Mannheim. Morgens kurz vor 7 Uhr ist sie vor Ort. Das Fitness-Studio hat seine Türen noch nicht geöffnet, aber Heidi Körber ist gerne pünktlich. An jedem Werktag absolviert sie hier ihr Trainingsprogramm. Die Sportlerin ist 87 Jahre alt. Nach dem Aufstehen um vier Uhr hat sie schon ein bisschen Gymnastik zuhause gemacht, einen Kaffee getrunken, und um 6.15 Uhr geht sie aus dem Haus - Routine seit rund zwanzig Jahren.
Mit Anfang 80 ist sie allerdings vom Fahrrad auf die Straßenbahn umgestiegen. Das Standbein war nicht mehr so belastbar. Ihr Geräteprogramm mit acht Übungen für Oberkörper, Beine und den Rumpf ist geblieben und wird bisweilen von der Physiotherapeutin modifiziert. „Eigentlich brauche ich eine Stunde dafür, aber wenn ich schwatze, dann werden es eineinhalb“. Zuhause gibt es dann ein Müsli und um die Mittagszeit wird gekocht. Nachmittags steht unter anderem noch eine Runde Spazierengehen an und um kurz vor zehn Uhr geht dann das Licht aus.

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Sportliche Aktivitäten waren der Försterstochter aus Nordhessen, die in den späten fünfziger Jahren mit ihrem Mann nach Mannheim kam, nicht in die Wiege gelegt. Drei Kinder und ihre Stelle beim Fernmeldeamt hielten sie auf Trab, bis sich im Alter von 45 Jahren Arthrose in der Hüfte entwickelte. Eine Operation war keine Option für sie, und der Arzt riet: „Versuchen Sie es mal mit Sport“. Sie versuchte es, blieb dabei und stellte ergänzend dazu ihre Ernährung auf weniger Fleisch und weniger Zucker um. Hin und wieder bäckt sie leckere Kuchen und genießt ein Eis, wie stets auf dem Maimarkt. Ein Fastentag in der Woche - dann gibt es nur Gemüsebrühe - steht allerdings auch auf dem Speiseplan.
Der Orthopäde ist zufrieden
Die Corona-Pandemie bedeutete den Wegfall des Gerätetrainings und so intensivierte sie in dieser Zeit ihre Heim-Übungen. Der Orthopäde ist zufrieden und stellt fest, dass die ehemals schmerzende Hüfte nun gut von Muskeln umgeben sei.
Das fortgeschrittene Alter hat Heidi Körber noch weitere Erkrankungen eingebracht, unter anderem ein entzündliches Rheuma, aber auch hier scheinen bei entsprechender Medikation ihre Fitnessübungen segensreich zu wirken. „Ich mache mein Programm jetzt nicht, weil es so wahnsinnig Spaß macht, aber ohne Disziplin geht nichts und ich habe mich einfach daran gewöhnt“, so zieht sie Bilanz nach rund vier Jahrzehnten sportlicher Bewegung.
Massive körperliche Beeinträchtigungen brachten auch Margarete Holzmann auf die Spur zum Sport. Seit ihrem 17. Lebensjahr leidet sie an Skoliose, einer dreidimensionalen Verkrümmung der Wirbelsäule. Vor knapp 20 Jahren neigte sich ihr Körper extrem nach vorne. Die orthopädische Klinik riet zu Gerätetraining. Seither trainiert die inzwischen achtzigjährige Ilvesheimerin zweimal pro Woche im Fitness-Studio jeweils zwei Stunden und absolviert ihr Sieben-Geräte-Programm. Dafür reist sie per Bus und Bahn und zu Fuß nach Mannheim an. „Ich habe keine Schmerzen und nehme außer Kalzium keine einzige Tablette“, berichtet Margarete Holzmann und fügt hinzu: „Die Ärzte, die mich betreuen, können es nicht glauben“. Einen weit weniger dramatischen Verlauf nahm die Fitness-Karriere von Peter Leitz. Schon als Jugendlicher in der Leichtathletik aktiv, beschloss der heute 80-Jährige, mit Beginn der Pensionierung mit dem Golfen anzufangen. Als Ausgleich begann er parallel mit Pilates, einem systematischen Ganzkörpertraining zur Kräftigung der Muskulatur, vor allem von Bauch- und Rücken.
Dies übt er nicht an Geräten, sondern in der Gruppe unter Anleitung einer Trainerin auf der Matte. „Golf macht mir viel Spaß, und damit die Beweglichkeit, vor allem für die Drehung der Hüfte, erhalten bleibt, gehe ich zu Pilates“, erläutert er sein Ziel. Ernährungstechnisch wird zuhause nicht nur die Menge an Essen, sondern vor allem das Fleisch reduziert. Seinem Laster Rauchen hat der Senior schon vor zehn Jahren abgeschworen.
Nicole Hesse-Anastasiou ist als Fitnesstrainerin seit über dreißig Jahren mit den verschiedensten Trainingsmethoden vertraut und hat die Anfänge der Fitnesswelle mit Aerobic in den 80er Jahren miterlebt. Heute empfiehlt sie Pilates als Training für Beweglichkeit und Kraft für jedermann. Für Herz- und Kreislauf rät sie zu Spinning, einem intensiven Indoor-Radsport auf dem Standfahrrad, der jedoch je nach Trainingszustand ganz individuell mit mehr oder weniger Kraftanstrengung betrieben werden kann.
Ihren Kursteilnehmern predigt sie: „Strengt Euch an, nur die Anwesenheit in der Stunde bringt nichts. Die Muskelmasse nimmt im Alter kontinuierlich ab, wenn wir uns nicht immer wieder fordern. Zug und Druck fördern außerdem die Knochengesundheit“. Nicht zu vergessen sei das Stretching, das gegen Muskelverkürzungen wirke und die Muskelfasern geschmeidig halte.
Sie ist überzeugt: „Alter und Zeitmangel sind nur Ausreden, Bewegung geht immer. Sie muss zur Lebenseinstellung werden und der Erfolg wird sich einstellen, das heißt schmerzfrei und mobil das Alter zu erleben“.
Ärztlicher Check-Up für Anfänger
Dr. Sabine Füllgraf-Horst, Hausärztin auf dem Lindenhof, teilt diese Überzeugung aus medizinischer Sicht voll und ganz. Sie empfiehlt Anfängern jedoch vor Trainingsbeginn einen ärztlichen Check-Up, der ein Belastungs-EKG und eine Blutabnahme umfasst. Je nach Vorerkrankung und aktuellem körperlichen Zustand ist das Bewegungsprogramm des älteren Sportlers abzustimmen. Grundsätzlich seien Kraft und Ausdauer zu trainieren. Sie erklärt: „Kraft ist dringend notwendig, um Stürze zu vermeiden, Ausdauer sorgt für die Herz-Kreislauf-Stabilisation. Schwimmen und auch Wassergymnastik ist in dieser Hinsicht die ideale Sportart, die als Ganzköpertraining für Kraft, Kondition und Koordination sorgt und keine Belastung mit sich bringt.
Zu den Leitlinien der Weltgesundheitsorganisation (WHO, siehe Infobox) meint sie: „Dieses Pensum absolvieren die wenigsten, aber jedes bisschen Bewegung ist immer besser als gar nichts. Für manche bedeutet das dann eben, zehn Mal den Weg von der Küche ins Wohnzimmer anzutreten oder fünfmal hintereinander zügig vom Sessel aufzustehen“.
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