Mannheim. Was wäre Mannheim ohne seine Fußgängerzone, ohne die prächtigen Planken? Wie stünde es um das Kongresszentrum, um den Konzertpalast Rosengarten? Welche Ödnis klaffte noch auf N 1? Wo hätten die Technischen Ämter ohne die weitläufigen Räumlichkeiten im Collini-Center über Jahrzehnte effektiv arbeiten sollen? Was wäre Neckarau ohne sein Hallenbad? Und was, schließlich, wäre der „Mannheimer Morgen“ ohne sein Druckzentrum in der Dudenstraße?
So viele Fragen, aber allen gemeinsam ist eine Antwort: Im Dezember 1973, vor immerhin einem halben Jahrhundert, stellten Verwaltung und Gemeinderat die Weichen in die Zukunft, sagten sie Ja zur Realisierung der oben genannten Projekte.
Und sie genehmigten, zum Ende der aufregenden Ölkrise samt Sonntags-Fahrverboten, für 1974/75 den ersten Doppelhaushalt der Stadt, mit dem die Milliardengrenze überschritten wurde.
Knappe SPD-Mehrheit
Ein derart ereignisreicher Monat des Jahres 1973 lohnt einen etwas ausführlicheren Blick zurück. Oberbürgermeister Ludwig Ratzel war als Nachfolger Hans Reschkes seit einem Jahr im Amt und verfügte mit der SPD-Fraktion, die von Walter Pahl geführt wurde, über eine knappe Mehrheit im Gemeinderat. Wichtigster Gegenspieler in der CDU-Faktion war der 37-jährige Rechtsanwalt Roland Hartung, der ein waches Auge auf die Vorhaben der Verwaltung hatte.
So passierten denn auch die eingangs erwähnten Vorhaben das städtische Plenum nicht immer problemlos, sondern sie wurden in teils heftigen Diskussionsrunden erörtert, ehe das Plazet kam und die Stadt sich zu der Metropole der Rhein-Neckar-Region entwickelte, wie man sie heute kennt.
Blättert man durch die Zeitungsseiten jener Tage, mag man kaum glauben, mit welch aus heutiger Sicht bescheidenen Summen damals hantiert wurde. Beispiel Planken: Da die Bundesgartenschau 1975 bereits beschlossene Sache war, galt es, das Stadtbild aufzuhübschen.
Zwischen Paradeplatz und Wasserturm tuckerten noch Mercedesse im Pontonstil, DKW-Zweitakter oder auch VW-Käfer. Das Pkw-Gewusel sollte zum „sommerlangen“ Blumenfest, wie es der damalige „MM“-Lokalchef, Hermann „Mac“ Barchet formulierte, ein Ende haben.
Also gab die Verwaltung Planungsvorschläge in Auftrag. Drei Varianten schafften es in die Endauswahl, deren Investitionssummen zwischen einer und 3,6 Millionen Mark schwankten. Den Zuschlag erhielt im Dezember 1973 das Mannheimer Architekturbüro Lange-Mitzlaff-Böhm-Müller mit einer Idee für schlappe 2,6 Millionen Mark. Die Fußgängerzone konnte als Flaniermeile dann auch termingerecht zur Bundesgartenschau betreten werden.
Warum nicht wieder ein Rathaus?
Weitaus heftigere Auseinandersetzungen zwischen Verwaltung und Gemeinderat gab es um die städtische Brachfläche N 1. Nostalgiker erinnerten an das „Alte Kaufhaus“, das dort bis zur Zerstörung im Zweiten Weltkrieg in barocker Pracht gestanden hatte. Warum nicht? So lautete die öfter gestellte Frage, warum nicht wieder ein Rathaus auf N 1 bauen?
Letztlich endeten die Diskussionen mit der Absage an einen Rathausbau auf N 1, das später in der jetzigen Form als Gemischtwarenladen zwischen kommunaler und privatwirtschaftlicherer Nutzung entstand. Zuvor war auch entschieden worden, dass die Stadt N 1 nicht verkauft. Inzwischen steht N1 unter Denkmalschutz und neben der Stadt als Eigentümer ist auch ein privater Investor eingestiegen.
Zeitgleich mit N 1 tobte, möchte man fast sagen, der Streit zwischen den Parteien, dem Gemeinderat und der Verwaltung über eine eventuelle Anmietung neuer Büroräume im Collini-Center, das zu jener Zeit gebaut wurde und zum April 1975 bezugsfertig sein sollte. Es wurde auch in diesem Fall eifrig hin und her gerechnet. Schließlich fiel die Entscheidung zur Anmietung des damals in den Plänen schick daherkommenden Büroturms, allerdings gegen die Stimmen der CDU.
Die Stadt zahlte über sechs Millionen Mark Baukostenzuschüsse an die Neue Heimat, und sie übernahm eine Ausfallbürgschaft über 34 Millionen Mark. Eine Abrissgenehmigung steht, aber die Eigentümerin des Komplexes hat sich zum weiteren Vorgehen noch nicht geäußert.
Neben diesen später weithin sichtbaren Bau-Entscheidungen bot der Dezember 1973 für die Stadt auch ein paar weniger spektakuläre, aber dennoch bemerkenswerte Ereignisse. Gleich zu Beginn des Monats hatte die Pariser – heute würde man sagen – Exzellenz-Universität Sorbonne dem Mannheimer SPD-Bundestagsabgeordneten Carlo Schmid die Ehrendoktorwürde verliehen.
Schmid, einer der Väter des Grundgesetzes, kam als erster Deutscher nach dem Krieg zu diesen Ehren. Ein paar Tage später, am 10. Dezember, versammelten sich – wie bei solchen Anlässen ja üblich – etliche Kommunalpolitiker und Bauexperten nahe dem Großkraftwerk zum gemeinsamen Spatenstich: Der Grundstein für ein Hallenbad war gelegt.
Kritik an Kostensteigerungen
Dass auch damals schon ganz genau hingeschaut wurde, wie sich die ehedem vorausgesagten Baukosten entwickeln würden, bewies Roland Hartung kurz vor Weihnachten: Er kritisierte lebhaft die absehbare Kostensteigerung beim Saalbau Rosengarten: Aus knapp 40 drohten mittlerweile 70 Millionen Mark zu werden. Gebaut wurde dennoch bis zum Schluss.
Abseits städtischer Planungen gedieh Mannheims damals größte private Baustelle prächtig: Im Stadtteil Wohlgelegen an der Dudenstraße feierte der „Mannheimer Morgen“ zwei Tage vor Heilig Abend Richtfest für den Rohbau des Druckhauses. Ende 1974 wurde der Komplex bezogen.
Damit war auch das Aus einer betagten Rotationsmaschine besiegelt. Ältere, aber wirklich nur die älteren Mannheimer, werden sich erinnern, dass bis dahin in R 1 gleich neben dem Hintereingang alles Erwähnenswerte – und noch viel mehr – gedruckt wurde.
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