Kerwe

Erst ein schneller Umzug, dann witzige Seitenhiebe in Sandhofen

Traktoren ruckeln durch Sandhofen – und genauso flott sind auch Sprüche und Reime der beiden Kerwepfarrer. Bei der Kerwe im Mannheimer Stadtteil war viel los.

Von 
Bernhard Haas
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Ein 40 PS starker Lanz-Bulldog aus dem Jahre 1959 führt den Sandhofener Kerwezug an. © Bernhard Haas

Sandhofen. „Arg horddisch“ war der Kerwezug in diesem Jahr unterwegs, wie eine ältere Sandhofenerin verschmitzt lächelnd kommentierte. Der traditionelle Kerwezug, angeführt von Traktoren der Bulldog-Freunde Sandhofen, schlängelte sich in diesem Jahr vom Kriegerdenkmal zum Stich. Da das tatsächlich recht flott ging, freuten sich vor allem die kleinen Trakorenfreunde des Vereins Eltern-aktiv, dass sie ganz schnell zu ihrem ersehnten Eis kamen und selbst spielen konnten.

Hinter den Traktoren hatten sich viele Vereine in den Zug eingereiht und marschierten fröhlich zu Fuß mit ihren Fahnen und Emblemen schwenkend zu Sandhofens neuer Mitte. „So viele waren es schon lange nicht mehr, die da mitmarschierten“, ergänzte die Dame ihren Kommentar, ehe sie sich selbst zum Stich begab. Aber nicht, ohne vorher noch an dem einen oder anderen Stand stehenzubleiben und sich zu informieren.

Humoristischer Rundumschlag durch Sandhofen beginnt mit dabbischen Lampen

Da zu diesem Zeitpunkt der Oberbürgermeister noch auf einem anderen Termin beschäftigt war, überbrückten die Kerwegäste mit Akkordeonmusik und Gesang von Markus Schnell, der ganz spontan einsprang, bis zu Christian Spechts Besuch. Den Besuchern gefiel die ungeplante Einlage. „Das ist doch mal ein wenig anders als gewohnt. Schön, dass die Sandhofener so spontan sind“, kommentierte ein gut gelaunter Gast, der aus Lampertheim gekommen war.

Kerwe-Pfarrer Horst Karcher „segnete“ die Zuschauer. © Bernhard Haas

Wolfgang März und Yasmin Schäfer waren dagegen einmal mehr bestens vorbereitet und hielten ihre Kerweredd auf einer Leiter, die auf der Bühne am Stich aufgestellt war. Dabei wurden einige Geschehnisse aus dem Stadtteil wohl gereimt – und natürlich in Mundart – zum Besten gegeben.

Die kleinen Traktorfreunde freuten sich, dass der Zug schnell zu Ende ging – denn dann war Zeit für Spiel und Eis. © Bernhard Haas

Übersetzt ging das so: „Als ich im letzten Winter zum Scharhof unterwegs war zu Fuß, war mir nicht klar, dass ich im Dunkle zurücklaufen muss. Bis zur Tankstelle war alles gut und hell, doch entlang der Lärmschutzwand keine einzige Lichtquell‘. Lampen sind dort zwar integriert mindestens zehn, aber was nützt das, wenn die alle nicht gehen. Jetzt, wo’s niemand brauchen kann, sind die dabbischen Lampen schon mittags an“, startete der humorvolle Rundumschlag durch den Stadtteil.

Sandhofener Kerwepfarrer erteilt den Segen „Urbier und Altbier“

Auch von der Müllabfuhr vergessene Christbäume zierten lange Zeit einige Straßen. Am besten solle man die Bäume selbst auf die Friesenheimer Insel fahren, rieten die Kerweredner. Auch der Müll um die Glascontainer in der Taubenstraße wurden untersucht. Dass die von Anwohnern ausgebrachten und sprießenden Blumensamen an der Baumallee in der Petersauer Straße von achtlosen Mitarbeitern der Stadt einfach abgemäht worden waren, beklagten die Zwei von der Kerwebagage ebenfalls. Da durfte auch nicht fehlen, dass die Straßen wie Fußballfelder bemalt würden, weil der Parkraum neu geordnet werden muss.

Yasmin Schäfer und Wolfgang März hielten ihre Sandhofener Kerwerede traditionell auf einer Leiter. © Bernhard Haas

Weitere Themen der Kerwerede: Ein Pärchen hatte auf einer Flusskreuzfahrt die Kofferschlüssel vergessen, was zu Komplikationen führte. Und auch, dass das Eis nun in Selbstbedienung geholt werden müsse, wurde angeprangert.

Damit der Kerwekranz in seine Position kommen konnte, wurde schließlich das Kerwelied angestimmt, der Kranz in die Höhe gezogen und so die Kerwe eröffnet. Kerwepfarrer Horst Karcher erteilte den Segen „Urbier und Altbier“ und stimmte die Besucher auf einen genussvollen Abend ein, ehe Oberbürgermeister Specht und der Vorsitzende des Kerwevereins, Uwe Mauch, den offiziellen Startschuss für eine schon über 500 Jahre dauernde Tradition gaben.

Oberbürgermeister spricht von einem „mittleren Desaster“ in Sandhofen

Specht bedauerte im Übrigen, dass sich die Eröffnung des Kinderhauses am Werner-Nagel-Ring weiter verzögert: „Das ist schon ein mittleres Desaster“, so der OB. Er hoffe nur, dass die angemeldeten Kinder nicht erst einziehen können, wenn sie das Rentenalter erreicht haben. Specht hatte auch eine gute Nachricht dabei. Sandhofen sei jetzt wieder auf dem Wasserweg erreichbar, nachdem die Fähre ihren zwischenzeitlich eingestellten Betrieb wieder aufgenommen hat.

Die Kerwe-Schlumpel wurde von der Kerwebagage zum Stich in Sandhofen gezogen. © Bernhard Haas

Mauch wiederum bedankte sich für die finanzielle Unterstützung durch die Stadt. Die Kerwe würde mittlerweile einen fünfstelligen Betrag kosten und sei daher nicht mehr allein durch Sponsoren zu stemmen. Vor allem die Sicherheitsauflagen würden viel Geld verschlingen. Aber die Stadt sei da zur Seite gestanden und habe geholfen.

Das traditionell gespendete Fassbier schlug in diesem Jahr gekonnt Bernd Mechnig-Diel zusammen mit seiner Frau Marga an. Sofort floss der Gerstensaft in Strömen und fand reißenden Absatz. Überhaupt herrschte am Stich und auf der Kerwemeile schnell eine ausgelassen fröhliche Stimmung. An den Tischen wurde sich nett unterhalten. Gabriele und Herbert Dehoust meinten: „Wir kommen schon seit vielen Jahren immer hierher, weil es einfach schön ist, Menschen zu treffen, die man lange nicht mehr gesehen hat.“ Auch die Geselligkeit sei wichtig und ganz besonders, „dass man dabbisch babbeln kann“.

Zum 100-jährigen Bestehen von Foto Mechnig spendierte Bernd Mechnig-Diel das Freibier. © Bernhard Haas

Nur wenige Meter weiter ließen es sich die Neckarstädter Burgunde und Erwin Clauß schmecken. „Die Fleischspieße sind einfach Spitze. Die muss man probieren“, lachten die beiden. Dazu gab es eine Pfälzer Schorle. Mittlerweile rockte die Band Suitcase of Grace die Bühne mit Coverversionen der Lieder, mit denen die Bandmitglieder aufgewachsen sind. Am Abend steigerte sich die Stimmung noch weiter, als PartyXpress mächtig einheizte. An den Ständen rund um den Stich herrschte schon fast Ausnahmezustand, so stark war die Nachfrage nach Essen und Getränken.

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