Mannheim-Friedrichsfeld steht auf der Sparliste. Der Förderverein will das drohende Aus nicht hinnehmen. Wie er sich wehrt.

Von 
Kai Plösser
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Kristin Hätterich (l.) und Martina Kutscher-Bauer vom Förderverein der Stadtteilbibliothek protestieren mit einem Banner bei einer Spielplatzeröffnung in Friedrichsfeld. © Sylvia Osthues

Friedrichsfeld. Fassungslos sind sie im Förderverein der Stadtbücherei Friedrichsfeld: Geht es nach der Stadtverwaltung, droht der Zweigstelle der Mannheimer Stadtbibliothek aufgrund der Haushaltskonsolidierung das Aus. „Ist der Verwaltungsspitze eigentlich bewusst, was das bedeutet?“, fragt Beate Seelert, zweite Vorständin des Fördervereins, im Gespräch mit dieser Redaktion und ist größtenteils sprachlos, über das, was sie Anfang vergangener Woche erfahren hatte. „Die Zweigstelle Bibliothek Friedrichsfeld soll in ein – durch ehrenamtliches Engagement betreutes – Lesecafé umgewandelt werden“, so steht es zur geplanten Sparmaßnahme kurz und knapp in der Beschlussvorlage der Verwaltung. Ansonsten bleibt vieles unklar.

Wenn wir keine Leser hätten, könnten wir es verstehen. Aber wir sind wirklich sehr, sehr gut besucht.
Beate Seelert Förderverin Stadtbücherei Friedrichsfeld

„Wenn wir keine Leser hätten, könnten wir es verstehen“, sagt Seelert. „Aber wir sind wirklich sehr, sehr gut besucht“, kann sie die Entscheidung der Stadt nicht nachvollziehen und betont: „Überall wird gesagt, wie wichtig Lesekompetenz ist, wie wichtig Bildung für Kinder ist.“

Zumal die Bücherei auch ein Ort des Zusammenkommens sei, an dem Menschen miteinander ins Gespräch kommen würden. Dass die Stadt bei der schlechten Finanzlage sparen muss, sei ihr bewusst. Aber Bibliotheken und Büchereien, so Seelert, seien „Dinge, an denen man nicht rührt, denn das ist unsere Zukunft“.

Zweigstelle Mannheim-Friedrichsfeld hat laut Stadt niedrigste Ausleihquote

Die Verwaltung dagegen argumentiert in eine andere Richtung: „Für die Entscheidung war vor allem ausschlaggebend, dass die Zweigstelle Friedrichsfeld im stadtweiten Vergleich zu den Zweigstellen mit den niedrigsten Ausleihzahlen gehört“, sagt eine Stadtsprecherin auf Anfrage dieser Redaktion. „Die Einschnitte an anderen Stellen wären somit vergleichsweise drastischer und hätten größere negative Folgen für die Leseförderung in der Stadt“, erklärt sie die Maßnahme.

Nun ist also ein ehrenamtlich geführtes Lesecafé geplant. Seelert hat keine Ahnung, was sie sich darunter vorstellen kann. „Gibt es da noch eine Ausleihe?“, fragt sie etwa. Auch stellt sich die Frage, wie aktuelle Kooperationen der Bücherei etwa mit Schulen oder Kitas fortgeführt werden können. Nach Angaben der Stadtsprecherin werde derzeit ein Konzept für das Lesecafé entwickelt, konkrete Einzelheiten der Planungen nennt sie aber nicht. „Wir sind zuversichtlich, dass durch das Engagement von Bürgerinnen und Bürgern sowie der anderen Institutionen im Rathaus Friedrichsfeld eine gute Lösung für den Stadtteil gefunden werden kann“, sagt die Sprecherin.

Das Alte Rathaus in Friedrichsfeld soll umfangreich saniert werden. © Marion Schatz

Das Lesecafé soll dabei in einem größeren Kontext entstehen. „Das Rathaus Friedrichsfeld, in dem sich die Zweigstelle der Stadtbibliothek befindet, soll umfangreich saniert werden“, erläutert die Sprecherin die Planungen. 2,16 Millionen Euro will die Stadt dafür nach ihren Angaben investieren. „Das Ziel ist es, ein lebendiges Zentrum für den Stadtteil zu schaffen“, erklärt die Stadtsprecherin das Vorhaben.

Hierzu sollen bestehende Angebote im Stadtteil zentralisiert gebündelt werden. „Durch die Umgestaltung und flexible Nutzung bestimmter Flächen sollen nach Möglichkeit im Gebäude der Turnverein inklusive Küche und Gastraum, ein Generationentreff (vormals Seniorentreff), das Lesecafé, der Bürgerdienst, ein Jugendtreff und der Heimatverein untergebracht werden“, so die Sprecherin.

In Zukunft soll sich das Lesecafé die zur Verfügung stehende Fläche gemeinsam mit dem Generationentreff teilen. Mit der Schließung der derzeitigen Friedrichsfelder Zweigstelle der Stadtbibliothek sollen nach Angaben der Sprecherin 210.000 Euro eingespart werden. „Die Einsparungen setzen sich zusammen aus Personal- und Sachkosten. Der größte Anteil entfällt dabei auf eine Stelle im Bereich der Bibliotheksangestellten und auf den Medienetat der Zweigstelle“, erklärt sie. Weitere Schließungen von Zweigstellen in anderen Stadtteilen seien im Zuge der Haushaltskonsolidierung nicht vorgesehen.

Förderverein der Bibliothek in Friedrichsfeld sucht Gespräch mit der Mannheimer Stadtverwaltung

Den Friedrichsfeldern hilft Letzteres jedoch wenig. Zumal das Entsetzen nicht nur wegen der drohenden Bücherei-Schließung groß ist, sondern auch wegen des Vorgehens der Stadt. Für den Förderverein kam die Nachricht vollkommen überraschend, berichtet Seelert. Sie selbst habe über Umwege davon erfahren. Einen Dialog mit der Stadtverwaltung habe es im Vorfeld nicht gegeben, also auch keine gemeinsame Suche nach alternativen Lösungen, bemängelt sie.

Einfach so hinnehmen wollen die Ehrenamtlichen des Fördervereins das aber nicht. „Wir versuchen alles möglich zu machen, dass wir noch ins Gespräch kommen“, betont Seelert und hofft, noch gemeinsam eine Lösung finden zu können. Die Stadtsprecherin erklärt dazu, dass so wie bei allen Maßnahmen auf der Sparliste ein Austausch mit den Beteiligten nicht stattfinden habe können. „Nach Bekanntwerden ist die Verwaltung nun bemüht, schnell mit dem Förderverein ins Gespräch zu kommen, um gemeinsam auszuloten, wie die Zweigstelle unter ehrenamtlicher Ägide geführt werden kann und ob der Förderverein bereit wäre, sich diesbezüglich einzubringen“, betont sie.

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Um sich schon vorher Gehör bei der Stadt zu verschaffen, hatte sich in den vergangenen Tagen Widerstand geregt. Neben einem drei Seiten langen offenen Brief an die Verwaltung hatte der Förderverein etwa bei einer Spielplatzeröffnung im Stadtteil in der vergangenen Woche protestiert. Auch auf Facebook macht der Verein mobil. Es wird etwa dazu aufgefordert, sich per Mail an die Verwaltung zu wenden. In einem weiteren Beitrag wird für Donnerstag, wenn über die Beschlussvorlage im Hauptausschuss beraten wird, ab 17 Uhr am Stadthaus N1 zum Protest aufgerufen. Der Verein will „lautstark darauf aufmerksam machen, dass wir unsere Zweigstelle brauchen und die Schließung nicht leise hinnehmen“, heißt es.

Online-Petition wegen drohender Bücherei-Schließung hat bereits mehr als 1.000 Unterschriften

Unabhängig vom Förderverein regt sich auch in der Bevölkerung Protest. Eine Online-Petition, die bereits am 12. September auf openpetition.de gestartet wurde, unterstützen bis zum Dienstagnachmittag 1.003 Menschen. Und auch die Politik meldet sich zu Wort. Der SPD-Landtagsabgeordnete Boris Weirauch hat nach eigenen Angaben ein Schreiben an Oberbürgermeister Christian Specht (CDU) verfasst.

„Gerade in einem etwas weiter außerhalb liegenden Stadtteil wie Friedrichsfeld darf die Stadt nicht damit beginnen, gewachsene Strukturen der Daseinsvorsorge auszudünnen“, sagt Weirauch in einer Pressemitteilung und betont: „Wer Einrichtungen wie die Stadtteilbibliothek in Frage stellt oder sie auf ein rein ehrenamtlich betriebenes ,Lesecafé‘ reduzieren will, riskiert eine zunehmende Abkopplung von öffentlicher Infrastruktur.“

Beate Seelert schätzt, dass bei einer Schließung der Zweigstelle nur 20 Prozent der Kinder im Stadtteil weiterhin die Möglichkeit haben werden, in ihrer Freizeit eine Bücherei besuchen zu können. „Aber mit Sicherheit werden 80 Prozent der Kinder abgehängt. Die werden nicht die Zeit finden, in eine andere Bücherei zu fahren“, sagt die zweite Vorständin des Fördervereins der Stadtteilbibliothek. „Für die Friedrichsfelder Kinder wäre die Schließung ein Desaster.“

Redaktion

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