Angst vor Hochwasser auf dem Lindenhof hat Wolf Engelen, liberaler Bezirksbeirat und langjähriger Stadtteil-Akteur, nicht. Die vom Regierungspräsidium (RP) Karlsruhe geplante Sanierung des Rheindamms hält er für „begrüßenswert“. Doch die damit verbundene Abholzung von wahrscheinlich über 1000 großen Waldpark-Bäumen auf und am Rheindamm ist für ihn „fachlich zweifelhaft.“ Im Gespräch mit „MM“-Redakteur Thorsten Langscheid erklärt Wolf Engelen, warum.
Herr Engelen, können Sie sich noch erinnern, wann bei Ihnen zuletzt der Keller vollgelaufen ist?
Wolf Engelen: Ja, das kann ich. Wir haben an verschiedenen Adressen auf dem Lindenhof gewohnt und hatten einige Mal fünf bis sechs Zentimeter Wasser im Keller. Das war aber das sogenannte Druckwasser, das immer ansteigt, wenn der Rhein Hochwasser hat. Daran wird leider auch die viele Millionen Euro teure Dammsanierung nichts ändern.
Sie haben also keine Angst vor Hochwasser?
Engelen: Nein, weil der Damm 1901, bevor man das Stephanienufer bebaute, vorverlegt und bis zum Großkraftwerk durchgehend hergestellt wurde. Seither gab es auf dem Lindenhof keine Überschwemmungen mehr – von den Problemen mit Druckwasser abgesehen. Nachgewiesen sind wiederholt Überflutungen durch flusseigenes Hochwasser seit Ende des 16. Jahrhunderts. Das letzte Mal „Land unter“ auf dem Lindenhof war 1882.
Brauchen wir also gar keine Dammsanierung? Was machen Regierungspräsidium und Stadt Mannheim falsch?
Engelen: Doch, die Sanierung des Rheindamms ist begrüßenswert, als da Fehlhöhen ausgeglichen und in der Nähe der Silberpappel (Neckarau) eine Begradigung ausgeführt werden sollen. Und das RP hat vieles richtig gemacht – nur das Beharren auf der 30 bis 50 Meter breiten baumfreien Zone entlang des Damms, das ist fachlich sehr zweifelhaft, wie viele Gutachten in ähnlichen Fällen bewiesen haben.
Wie kommen Sie zu dieser Einschätzung?
Engelen: Stadt und Land haben am Rheindamm über Jahrzehnte einen Zustand hergestellt, der den Damm durch viele Baumwurzeln stärkt und festigt. Auch anderswo wurden geplante Kahlschläge verhindert, und die Dämme stehen bis heute sicher. Dass die Bäume auf und am Damm leicht umstürzen und dadurch Schäden entstehen, wie das RP argumentiert, ist nur partiell richtig. Als Ganzes ist aber der Damm mit einem gesunden Baumbestand widerstandsfähiger als ohne ihn.
Es gibt immerhin die DIN-Vorschrift 19712, nach der Dämme aus Sicherheitsgründen baumfrei sein sollen.
Engelen: Ja, es handelt sich dabei aber um eine technische Anweisung, die keineswegs so eingehalten werden muss. Gerade der Bewuchs in einem Auenwald wie hier, wo der Baumbestand sowohl Hochwasser als auch Trockenphasen gewöhnt ist, stabilisiert den Damm. Das Wurzelwerk der Bäume umschließt das Erdreich wie ein Netz und macht den Damm stabiler. Bei einem Dammbruch konnte sogar nachgewiesen werden, dass an der Bruchstelle gar keine Bäume vorhanden waren, die baumbestandene Fläche aber stehen geblieben ist.
Können Sie sich erinnern, dass der Rheindamm früher einmal baumfrei war?
Engelen (lacht): Nein, das muss er 1901, nach dem Neubau, gewesen sein. Aber die Bäume sind ja nicht zufällig gewachsen, sondern wurden von der Stadt absichtlich gepflanzt. Hier ist ein Naturparadies entstanden, das für Mannheim und die ganze Region von ungeheurem Wert ist. Alleine die tägliche Sauerstoffproduktion der Bäume, die gefällt werden sollen, versorgt 26 000 Menschen. Vom Erholungswert und der sonstigen Tier- und Pflanzenwelt am Rheindamm gar nicht zu reden.
Die Dammsanierung ist „alternativlos“, wie Stadt und Regierungspräsidium betonen.
Engelen: Schon, aber der Kahlschlag ist es nicht. Das wäre tatsächlich die größte Massenfällung von Bäumen in Mannheim. Interessanterweise kann man sich auf der Ludwigshafener Rheinseite, auf der Parkinsel, in der Parkstraße, anschauen, wie das besser gemacht werden kann. Man installierte dort auf voller Länge einen Hochwasserschutz mit Spundwänden und rettete so den gesamten Baumbestand.
Angenommen, die Bäume würden erhalten, wie Sie es fordern, und der Damm bricht. Wer übernimmt dann die Verantwortung?
Engelen: Es ist völlig klar, dass das Land Baden-Württemberg für den Hochwasserschutz verantwortlich ist. Dieser Verantwortung sind die Behörden bisher mit jährlichen Kontrollen nachgekommen, und das sollen Sie auch in Zukunft tun. Wenn das Regierungspräsidium jetzt die vorher vorhandene Fachkompetenz in Zweifel zieht, muss man schon mal fragen: Sind dann in der Vergangenheit jahrzehntelang Steuergelder für einen falschen Dammunterhalt verschwendet worden?
Wie soll es jetzt weitergehen?
Engelen: Die Vorplanungen sind in der Abschlussphase. Bis die Arbeiten beginnen können, wird es allerdings wohl 2020 oder 21. Für uns ist aber jetzt schon klar: Wir werden weiter um jeden einzelnen Baum kämpfen.
Wolf Engelen
- Wolf Engelen, Jahrgang 1940, ist ausgebildeter Kaufmann, Gründungsmitglied der Bürger-Interessengemeinschaft (BIG) Lindenhof und seit rund vier Jahrzehnten für die FDP Mitglied des Bezirksbeirats Lindenhof.
- Nach zehn Jahren als geschäftsführender Gesellschafter im Familienunternehmen Engelen & Weigel arbeitete Engelen unter anderem bei AEG Telefunken, dem Rhein-Neckar-Fernsehen und zuletzt bei der Unternehmensgruppe Leonhard (Deutsche Buchgemeinschaft, Carl Habel Verlag) in Darmstadt.
- Als Vorstandsmitglied bei BIG-Lindenhof engagierte er sich ehrenamtlich für die Rettung der Lanz-Kapelle und veröffentlichte mehrere Bücher über den Lindenhof und die Geschichte des Stadtteils.
- Wolf Engelen ist verheiratet, hat zwei Söhne und vier Enkelkinder.
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