Neckarstadt West. Im Rahmen der Reihe „Ad Hoc Art“ hat Gabriel Gruß ein Wochenende lang Werke im Alten Volksbad im Mannheimer Stadtteil Neckarstadt-West ausgestellt. Der Mannheimer Kunstlehrer, der am Martin-Luther-Gymnasium in Rimbach im Odenwald unterrichtet, zeigte großformatige Gemälde aus Wachs.
Wachs als flüssiger und fester Werkstoff
In dem vielseitig verwendbaren Material steckt für den Künstler eine metaphorische Gegensätzlichkeit der Widersprüche. Denn Wachs könne sowohl in flüssiger als auch fester Form auftreten. Innerhalb von Sekunden verändere diese wundersame Substanz ihren Zustand. „Ich liebe das handwerkliche Arbeiten, an einem Motiv über mehrere Wochen“, erklärte Gruß. In der ehemaligen Hygieneanstalt präsentierte der Künstler außerdem Ätzradierungen. Und in einer engen Nasszelle hingen seine mit Skizzen gefüllten Notizbücher an den Wänden.
Im Hinblick auf die Motive zeigten die wuchtigen Gemälde, pastös mit Wachs auf die Leinwände aufgetragen, urbane Ruinen und verlassene Industrieromantik. Etwa einen in ein Fabrikgebäude gekrachter Strommast als Triptychon und ein graues Schiffswrack. „Wo was abgerissen wird, wird vielleicht was Neues gebaut. Es liegt in unserer Hand“, erklärte Gruß in seiner Einführung zur Vernissage.
Viele Geistesgrößen halten spontane Einfälle und Ideen in Notizbüchern fest, um sie zu vollendeten Werke reifen zu lassen. Zum Beispiel führten die Schriftsteller Roger Willemsen, Bruce Chatwin und Martin Walser Notizbücher.
Skizzenbücher in einer weiß gekachelten Duschkabine
Während seiner dreitägigen Ausstellung „Wo heute Städte stehen - Malerei und Druckgrafik“ erhielten die Besucher in einer weiß gekachelten Duschkabine im Alten Volksbad, das seit 1988 außer Betrieb ist und kulturell genutzt wird, intime Einblicke in die zeichnerischen Notizbücher von Gruß.
In diesen Bänden sieht man nackte Oberkörper, Farbfenster in kirchlichen Gebäuden und einen Kontrabass spielenden Mann. Oder handelt es sich bei dem schwarz-weißen Musiker um einen Cellisten? Das lässt die unterhalb des Oberkörpers abgeschnittene Skizze offen.
Der Titel der Ausstellung geht als Zitat zurück auf den barocken Dichter Andreas Gryphius (1616-1664). „Mein Sohn nimmt Gryphius gerade im Deutschunterricht durch“, berichtete Gruß, der ursprünglich aus der unterfränkischen Stadt Alzenau bei Aschaffenburg stammt und in den Nuller-Jahren seine Heimat in der Quadratestadt fand. Deshalb muss sich der 48-Jährige täglich mit dem Auto auf dem Weg zum schulischen Unterricht in Rimbach durch den Saukopftunnel, das Tor zum Odenwald, drängen.
Bilder erinnern an Landschaften von Caspar David Friedrich
Nicht selten erinnern seine Bilder bezogen auf Komposition und Farbgebung an die landschaftlichen Gemälde von Caspar David Friedrich, dessen 250. Geburtstag die Kunstwelt im vergangenen Jahr ausführlich gefeiert hat.
Sein künstlerisches Fachwissen bezog Gruß, der in seinen schnell aushärtenden Wachsgemälden mehrere Schichten aus Paraffin übereinander streicht, aus seinem Studium an der Akademie der Bildenden Künste in Nürnberg während der Jahrtausendwende.
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