Odeon-Kino

Zwei Weltreisende lernen sich kennen und lieben - und dann kommt Corona

Anna Baranowski und Michael Moritz trafen sich auf dem Jakobsweg. Im Mannheimer Odeon-Kino haben sie nun ihre gemeinsame Reise-Dokumentation „Namaste Himalaya“ präsentiert

Von 
Markus Mertens
Lesedauer: 
Die beiden Weltreisenden Anna Baranowski und Michael Moritz mit Tochter Anouk Fjella. Im Mannheimer Odeon präsentierten sie ihren gemeinsamen Film „Namaste Himalaja“. © Markus Mertens

Mannheim. Wer Anna Baranowski und Michael Moritz an diesem sonnigen Abend in all ihrem Glück mit ihrer kleinen Tochter Anouk Fjella vor dem Odeon Kino stehen sieht, möchte fast glauben: Anders hätte es gar nicht kommen können - und wird doch schnell einsehen müssen: Doch, hätte es. Denn dass sie an diesem Tag dazu in der Lage sein würden, mit „Namaste Himalaya“ eine tief beeindruckende Dokumentation über die Reise zu sich selbst zu präsentieren, stand mehr als nur einmal auf der Kippe.

Doch von Anfang an. Wir schreiben das Jahr 2019, und Michael Moritz hat sich von seinem gesellschaftlichen Leben in weiten Teilen verabschiedet. Die Wohnung ist aufgegeben, alle wertvollen Gegenstände verkauft - im Sinn bleibt dem jungen Mann allein der Wille, die Welt zu bereisen. Just an seinem ersten Tag auf dem Jakobsweg trifft er auf Anna Baranowski. Die professionelle Filmemacherin ist für eine Arte-Dokumentation auf Reisen - und hinterlässt großen Eindruck bei dem frischgebackenen Weltenentdecker.

Es dauert nicht lange, bis sich die beiden zuerst näherkommen und dann ineinander verlieben. Ganze 800 Kilometer legt das Duo gemeinsam zurück. Michael lernt von Anna das Filmen mit einer analogen Olympus-Kamera, die das junge Glück eines Paares ebenso auf Wanderschaft im tiefen Wald wie auf einer Fahrt mit der transsibirischen Eisenbahn begleitet.

Eine harte Feuerprobe

Es sind Augenblicke ungetrübter, purer Entdeckungsfreude, die ein gut gefülltes Odeon-Kino bestaunt und oft auch mit einem heiteren Lächeln verfolgt. Doch der 96-Minüter lässt auch die Herausforderungen nicht aus. Denn während Michael weiter reisen will, muss Anna zurück nach Deutschland, mehrere Projekte fertigstellen - und somit gleich mehrere Monate ohne ihren neuen Partner auskommen. „Das waren harte Zeiten des Verzichts“, wie die beiden im Gespräch mit dieser Redaktion in Mannheim erzählen. Und doch wissen Anna Baranowski und Michael Moritz, dass ihnen die härteste Feuerprobe noch bevorstehen sollte.

Wie präzise Michaels Auge für die Wunder der Welt mittlerweile geworden war, darf man jedoch bereits in den folgenden Minuten bestaunen. Denn ob die nun zunächst einsamen Pfade den Weltreisenden in ein mongolisches Kloster, die Straßen von Vietnam oder die Felder von Kambodscha führen: Stets bleibt dabei das Gefühl der Nähe und Unmittelbarkeit erhalten. Nur eines merkt man Michael unverkennbar an: dass diese Reise ohne Anna für ihn nicht mehr dieselbe ist. Nach nichts Bestimmtem auf der Suche, hatte er gefunden, was er nicht erwarten konnte: einen Menschen, mit dem das Gefühl eines Zuhauses nicht mehr auf vier Wände reduziert war. Und fast hätte er diesen geliebten Menschen für sehr lange Zeit nicht mehr bei sich wissen können. Denn wäre Anna nur einen Tag später von Leipzig nach Neu Delhi geflogen, wäre in Nepal der Corona-Lockdown bereits ausgerufen gewesen.

Allein durch diese Fügung finden beide wieder zusammen und sind dennoch gleich mit einem Dilemma konfrontiert. Einerseits sind sie endlich wieder beieinander, andererseits zerstört die Pandemie alle weiteren Reisepläne. All die Visa und Wünsche, noch mehr von diesem Planeten zu erkunden - zunächst dahin.

In einem Wellblechhäuschen im armen Nepal, in dem langsam auch elementare Lebensmittel wie Obst und Gemüse knapp werden, leidet das Paar unter den Ausgangssperren und Restriktionen, will sich über die Rückholflüge des Auswärtigen Amtes aber dennoch nicht nach Deutschland zurückbringen lassen.

An einer treffenden Stelle im Film heißt es dazu eindrucksvoll: „Absolut planlos, fühle ich mich dennoch am richtigen Ort.“ Denn statt der großen weiten Welt zeigen Anna und Michael fortan sich, ihren eigenen Mikrokosmos und eine Reise zu sich selbst, die vielleicht von viel größerer Schönheit ist als jede Landschaft.

Den größten Schatz, so werden es die beiden dem „MM“ sagen, haben die Filmkünstler ohnehin in sich, in ihrer Tochter und in der Gewissheit gefunden, dass man bisweilen auch in weiter Ferne große Nähe entdecken darf. „Eine neue Wahrheit“, die das Paar nun in einem ganz kleinen Dorf in Thüringen lebt - nach eigener Aussage fast so ein Paradies wie jene Flecken Erde, die man in dieser tief-menschlichen Dokumentation erblicken darf.

Freier Autor

Copyright © 2025 Mannheimer Morgen