Mannheim. Am 9. Mai dieses Jahres gab es schon früh am Morgen Ärger auf Stockwerk 3/1 der Mannheimer Justizvollzugsanstalt (JVA) zwischen einem Häftling und einem Justizvollzugsbeamten. Es ging um Antragsformulare, fehlendes Mobiliar, eine ausstehende Verlegung in eine Nichtraucherzelle. Die Diskussionen rissen auch am Vormittag nicht ab. Dann eskalierte die Situation. Nach dem Mittagessen löste der JVA-Mitarbeiter einen Alarm aus.
„Er hat mich am Arm gepackt und mir mit der Faust ins Gesicht geschlagen“, sagt Salih K. (Name geändert) im Gespräch mit dieser Redaktion. Dann soll der Wärter seinen Kopf gegen den Boden gedrückt, ihm gegen den Hinterkopf geschlagen haben.
Unmittelbarer Zwang?
Der Häftling hat Strafanzeige erstattet, die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen des Verdachts der Körperverletzung im Amt gegen den JVA-Mitarbeiter. Ein Sprecher der Justizbehörde bestätigte auf Anfrage, „dass ein entsprechendes Ermittlungsverfahren zur Prüfung der Vorwürfe geführt wird“, das Verfahren sei noch nicht abgeschlossen.
Bekannt ist, dass von einem Gefangenen Vorwürfe gegen einen Bediensteten erhoben wurden
Nach Informationen dieser Redaktion gab der Gefängnismitarbeiter an, Salih K. habe ihn mit einem Stuhl bedroht und getroffen. Diesen Angriff habe er nur durch „unmittelbaren Zwang“ abwenden können. Wie diese Redaktion erfuhr, erklärte der JVA-Mitarbeiter bei der Polizei auch, nicht zugeschlagen zu haben. Dies liege ihm fern, soll der Mann gesagt haben, der inzwischen im Fahrdienst der Anstalt beschäftigt sein soll. Nach den Schlägen sei er am Boden fixiert worden, sagt Salih K, der wegen versuchten Totschlags eine sechseinhalbjährige Haftstrafe verbüßt. Dann sei er von JVA-Mitarbeitern in einen „bgH“ geführt worden.
„Ich dachte, die schlagen mich tot“
Die Abkürzung steht für einen besonders gesicherten Haftraum, unter Mannheimer Gefängnisinsassen kursiert auch der Begriff „Bunker“. Als die Mitarbeiter ihn dort hinbrachten, hätten sie ihm gesagt, er solle aufhören, sich zu wehren. „Dann sagte einer: ,Nicht vor den Kameras’ und ich dachte, die schlagen mich tot“, so der Häftling, der inzwischen in eine andere Anstalt im Land verlegt worden ist.
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Dort, im „Bunker“, habe er sich ausziehen müssen. Einen Tag lang habe er nackt ausgeharrt. Danach kam er in einen anderen Sicherheitsbereich, schließlich habe er seine Frau kontaktiert, die bei der Polizei Anzeige erstattete. Und er informierte seinen Anwalt, der beim Justizministerium Dienstaufsichtsbeschwerde einlegte. Das Justizministerium bestätigte auf Anfrage dieser Redaktion, dass es von der Staatsanwaltschaft über das Ermittlungsverfahren informiert wurde. „Bekannt ist, dass von einem Gefangenen Vorwürfe gegen einen Bediensteten erhoben wurden“, sagte ein Sprecher.
Nachdem eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen einen Bediensteten eingeleitet wurde, sei die Anstaltsleitung dafür zuständig. „Die Einlegung von Dienstaufsichtsbeschwerden mündet nicht ohne Weiteres in ein Disziplinarverfahren“, sagte der Sprecher weiter. Meist würde zunächst abgewartet, zu welchem Ergebnis die strafrechtlichen Ermittlungen kämen. Der Leiter des Mannheimer Gefängnisses, Holger Schmitt, bat um Verständnis dafür, dass er sich zu den laufenden Ermittlungen nicht äußert.
Um die Vorwürfe zu prüfen, sprachen Polizeibeamte zunächst mit Salih K., sie machten Bilder von Schrammen und blauen Flecken in seinem Gesicht, fotografierten die aufgeschürften Knie. Die Staatsanwaltschaft fragte nach Videoaufnahmen aus dem bgH, erfuhr dabei, dass es nur einen videoüberwachten Raum gebe - und offenbar keine Aufnahmen vom 9. Mai.
Zeugen wurden vernommen
Dann begannen die Beamten mit ihren Vernehmungen, befragten Gefängnismitarbeiter und Insassen. Die Kolleginnen und Kollegen des JVA-Mitarbeiters - so die bisherigen Ermittlungsergebnisse der Staatsanwaltschaft - gaben mehrheitlich an, erst nach dem Alarm hinzugekommen zu sein. Laut und aufgebracht sei Salih K. gewesen, aber er habe sich nicht gewehrt, sagte einer der Zeugen den Beamten. Von „passivem Widerstand“ sprach ein anderer.
Die beiden Häftlinge, die sich mit K. die Zelle teilten, gaben an, Schläge gegen den Hinterkopf gesehen zu haben. Den besagten Stuhl habe Salih K. nicht angerührt.
Geldstrafen verhängt
Andere Insassen sollen sich geweigert haben, in den Besucherraum zu kommen, um mit den Beamten über den Vorfall zu sprechen. Ein Häftling soll zunächst angegeben haben, vielleicht etwas dazu sagen zu wollen, weigerte sich dann aber und beharrte schließlich darauf, er sei in seiner Zelle gewesen und habe nichts von alldem mitbekommen. Erst als der Alarm losgegangen sei, sei er auf das Geschehen aufmerksam geworden.
Bereits in den vergangenen Monaten hatte es Ärger um Mitarbeiter der Mannheimer JVA gegeben. Mehrere Beschäftigte des Gefängnisses standen im Fokus strafrechtlicher Ermittlungen, weil sie über Whatsapp Hakenkreuze in verschiedenen Variationen verschickt haben sollten.
Gegen vier von ihnen erließ das Amtsgericht Strafbefehle, drei der Männer akzeptierten diese - was wie ein Schuldeingeständnis zu werten ist. Ein vierter Mann legte Einspruch gegen seinen Strafbefehl ein, er wurde im Mai - wie seine Kollegen - zu einer Geldstrafe verurteilt.
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