Was 2011 als einfaches Start-Up begann, ist heute eigenen Angaben zufolge eine führende Agentur in ganz Europa geworden. Die Geschäftsführer der Ethno-Marketing-Agentur za:media erklären im Interview, warum ihre Firma auch soziale Verantwortung trägt.
Herr Kizhukandayil, Herr Zaman, Ethno-Marketing – das klingt erst einmal rassistisch.
Sherry Kizhukandayil (lacht): Wir machen auch ganz klassisches Marketing für beispielsweise mittelständische Unternehmen. Also Homepages, Social Media – so klassische Sachen eben. Für mich ist Ethno- oder auch Migranten-Marketing nicht rassistisch, denn es gibt verschiedene Zielgruppen. Und jede Zielgruppe wird im Marketing in eine Schublade gesteckt. Dafür gibt es dann Agenturen, die sich darauf spezialisiert haben. Wir konzentrieren uns auf Inder, Pakistanis, Afrikaner und Rumänen. Wir hätten uns auch nicht spezialisieren können. Aber dann würden wir untergehen.
Sherry Kizhukandayil
- Sherry Kizhukandayil ist 1980 in Heidelberg geboren. Seine Eltern kamen in den späten 1970er Jahren aus Indien nach Deutschland.
- Er hat eine Ausbildung zum Eventmanager absolviert.
- 2002 hat er seine Agentur Ambassador Network gegründet. Bis 2012 war er damit Spezialist für indische Themen im Bereich Booking, Design, Events und Promotion.
- Seit 2012 ist er Geschäftsführer der za:media GmbH. jor
Ist das dann trotzdem klassische Agenturarbeit?
Kizhukandayil: Nein, das was wir machen, hat auch viel mit sozialen Tätigkeiten zu tun. Wenn man einmal an den „MoneyGram African Community Award“ denkt, den wir zusammen mit unserem Kunden auf die Beine gestellt haben. Wir arbeiten eng mit Vereinen zusammen und schauen, dass wir ihnen etwas ermöglichen können – das ist dann ein Geben und Nehmen. Als Ausbildungsbetrieb erhalten wir sehr viele Bewerbungen von Migranten. Da wir eng mit verschiedenen Institutionen in Mannheim zusammenarbeiten, stellen wir auch Menschen ein, die es schwer hatten – eben weil sie Migranten sind. Hier engagieren wir uns.
Schwingt da auch eine gesellschaftliche Verantwortung mit?
Kizhukandayil: Natürlich! Es ist aber gerade eine sehr schwierige Zeit. Dass hier zwei Männer mit Migrationshintergrund eine Agentur führen, sollte eigentlich schon längst selbstverständlich sein – ist es aber nicht. Man muss sich ständig rechtfertigen. Es fällt manchen Menschen schwer zu glauben, dass ich Geschäftsführer eines funktionierenden Unternehmens bin und meine Mitarbeiter bezahlen kann.
Was meinen Sie mit „schwierige Zeit“?
Kizhukandayil: Damit meine ich: Wenn ein Politiker wie Seehofer Sachen sagt wie „Vorsicht vor Flüchtlingen... aufpassen... alles hier so schlimm“, dann wird das auch auf die Deutschen mit Migrationshintergrund übertragen. Wenn du auf der Straße bist, kannst du ja nicht unterscheiden: Ist der Flüchtling oder Deutscher mit Migrationshintergrund? Man könnte da noch tiefer gehen und sich die Fußballgeschichte von diesem Sommer anschauen. Mit seinen Aussagen zu Özil hat der Fußballbund die deutsche Integrationsarbeit geschwächt. Damit haben die auch die Arbeit der Amateurvereine kaputt gemacht – die wohl gemerkt sehr viel Integrationsarbeit leisten.
Wieder zurück zu Ihrem Job: Wie funktioniert Ethno-Marketing?
Kizhukandayil: Es gibt verschiedene Studien zum Marketing, das sich auf Ethnien bezieht. Wir selbst haben das nicht studiert. Für mich war nur immer klar, dass ich etwas mit Indien mache. Weil mich meine Wurzeln interessieren. Dazu habe ich auch schon Veranstaltungen wie das „Holi Festival“ gemacht. Später wollte ich ein Dienstleister sein, der, egal was mit dem Thema Indien zu tun hat, das dann liefern kann.
Qamar Zaman
- Qamar Zaman ist 1984 in Gujranwala (Pakistan) geboren. Seit 1995 lebt er in Mannheim.
- Er hat eine Ausbildung zum Mediengestalter Digital und Print absolviert.
- “za:media” hat er 2005 gegründet. 2011 wurde daraus die gemeinsame Agentur za:media GmbH.
- Außerdem ist er Herausgeber eines Bollywood Magazins und Betreiber einer indisch-/pakistanischen Community-Plattform. jor
Qamar Zaman: Wenn Sherry als Inder zeigt, wie man die indische Zielgruppe erreicht, ist das authentisch. Er kennt seine eigenen Leute. Wenn ich als Pakistaner dem Kunden Wege aufzeige, wie man die pakistanische Zielgruppe erreicht, ist das genau das Gleiche. Für die anderen Zielgruppen haben wir Erfahrungen gesammelt. Und das, was bei Afrikanern oder Indern, Pakistanis oder Rumänen in Deutschland wirkt, spricht auch diese Zielgruppe in einem anderen Land an. Die Gemeinschaft tickt gleich. Es gibt zwar andere Probleme, weil es ein anderes Land ist und eine andere Sprache. Aber diese Community bleibt.
Ein Gedankenexperiment: Wie sieht künftig das Marketing aus – macht jeder Ethno-Marketing?
Zaman: Es sollte eigentlich irgendwann gar nicht mehr notwendig sein, Ethno-Marketing zu machen. Das wäre für mich die optimale Vorstellung.
Das heißt? Wie viele Jahre geben Sie ihrer Agentur noch?
Zaman (lacht): Damit meine ich: Dass wir eben noch viel weiter gehen könnten. Es sollte nicht mehr notwendig sein, zu unterscheiden – also eben nicht ein Produkt auf eine gewisse Zielgruppe anpassen, weil es nur diese eine Zielgruppe gibt.
Kizhukandayil: Die Kommunikationspolitik wird digitaler, künstliche Intelligenz wird stärker. Aber es wird immer Zielgruppen geben. Auch im Hinblick auf die Globalisierung. Es wird immer Jugendliche geben, genauso wie Schwule, Lesben, Familienväter, Mütter, Senioren und so weiter. Und eben auch Migranten. Man darf das nur nicht negativ sehen. Migranten sind ja nichts Schlimmes. Jeder hat seine Interessen. Da schwingt zwar dieser Rassismusgedanke bei manchen mit, so ist es aber nicht. Jeder hat seinen familiären Hintergrund – und den wird er immer haben.
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