Herzogenried

50 Jahre JUZ Mannheim: Eine wechselvolle Geschichte

In den vergangenen 50 Jahren hat das Mannheimer JUZ viel erlebt. 2017 beriet der Gemeinderat sogar darüber, dass dem Jugendzentrum der städtische Zuschuss entzogen werden sollte. Was damals geschah und wie das JUZ heute feiert

Von 
Christian Hoffmann
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Filmemacher Tobias Frindt (links) und Fotograf Jonathan Funk vor den Fotografien der Bilderausstellung. Zum 50-jährigen Bestehen feiert das JUZ am Freitag, 12. Mai, einen Tag der offenen Tür. Die Bilder sind bis Ende Mai zu sehen. © Christian Hoffmann

Wenn Jonathan Funk mit seinem Fotoapparat unterwegs ist, fallen ihm häufig unerwartet interessante Motive ins Auge. Auf diese Weise entstand sein Schnappschuss von zwei Männern, die unter einem aufgebockten alten Volkswagen liegen und an der Karre herumschrauben. „Das Foto habe ich auf dem Neuen Meßplatz gemacht, als ich mit dem Fahrrad vorbeifuhr. Ich glaube nicht, dass die Männer das gemerkt haben“, schildert Jonathan Funk seine Taktik als Straßenfotograf.

Im Mannheimer Jugendzentrum JUZ stellt der freischaffende Dokumentarfotograf noch bis Ende Mai eine Auswahl schwarzweißer Fotografien aus. Schwerpunkt sind die Bilder, die Funk im Zusammenhang mit dem subkulturellen Leben im JUZ einfangen konnte. Im Rahmen der Vernissage war auch der Dokumentarfilm „Freie Räume – Eine Geschichte der Jugendzentrumsbewegung“ von Filmemacher Tobias Frindt (2019) zu sehen.

Ungewöhnliche Spielstätte

Auf den in rosafarbenen Rahmen gehängten Fotos sieht man die ungestüme Sängerin der amerikanischen Punk-Rock-Band Neighborhood Brats in voller Aktion: Im Laufe der letzten fünf Jahrzehnte hat das JUZ die Punk-Rock- und Hardcore-Kultur als ungewöhnliche Spielstätte für Livekonzerte maßgeblich mitgeprägt. Immerhin trat dort das poppige Punk-Trio Green Day im Jahre 1991 auf, als sich das Mannheimer JUZ, das sein 50-jähriges Jubiläum feiert, noch an seinem alten Standort im Quadrat O 4,8 befand.

Mit seinen grobkörnigen Fotografien möchte Funk nach außen darstellen, was das Wesen der alternativen Einrichtung in Selbstverwaltung ausmacht. Als unkonventioneller Treffpunkt für liberale Freigeister: „Das JUZ denkt out of the box, um neue Perspektiven zu eröffnen fernab kapitalistischer Denkweisen“, verdeutlichte Funk, dessen ausgestellte Bilder überwiegend analog entstanden sind und die er in der Dunkelkammer im JUZ-Keller entwickelte. Der 25-Jährige gehört der dortigen Fachschaft für Fotografie an. Im Hinterhof kultiviert das JUZ einen Garten mit Hochbeeten und Bienenstöcken, was der Fotograf ebenfalls mit der Linse festhielt. Demnächst möchte Funk, der gerade einen Dokumentarfilm über „Frauen im Kampfsport“ mit Kickboxerin Sarah König in der Mache hat, mit seiner Bilderschau auf Wanderausstellung gehen.

Auf der anderen Seite ist das JUZ konservativen Menschen teils ein Dorn im Auge, sie werfen ihm vor, Ort für linksextremistisches Gedankengut zu sein. Ende 2017 hatte die CDU beantragt, dem JUZ den städtischen Zuschuss zu streichen. Der Antrag erhielt im Gemeinderat aber keine Mehrheit – außer CDU, AfD und NPD stimmten alle Parteien für den Zuschuss – und das Zentrum erfuhr eine Welle der Zustimmung.

Wechselhafte Geschichte

Nach der Vernissage führte Tobias Frindt seinen Dokumentarfilm „Freie Räume“ vor. In der ersten Reihe saßen Vertreter der ersten JUZ-Generation. Der Film, der als DVD zu haben ist, erzählte die wechselhafte Geschichte der selbstverwalteten Jugendzentrums-Bewegung allgemein und in Mannheim. Zu Wort kommen auch der Liedermacher Bernd Köhler, der sich während der Vorführung im Publikum befand, und Jugendzentrumsaktivistin Anette Enders. In Bezug auf einen Generationenwechsel brach Köhler eine Lanze für junge Heranwachsende, die nach politischer Mitbestimmung streben. „Man muss das Feld den Jugendlichen überlassen können.“ In der Vergangenheit wurden bundesdeutsche Jugendzentren einige Male von Rockergangs überfallen, ein brisantes Thema, mit dem sich der Film gleichfalls beschäftigt. Darüber hinaus sprechen der Sänger Pablo Charlemoine von der Heidelberger Reggae-Band Irie Révoltés und der Theater- und Fernsehmacher Werner Schretzmeier im Film.

Am Freitag, 12. Mai, ab 17 Uhr, feiert das JUZ (Käthe-Kollwitz-Straße 2-4) einen Tag der offenen Tür mit Hausführung und Siebdruck-Workshop. Zum Jubiläum ist das Sachbuch „Selbstorganisierte politische Jugendarbeit im Konflikt“ erschienen (Norman Böttcher, Daniel Katzenmaier und Max Temmer, Verlag Wochenschau Academy Frankfurt/Main, ISBN 978-3-7344-1566-1).

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