Mannheim. Ein Professor, der nicht nur Ökonomie unterrichten wollte, sondern auch selbst ein erfolgreiches Unternehmen gründete: Günter Faltin (73) lehrte 20 Jahre lang an der Freien Universität in Berlin und gründete mit Studenten die „Teekampagne“, den nach eigenen Angaben weltweit größten Importeur von Darjeeling-Tee. Im Interview erklärt Faltin, was für eine erfolgreiche Gründung notwendig ist und warum man dafür nicht erst reich sein muss.
Herr Faltin, warum sollte jemand das Risiko einer Gründung eingehen und womöglich einen sicheren Arbeitsplatz aufgeben?
Günter Faltin: Als Gründer bewegt man sich in hochriskantem Gelände. Ich muss diese Risiken erkennen und versuchen, sie zu vermeiden. Es geht nicht um Mutproben. Ein Bergsteiger darf beim Klettern doch auch kein Risiko eingehen. Jeder Fehler könnte sein letzter sein.
Warum scheitern so viele Gründer?
Faltin: 80 Prozent aller Gründungen scheitern in den ersten fünf Jahren. Jedes Start-up, jeder Gründer, jeder Markt und jedes Produkt ist aber anders. Da ist es sehr schwierig, zu verallgemeinern. Aber häufig gehen Gründer zu schnell an den Start und sind zu wenig vorbereitet.
Sie schreiben: Kopf schlägt Kapital. Heißt das, ich brauche überhaupt kein Kapital für ein erfolgreiches Start-up?
Faltin: Kapital war früher der Engpass. Wenn Sie eine Stahlfabrik gebaut haben, brauchten Sie viel Kapital. Heute brauchen Sie immer noch ein wenig davon, aber lange nicht mehr so viel wie früher.
Und trotzdem scheitern so viele. Woran mangelt es?
Faltin: Es mangelt an guten Konzepten, die durch mindestens ein Alleinstellungsmerkmal hervorstechen. Wenn ich das mache, was die anderen machen, dann habe ich schlechte Karten.
Gibt es ein richtiges Alter für Start-ups?
Faltin: Es gibt keinen Grund, das Gründen nur auf junge Menschen zu beschränken. Man kann auch nach der Pensionierung noch eine Gründung angehen. Ältere Gründer sind meist erfahrener, besonnener und wägen Entscheidungen vorsichtiger ab.
Welche Eigenschaften muss ein Gründer besitzen, um erfolgreich zu sein?
Faltin: Der Glaube, dass man gewisse Charaktermerkmale mitbringen muss, um erfolgreich zu sein, ist wissenschaftlich nicht belegt. Unter den heutigen Bedingungen kann jeder Gründer werden, etwa jene, die besonders extrovertiert sind, aber auch solche, die introviert sind. Man wird nicht dazu geboren.
Mit wem sollte man ein Start-up gründen? Mit Studienkollegen und Freunden?
Faltin: Ich halte es für keine gute Idee, mit Freunden zu gründen. Man riskiert seine Freundschaft, weil bei schwierigen Entscheidungen leicht Konflikte aufbrechen. Was machen sie, wenn etwa das Startup zu scheitern droht? Wie geht man auseinander, ohne dass die Freundschaft kaputt geht?
Wie kann man solch eine unangenehme Trennung verhindern?
Faltin: Indem man zuvor festlegt, wer welchen Einsatz zu erbringen hat, und was passiert, wenn jemand die Verabredungen nicht einhält. Teams funktionieren immer dann besonders gut, wenn jeder einen eigenen Bereich verantwortet und man nicht miteinander konkurriert. Wenn mehrere das Gleiche machen wollen, entstehen Konflikte.
Und wenn keiner für die Buchhaltung zuständig sein will?
Faltin: Viele Aufgaben kann man an Profis delegieren, zum Beispiel das Rechnungswesen. Dann hat der Gründer mehr Zeit für die Entwicklung seiner Idee.
Wie kann man verhindern, von seiner Idee besessen zu werden?
Faltin: Rausgehen und Pionierkunden gewinnen. Ein Businessplan ist immer nur ein Bündel von Annahmen. Man muss sie so früh wie möglich in der Praxis testen.
Wie sollte ein Gründer mit seiner Idee am besten umgehen?
Faltin: Von einem ersten Einfall so lange an der Idee arbeiten, bis ein überzeugendes Konzept herauskommt.
Sollte ein Gründer vor der Umsetzung seiner Idee einen Mentor finden? Dieser kann doch sicherlich mit seiner Erfahrung helfen...
Faltin: Ein Mentor ist immer gut, wenn er erfahren ist und gut zuhört. Er ist nicht sehr hilfreich, wenn er nur Ratschläge gibt. Der Mentor muss das Produkt und den Markt verstehen. Manche tendieren dazu, rasch Urteile zu fällen.
Mittlerweile versucht sich doch jeder an einem Start-up. Haben wir nicht schon genug Gründer?
Faltin: Nein, wir brauchen noch viel mehr Gründer. Unsere Gesellschaft steht vor Bergen von Problemen, die wir mit konventionellen Lösungen nicht mehr bewältigen können. Wir brauchen neue Sichtweisen, neue Ideen für vernünftigere Produkte und einen nachhaltigeren Umgang mit unseren Ressourcen.
Von der Theorie zur Praxis
- Günter Faltin (geboren 1944 in Bamberg) studierte Volkswirtschaft in St. Gallen in der Schweiz sowie in Tübingen. Anschließend promovierte er in Konstanz.
- 1977 wurde er Professor an der Freien Universität in Berlin. Seit 2013 ist er Gastprofessor in Thailand.
- 2010 erhielt er vom Bundespräsidenten als Pionier des Unternehmertums in Deutschland den Bundesverdienstorden. hhk
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