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Warum es bei der Formula Student Germany auf dem Hockenheimring nicht nur um Motorsport geht

Zum Saisonhöhepunkt treten Studenten auf dem Hockenheimring in ihren selbst gebauten Boliden an. Dabei geht es nicht nur um Geschwindigkeit - sondern auch um die Frage: Ist es zeitgemäß, sich im Motorsport messen?

Von 
Sebastian Koch
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Ein paar Schrauben waren am Hochschul-Auto „Eleria“ zwischenzeitlich zwar locker, ansonsten aber hatten Juroren wenig zu meckern. © Sebastian Koch

Mannheim. Die Reifen quietschen, als der Fahrer den blauen Rennwagen kurz vor dem gelben Hütchen abbremst. Geschickt lenkt Paul Hofmann „Eleria“ dann durch die Schikane, beschleunigt wieder, was dem Motor das für E-Autos typische Zischen entlockt. Das orangefarbene Auto folgt, jagt Hofmann hinterher. Im Hintergrund sind Stadionsprecher zu hören, die das Geschehen auf Englisch beschreiben und erklären. Hinter einem Zaun jubeln Studentinnen und Studenten ihren Kommilitonen zu, feuern sie an – und feiern auf dem Hockenheimring den Höhepunkt der Formula-Student-Saison.

96 Teams von Hochschulen und Universitäten aus 23 Nationen sind in Hockenheim zusammengekommen. Neben Punkten in mehreren Renn-Disziplinen gibt es für die Gesamtklassements auch Wertungen in statischen Disziplinen, in denen Juroren und Jurorinnen mechanische und elektronische Tests bei den Autos durchführen. Auch müssen die Studentinnen und Studenten ihre Kosten verteidigen. „Wir fragen, warum Studenten den Wagen so gebaut haben“, sagt Juror Jonas Fuchs. „Uns interessiert, ob das grundsätzliche Verständnis für Disziplinen, zum Beispiel Elektrotechnik, vorhanden ist, um ein Auto zu bauen.“

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Unter den Mannschaften sind die Mannheimer Teams Cure von der Dualen Hochschule (DHBW) und Delta Racing von der Hochschule, für die Hofmann in „Eleria“ fährt. „Es ist toll, vor heimischer Kulisse Sponsoren, Eltern und Freunden zu zeigen, was wir machen, warum wir stundenlang in der Werkstatt waren und meistens nur zum Schlafen nach Hause gekommen sind.“

Inzwischen steht der Student der Hochschule in der Box und genießt mit seinem Team die letzten Minuten der Woche. In den Garagen, in denen sonst auch Formel-1-Teams während der Rennen zu Hause sind, teilen sich nun die vielen Hochschulen den Platz. „Hier ist ein Team aus Indien, dort aus Taiwan – das erlebt man nirgendwo sonst so“, sagt Hofmanns Teamkollege Fabian Lätzsch. Mannschaften, die auf der Strecke konkurrieren, seien in den Boxen Freunde. „Alle erklären bereitwillig, wie sie ihre Autos gebaut haben.“

Die Bremsen am DHBW-Rennauto „Emma“ (vorne) wurden noch rechtzeitig repariert. © Sebastian Koch

Immer wieder fallen beim Gang durch die Garagen auch junge Männer und Frauen auf, die schlafen. Auf Bänken. Stühlen. Mit Hut. Ohne Hut. Manche haben sogar ein Kissen. Fast immer zu sehen: Sonnenbrillen. Ob das wirklich bequem ist? Wahrscheinlich ist das nebensächlich. Es ist Sonntag, der letzte Tag der Formula Student Germany. Die Tage in Hockenheim sind lang gewesen, die Nächte kurz. Viel Adrenalin, wenig Schlaf – da tut ein Nickerchen trotz der Mittagssonne gut.

Ein paar Boxen von der der Hochschule entfernt ist Cure zu Hause. Das Team der DHBW hat sich zur Abschlussbesprechung versammelt. Man spürt einen Hauch Aufbruchstimmung, nachdem „Emma“ noch am Vormittag auf der Strecke gewesen ist. „Wir sind sehr zufrieden mit der Woche“, sagt Maren Klotz.

Dabei stand das Team kurzzeitig sogar vor dem Aus. Denn bestehen Autos und Teams die theoretischen Prüfungen nicht, dürfen sie am Ende der Woche an den Renn-Disziplinen nicht teilnehmen. „Die Prüfungen in Hockenheim sind die härtesten, die es gibt“, ist in diesen Tagen oft zu hören. Bei Cure habe die Bremse Probleme gemacht, erklärt Klotz. „Wir haben leider einen Konstruktionsfehler, der uns in Österreich schon Probleme gemacht hat.“ Den ganzen Samstagabend habe das Team beraten, wie man die Bremse noch reparieren könne. „Ein paar sind die ganze Nacht in der Werkstatt gewesen.“ Es hat sich gelohnt: Auto „Emma“ durfte starten. „Hockenheim hat gezeigt, dass man als Team alles schaffen kann“, sagt Klotz deshalb stolz.

Ein paar Schrauben waren am Hochschul-Auto „Eleria“ zwischenzeitlich zwar locker, ansonsten aber hatten Juroren wenig zu meckern. © Sebastian Koch

Aber es gibt auch Tränen an diesem Mittag. Nachdem das Auto eines indischen Rennstalls liegengeblieben ist, müssen Kommilitonen ihren Fahrer trösten. Die Ursache des Ausfalls kenne man noch nicht, sagt ein Student auf Englisch. „Der Motor funktioniert nicht mehr.“ Im Schatten gibt es deshalb Schulterklopfer, gutes Zureden, einen Schluck Wasser. Irgendwann löst sich die Traube um den im Rennanzug eingekleideten und sichtlich niedergeschlagenen Fahrer auf.

Ist es noch zeitgemäß, sich im Motorsport messen?

In der Box gibt es indes Besuch: Claudia von Schuttenbach, Kanzlerin der Hochschule, macht sich ein Bild von Auto „Eleria“, an dem 20 bis 30 Studentinnen und Studenten beteiligt waren. „Das Delta-Team beweist, wie sich unterschiedliche Studiengänge im technischen Bereich mit denen im betriebswirtschaftlichen Bereich verbinden können“, sagt sie. „Es ist auch für das Stadtbild wichtig, dass man Projekte hat, die zeigen, was ein Studium an einer technischen Hochschule leistet.“ Unter der Woche ist auch DHBW-Rektor Georg Nagler am Ring gewesen. „Das technologische Know-how für ein elektrisches Rennauto und die Basiskompetenzen zum autonomen Fahren sind sicher Kriterien für den Ausbildungsstandard einer modernen dualen Hochschule.“

Beide Mannheimer Teams hatten als Ziel ausgegeben, alle Prüfungen zu überstehen. Das haben sie geschafft. Am Ende wird Cure im Driverless Cup („autonomes Fahren“) Zwölfter. In der Formula Student Electric belegt das DHBW-Team den 32. Platz, Delta Racing, das im Driverless Cup nicht teilgenommen hat, wird 40. Augsburg (autonomes Fahren), Stuttgart (elektrisch) und Karlsruhe (Verbrenner) gewinnen die Formula Student Germany.

96 Teams aus 23 Nationen waren am Hockenheimring zu Gast. © Malix

Ist es noch zeitgemäß, sich im Motorsport messen? Die Serie habe im Gesamtklassement Punkte für Nachhaltigkeit eingeführt, erwidert Ludwig Vollrath, Gründungsmitglied der Formula Student Germany (FSG). Die Teams müssten deshalb abwägen, ob sie ein schnelleres, aber umweltschädlicheres Auto etwa mit Carbonfasern bauen oder ob sie in verschiedenen Disziplinen mehr Punkte fürs Klassement bekommen wollen, weil sie auf umweltfreundliche Materialien setzen, die das Auto vielleicht aber langsamer machen. Es komme auf das Gesamtpaket an – nicht nur auf die Leistungen auf der Strecke wie etwa in der Formel 1. „Letztlich ist die Formula Student mehr Konstruktions- als Rennserie“, sagt Vollrath. „Aber ohne Rennen wäre es ja auch langweilig.“

Redaktion Reporter in der Lokalredaktion Mannheim & Moderator des Stotterer-Ppppodcasts

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