Mannheim. Als der weiße SUV mit arabischem Kennzeichen in der Kontrolle zum Halten kommt, wissen die Ordnungshüter noch nicht, dass dieser Fall knifflig werden wird. Schon nach den ersten Worten mit dem Fahrer aus den Vereinigten Arabischen Emiraten wechseln die Beiden ins Englische, um ihre Routinefragen verständlich zu machen: „Wissen Sie, dass es hier eine Ausgangssperre für Ungeimpfte gibt? Haben Sie einen Impfnachweis?“
Schnell beeilt sich Eisa Leisai, sein internationales Zertifikat vorzuzeigen – was die Beamten vor das nächste Problem stellt. Denn Leisai ist mit einem chinesischen Impfstoff immunisiert, der nicht in der Europäischen Union und in Deutschland zugelassen ist. „Welcher Impfstoff gültig ist, das ist eine juristische Frage. Auch Menschen, denen die zweite Impfung noch fehlt, gelten als ungeimpft“, erklärt Polizeisprecher Patrick Knapp die Regeln.
Seit zwei Wochen dürfen in Mannheim Ungeimpfte zwischen 21 und 5 Uhr nicht mehr ohne triftigen Grund das Haus verlassen, kontrolliert werden die Maßnahmen von Ordnungsamt und Polizei. Wie Betroffene reagieren, und ob den Gesetzeshütern Widerstand oder Verständnis entgegenweht, soll ein Besuch an der Kontrollstelle in der Augustaanlage zeigen. 90 Beamte sind an diesem regnerischen Donnerstagabend an sieben weiteren Stellen wie auf dem Luzenberg, an der Auffahrt zur B44 nach Ludwigshafen oder am Luisenring im Einsatz. Dabei gilt: Die Beamten sollen niemanden von einer Impfung überzeugen, sondern das Einhalten der neuen Regeln überprüfen.
Das sind die Regeln für Ungeimpfte
- Seit dem 25. November gilt für Ungeimpfte in Mannheim eine Ausgangssperre. Zwischen 21 und 5 Uhr dürfen sie nur aus triftigen Gründen ihre Wohnung verlassen.
- Darüber hinaus dürfen Ungeimpfte sich pro Haushalt mit nur einer weiteren Person treffen, Geimpfte und Genesene sowie Minderjährige ausgenommen. Paare, die nicht zusammen leben, zählen als ein Haushalt.
- Liegt die Inzidenz fünf Tage in Folge unter 500, wird die Ausgangssperre für Ungeimpfte aufgehoben. Das könnte schon in der Nacht von Samstag auf Sonntag in Mannheim der Fall sein:
- Am Freitag lag die Inzidenz am vierten Tag in Folge mit einem Wert von 416,8 unter 500. Neben 206 neuen Fällen meldet das Gesundheitsamt drei weitere Todesfälle.
Pünktlich um 21 Uhr winken die Beamten in der Augustaanlage die ersten Autos heraus, die in Richtung Wasserturm unterwegs sind. Kontrolliert wird in Zweierteams aus Ordnungsamt und Polizei. Grund dafür ist die fehlende rechtliche Handhabe der Polizei, nach dem Impfausweis fragen zu dürfen. Denn als Herrin der Verordnung ist nur die Stadt dazu berechtigt, die Kontrollen dieser Maßnahmen durchzuführen und den Impfnachweis einzufordern. Deshalb kontrolliert der Ordnungsdienst die Einhaltung der Ausgangssperre, während die Polizei Verkehrskontrollen dafür einrichtet und der Stadt zur Seite steht.
Viele Male wiederholt sich dabei die gleiche Szene, die es so wohl ohne die Pandemie gar nicht geben würde: Fensterscheibe runter, ein kurzer Wortwechsel. Schon strecken die Kontrollierten bereitwillig entweder ihren gelben Impfausweis oder ihr Handy samt Impfzertifikat den Beamten entgegen. Ein kurzer Scan des QR-Codes und Gegencheck mit dem Ausweis – dann dürfen sie weiterfahren.
Was die Geimpften davon halten? „Jetzt, wo die Corona-Zahlen hier wieder so hoch sind, finde ich Kontrollen richtig. Davor fand ich das aber nicht so gut“, sagt Fahrer Paul Altenhofen. Wie das die Ungeimpften sehen? Auch nach anderthalb Stunden gerät kein Ungeimpfter in die Kontrolle, der diese Frage beantworten könnte. Ob das ein Zeichen dafür ist, dass sich die nicht immunisierten Mannheimer an die Ausgangssperre halten oder doch der Regen sie abhält, vor die Tür zu gehen, lässt sich zwar kaum nachvollziehen. Trotzdem sind die Beamten erleichtert, dass es in den vergangenen zwei Wochen weder Beleidigungen noch Widerstände gegen sie gegeben hat – sowohl bei Kontrollen im Nahverkehr als auch bei der Ausgangssperre.
Die meisten Verstöße würden aus Unwissenheit begangen, fasst Sprecher Knapp die Reaktion vieler Betroffener zusammen. Der Großteil hat ein großes Informationsbedürfnis, will wissen, welche Regeln und Ausnahmen gelten, zeigt sich verständnisvoll. Dieses Verhalten spiegelt auch die Bilanz der Kontrolle wider, die an diesem Abend bis Mitternacht läuft: Von mehr als 900 Kontrollierten ist nur ein Bruchteil, 44 Personen, ungeimpft und ohne triftigen Grund unterwegs. Weil sich die meisten einsichtig zeigen, bleibt es bei Verwarnungen. Laut Knapp haben sich nur sehr wenige bislang als radikale Verweigerer entpuppt oder den Drang zu diskutieren. Mit Blick auf Proteste gegen die Corona-Maßnahmen für Ungeimpfte, die es kürzlich in Österreich gegeben hat, scheint die Lage in Mannheim und deutschlandweit noch entspannt.
Was bei den Kontrollierten auffällt: Nicht wenige haben Verständnis für diejenigen, die noch keine Spritze erhalten haben. Wie Marek Schum, der gerade von Training nach Hause fährt: Der 36-Jährige findet es gerecht, dass man nur als Geimpfter nachts unterwegs sein darf. „Ich will aber niemanden verurteilen, jeder muss selbst entscheiden, ob er oder sie sich impfen lässt.“
Zurück beim SUV ist auch dem Fahrer Leisai nach den ausführlichen Erklärungen der Ordnungshüter klar geworden: Trotz Impfung gilt er hier als ungeimpft, verstößt damit gegen die Ausgangssperre. Und so bleibt ihm nichts anderes übrig als wieder umzudrehen. Und den Besuch bei einem Verwandten im Krankenhaus zu verschieben.
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