Vom Bürgerdienst informiert

Mannheimer Ordnungsamt: Bußgeld bei abgelaufenem Ausweis?

Böse Überraschung für einen "MM"-Reporter: Nachdem er erst mit großer Verspätung seinen abgelaufenen Ausweis verlängern ließ, schickte ihm das Mannheimer Ordnungsamt einen Bußgeld-Anhörungsbogen

Von 
Steffen Mack
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Wer seinen Personalausweis so gut wie nie benötigt, dem entgeht leicht, dass er abgelaufen ist. © Karl-Josef Hildenbrand/dpa

Mannheim. Privates und Berufliches zu vermischen, ist zu Recht verpönt. Aber erstens gibt es ja so gut wie keine Regel ohne Ausnahme. Zweitens: Wenn einem als in Mannheim lebender Bürger eine vermeintliche Ungerechtigkeit widerfährt, die auch anderen passieren könnte, wieso sollte man dann als „MM“-Reporter nicht darüber berichten? Würde man ja auch möglichst bei einem Leser-Anliegen.

Konkret geht es um die Verlängerung des Personalausweises. Zugegebenermaßen ist der alte schon im März 2022 abgelaufen. Aber da er ja in der Regel nur bei Flugreisen und Polizeikontrollen vorgezeigt werden muss, fiel das lange nicht auf. Erst bei einer Bank-Angelegenheit. Dann wurde ein biometrisches Foto benötigt. Und Termine im Bürgerdienst Feudenheim sind leider so gut wie nie verfügbar. Also ein unangemeldeter Versuch in den Sommerferien, da sollte dort weniger los sein. Klappte auch nach knapp einer Viertelstunde Warten. Die Mitarbeiterin war sehr nett, alles lief reibungslos.

Strafrahmen bis zu 3000 Euro

Dreieinhalb Wochen später kam ein Brief vom Ordnungsamt, Überschrift: „Anhörung im Bußgeldverfahren.“ Zur Last gelegt werde einem, nicht im Besitz eines gültigen Personalausweises gewesen zu sein, „obwohl Sie dazu verpflichtet sind“. Nach kurzer Darstellung des Sachverhalts folgt der Killer-Satz: „Diese Handlung begingen Sie vorsätzlich.“

Eine Google-Recherche ergibt, dass der Bußgeldrahmen hier sogar bis 3000 Euro geht. In der Regel würden Ordnungsämter - sofern sie das überhaupt täten - da indes nur zwischen 20 und 100 Euro verlangen. Aber auch das wäre ärgerlich. Einen Ausweis nicht rechtzeitig zu verlängern, schadet ja niemandem, höchstens einem selbst. Und warum sollte das lange Zeit „vorsätzlich“ geschehen, um dann schließlich doch zum Bürgerdienst zu gehen?

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Steffen Mack
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Ergo folgt eine Anfrage an die Stadt: Wird bei der Verlängerung abgelaufener Ausweise automatisch das Ordnungsamt verständigt? Warum hat die nette Bürgerdienst-Mitarbeiterin davon nichts gesagt? Wer hat den angeblichen Vorsatz festgestellt? Wie häufig kommt so etwas vor und welche Summe an Bußgeld wird da pro Jahr eingenommen?

Nach dreieinhalb Tagen kommt die - zwischen den beiden zuständigen Dezernaten abgestimmte - Antwort. Darin steht, kraft Gesetz sei jeder verpflichtet, einen gültigen Ausweis zu besitzen. Verstöße leiteten die Bürgerdienste an das Ordnungsamt weiter. In „aktuellen Fällen“ habe die Bußgeldstelle dann Anhörungen an die Betroffenen verschickt. „Das bedeutet keineswegs automatisch eine Bußgeldfestsetzung.“ Eine solche erfolge allein bei Vorsatz. Wer schlicht vergessen habe, seinen Ausweis zu verlängern, und das „sofort“ nachhole, erfülle diesen Tatbestand nicht.

„Extrem selten“ verhängt

Doch dann folgt der Zusatz: „Wer allerdings glaubt, bewusst gegen diese Regel verstoßen zu können, der begeht diese Handlung vorsätzlich, und damit ist der Tatbestand einer Ordnungswidrigkeit erfüllt.“

Das betreffe etwa Menschen, die sich auch nach schriftlicher Aufforderung nicht meldeten, oder Angehörige der Reichsbürgerszene, „die unseren Staat grundsätzlich nicht anerkennen“. Wobei subjektiv die Vorstellung schwer fällt, dass die ihren Ausweis erst mit Absicht lange nicht verlängern und es dann, komplett freiwillig, plötzlich doch tun.

Bußgelder werden hier jedenfalls nach Angaben der Stadt „extrem selten“ verhängt. Zahlen gebe es da keine. Jene Verfahren fielen unter allgemeine Ordnungswidrigkeiten und würden nicht gesondert erfasst.

Dann heißt es indes auch: Die beiden Dezernate hätten vereinbart, dass die Bürgerdienste „zukünftig“ eine Einschätzung abgäben, ob es sich um einen vorsätzlichen Verstoß handele oder nicht. Bei einem Versehen werde die Bußgeldstelle fortan auf eine Anhörung verzichten.

Einem Leser, der anonym bleiben will, ist Anfang des Jahres das Gleiche passiert. Seine Frau machte den „MM“ darauf aufmerksam, nachdem wir in der Rubrik „Übrigens“ kurz über den Brief vom Ordnungsamt berichteten hatten. Der Mann erklärte der Bußgeldstelle, er habe keineswegs vorsätzlich gehandelt. Darauf sei das Verfahren eingestellt worden, erzählt er. „Bürgerfreundlich finde ich diese Praxis nicht.“

Bald ein Erinnerungsservice

Auch Ludwigshafen verhängt Bußgelder bei abgelaufenen Ausweisen. Nach Angaben von Stadtsprecher Florian Bittler werden die Betroffenen aber zunächst angeschrieben und bekommen drei Monate Zeit, ein neues Dokument zu beantragen. Erst wenn diese Frist vorbei sei, drohten 35 Euro Verwarnungsgeld. Ein halbes Jahr später seien es 55, bei mehr als einem Jahr 100 Euro. In der Pandemie habe man die Ahndung der Verstöße ausgesetzt, ab November werde sie wieder aufgenommen.

Aus Heidelberg teilt Bittlers Kollege Sascha Balduf mit, die Bürgerdienste machten immer wieder auf die Notwendigkeit aufmerksam, abgelaufene Ausweise zu verlängern. Versäume das mal jemand, „verzichten die Bürgerämter in Absprache mit der Bußgeldstelle in den meisten Fällen auf die Einleitung von Ordnungswidrigkeiten verfahren“. Anders sehe es nur aus, wenn etwa eine Anzeige der Polizei vorliege. Aber so etwas sei seit mehreren Jahren nicht mehr vorgekommen.

Betroffene per Brief auf abgelaufene Ausweise aufmerksam zu machen, wäre laut Balduf zu teuer. Allerdings prüfe man eine digitale Benachrichtigung. In Mannheim heißt es: „Bürger sind selbst für die Erfüllung der Pflichten im Ausweisrecht verantwortlich.“ Zu ihrer Unterstützung solle es aber nächstes Jahr einen Erinnerungsservice geben, bei dem man sich registrieren könne.

Redaktion Steffen Mack schreibt als Reporter über Mannheimer Themen

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