Mannheim. Am Abend der Kommunalwahl setzten sich der AfD-Kreisvorsitzende Rüdiger Ernst und sein Stellvertreter Rainer Kopp schon mal dorthin, wo sonst die Fraktionschefs sitzen. Lächelnd posierten sie für ein Foto. Das verbreitete die Partei mit der Aufschrift „Danke für Ihr Vertrauen“. Doch obwohl Ernst und Kopp auf den ersten beiden Listenplätzen standen, erhielten vier AfDler (Jörg Finkler, Ulrich Lehnert, Rainer Huchthausen und Bernd Siegholt) mehr Stimmen. „Das war ein böses Erwachen“, erinnert sich Ernst. „Ich war schon sehr enttäuscht.
Zwei Jahre später hat er sich mit dem „MM“ am Ort der Enttäuschung verabredet. Eigentlich ist das Stadthaus, konkret eine Bar darin, nur seine zweite Wahl. Nachdem es entgegen der Prognosen aber doch nicht regnet, ist ein Spaziergang dorthin möglich, wo Ernst am liebsten hinwollte: die Rheinpromenade.
Früher Mitglied erst bei den Grünen, dann bei der CDU
Rüdiger Ernst ist 1972 in Villingen-Schwenningen geboren und aufgewachsen. 1995 zog er zum Studium nach Mannheim, wo er (mit dreijähriger Unterbrechung) seither lebt.
Studiert hat Ernst Politikwissenschaft, Geschichte und Geografie auf Lehramt und dies mit dem Ersten Staatsexamen abgeschlossen. Er arbeitet als Besucherbetreuer in einem Mannheimer Museum.
Anfang der 2000er Jahre trat Ernst nach eigenen Angaben bei den Grünen aus, weil er unter anderem deren Integrations- und Einwanderungspolitik sowie die Ansichten zur Inneren Sicherheit als „naiv“ empfunden habe. Danach sei er zehn Jahre passives CDU-Mitglied gewesen. 2005 habe er auch diese Partei aus Protest gegen einen „Linksruck“ unter Kanzlerin Angela Merkel verlassen.
2015 trat Ernst aus Protest gegen die Euro-Rettungspolitik der AfD bei und übernahm in der Folge in Mannheim verschiedene Vorstandsämter. Seit April 2018 ist er Vorsitzender des Kreisverbandes, mittlerweile wieder gemeinsam mit Robert Schmidt. Bei der Kommunalwahl 2019 trat Ernst als Spitzenkandidat seiner Partei an. In den Gemeinderat rückte er Ende 2019 für Rainer Huchthausen nach. sma
„15 Jahre habe ich in den Quadraten gewohnt“, erzählt er auf dem Weg. Mit allen Vor- und Nachteilen, die das mit sich bringe. Ins Herzogenried sei er dann nur gezogen, weil sich dort eine geeignetere Wohngelegenheit ergeben habe. In manchen Punkten trauere er der Innenstadt noch hinterher. Auch im Gemeinderat wäre er dann schneller.
Nachgerückt ist Ernsts schließlich nach einem halben Jahr für Rainer Huchthausen, der sein Mandat laut der AfD aus gesundheitlichen Gründen aufgab. Womöglich wollte er auch nicht mehr in der Öffentlichkeit stehen. In die war Huchthausen durch Klagen geraten, er habe seinen Job aus politische Gründen verloren. Vor dem Arbeitsgericht war davon allerdings keine Rede mehr.
Zu diesem Fall möchte Ernst nichts sagen. Er glaube aber jedenfalls, viele AfD-Wähler hätten sich an den Berufen orientiert. Da habe bei den Dreien mit den meisten Stimmen Polizist, Arzt und Feuerwehrmann gestanden, bei ihm dagegen „nur“ Besucherführer im Museum.
„Wo ist denn der Nazi?“
Auch dort war sein politisches Engagement schon mal Thema, wie er sagt. Eine Kollegin sei von einem Besucher gefragt worden: „Wo ist denn der Nazi, der bei euch arbeitet?“ Das sei zwar eigentlich eine Verleumdung, sagt Ernst. „Aber über so etwas schmunzele ich nur noch.“ Erstens sei er kein Nazi, zweitens würden AfDler so leider ständig beschimpft.
Ernst zählt sich zu den Gemäßigten in der Partei. Angesprochen etwa auf Alexander Gaulands berüchtigte Aussage, der Nationalsozialismus sei nur ein „Vogelschiss“ in der deutschen Geschichte, meint Ernst: „Das war dumm.“ Doch sei der Fraktionschef im Bundestag da auch nur stark verkürzt wiedergegeben worden.
Dann geht es hinter dem Schloss runter zur Rheinpromenade. Ulkiger Zufall: Kaum dreht es sich um das Verhältnis zu anderen Fraktionen, radelt der Grüne Gerhard Fontagnier vorbei. Er lächelt kurz. Wem der Gruß gilt, ist unklar. Später meint Fontagnier am Telefon: „Wäre der Herr Ernst da allein gelaufen, hätte ich wahrscheinlich nicht gegrüßt.“
Das deckt sich mit Ernsts Eindrücken. Meistens würden die AfD-Männer ignoriert. Nur einzelne, in der Regel konservative Stadträte kämen auch mal freundlich auf einen zu. Eine politische Zusammenarbeit mit anderen Fraktionen sei jedoch unmöglich, bedauert Ernst. „Sonst könnten wir der linken Mehrheit auch mal was entgegensetzen.“
Umgekehrt haben einzelne AfD-Stadträte indes immer wieder mal bei breiten Mehrheiten ebenfalls mit Ja gestimmt. Als Grund dafür nennt Ernst, dass ideologische Fragen in der Lokalpolitik nun mal keine so große Rolle spielten wie auf Landes- oder Bundesebene. Es gehe hier mehr um die Sache. Etwas aus Profilierungsgründen abzulehnen, käme für ihn nicht infrage, beteuert er. Solche Spielchen seien ihm fremd, „ich bin ja nur ein Hobby-Politiker.“
Inhaltlich gefällt es Ernst im Gemeinderat durchaus. Auf die Frage nach seinem Lieblingsthema antwortet er: „Wir müssen den Verfall der Verkehrsinfrastruktur aufhalten.“ Zwar seien auch Fahrradwege wichtig, „aber ohne Autos geht es nicht“. Daher hat er auch die Rheinpromenade mit Blick auf die häufig verstopften Brücken gewählt. Die Themen Sauberkeit und Sicherheit nennt Ernst ebenfalls. Und Migration? Er überlegt kurz. Dann fällt ihm ein: Kürzlich habe er entdeckt, dass in Mannheimer Schwimmbädern Burkinis nicht verboten seien. Aber gab es deswegen jemals ein Problem? „Nicht, dass ich wüsste.“ Dennoch habe er dann gegen die Badeverordnung gestimmt. Man müsse da den Anfängen vorbeugen.
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