Was braucht es, um Kinder zu unterhalten? Geht es nach Maike Wehmaier, Andreas Krüger und Jörg Pauly nicht viel: Es reichen acht herkömmliche Getränkekisten, ein Besen, ein rotes Seil, zwei bunt gekleidete Schauspieler - und eine pfiffige Idee. Wehmaier, Krüger und Pauly stellten das Theaterstück "Mittendurch" auf die Beine, das für die Kinder des St. Michael-Kindergartens auf dem Spielplatzgelände der Jungbuschhalle Plus X zum ersten Mal aufgeführt wurde.
Konfliktlinien ausloten
Bei "Mittendurch", einer Adaption des Kinderbuchs "Herr Müller und Herr Meier" von Birte Müller, ist der Name Programm: Die beiden Hauptpersonen sind ein eingespieltes Duo. Doch plötzlich taucht eine schnurgerade Linie auf, die sie trennt. Sie teilt den gemeinsamen Raum in zwei Hälften. Fortan streiten Herr Müller und Herr Meier um Einflussbereiche. Wer darf wie weit gehen? Was passiert, wenn einer die Grenze übertritt? Wie können Konflikte um Gebiete friedlich gelöst werden? Das sind die Fragen, die das Theaterstück aufwirft. "Wir haben uns etwas gesucht, was dem Alltag der Kinder entspricht und wollten zeigen, wie fein die Linie des Streits eigentlich ist", erklärte Wehmaier die Idee. Um den Konflikt zu veranschaulichen, verausgaben sich Krüger und Pauly nach allen Kräften. Sie rennen, stolpern, stapeln Kisten, nur um von diesen wieder in den Sand zu fallen. Die Kisten symbolisieren dabei Besitztümer, wie die Kinder es aus dem Kindergarten kennen. In Form eines Tauziehens werden Kräfte gemessen. In den rund 45 Minuten kommen die Schauspieler gänzlich ohne Worte aus. "Wir spielen ohne Worte, weil wir das performative Element des Stücks wahnsinnig wichtig fanden. Gerade in jungem Alter müssen Streitigkeiten oft ohne Worte gelöst werden. Das geschieht intuitiv", so Jörg Pauly.
Während der gesamten Vorführung herrscht Ruhe. Mit offenen Mündern und großen Augen starren die Kinder Petry und Krüger an. Gleichwohl können sie sich in die Szenen hineinversetzen, was an Zwischenrufen und Fingerzeigen deutlich wird. "Mittendurch" geht auch darum, Menschen in jungem Alter für Theater zu begeistern. "Das Kindertheater kriegt oft nicht die Bedeutung beigemessen, die es verdient. Wenn es den Kindern heute gefällt, sind das diejenigen, die in 20 Jahre ins Theater gehen werden", unterstrich Andreas Krüger. "Mittendurch" richtet sich an Jungen und Mädchen im Alter von drei bis sechs Jahren. Das Besondere: Im St. Michael-Kindergarten im Jungbusch haben alle Kinder einen Migrationshintergrund. "Für viele ist Deutsch nicht die erste Sprache und wird auch nicht daheim gesprochen", so Wehmaier. Deshalb können sie sich die Kinder in das nonverbale Theaterstück hineinversetzen und daraus lernen, wie sie Streitigkeiten beilegen können. Der Leiter des Kindergartens, Jörg Ohrnberger, erläuterte: "Die Figuren haben Gemeinsamkeiten, aber auch trennende Momente. Im Stück gibt es, wie bei uns auf dem Spielplatz, Szenen, die täglich gang und gäbe sind. Ich fand das sehr lehrreich, weil das Stück zeigt, dass man wieder Frieden schließen kann, indem man spielerisch Konflikte löst."
Doch das Theaterstück ist nicht nur pädagogisch wertvoll. Wehmaier, Krüger und Pauly versuchten, den Kindern auch ganz banale Dinge zu vermitteln. Zum Beispiel wie man die Balance auf aufgetürmten Kisten hält, im Rhythmus klopft oder ein Seil benutzen kann. Bei so viel Bewegung und Koordination fiel die Reaktion des Publikums nicht sonderlich überraschend aus: Unmittelbar nach dem Ende des Stücks stürmten die rund 20 jungen Gäste in die Sandgrube und auf den Spielplatz. Um sich selbst im Wippen, Rutschen und Rennen zu versuchen.
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