City-Projekt

Wie Mannheim beim Verkehrsversuch nachbessern will

Von 
Christian Schall und Timo Schmidhuber
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Eigentlich dürfen hier zwischen D 1 und C 1 nur Radler geradeaus in die Kunststraße fahren – doch viele Autofahrer ignorieren das einfach. © Timo Schmidhuber

Mannheim. Man muss an diesem Nachmittag nur ein paar Minuten an der Straße zwischen der Sparkasse in D 1 und der Thalia-Filiale in C 1 stehen, um gleich mehrere Verstöße zu sehen. An dieser Stelle ist es Autos verboten, die verlängerte Breite Straße zu überqueren und rüber in die Kunststraße zu fahren. Die Sperrung der Kunststraßen-Durchfahrt ist ein zentraler Bestandteil des umstrittenen Verkehrsversuchs in der Mannheimer Innenstadt. In die Kunststraße fahren dürfen hier eigentlich nur Radler, für sie ist deshalb der Fahrbahnteil eigens rot markiert. Doch viele Autofahrer kümmern sich nicht darum und fahren trotzdem.

Die Autofahrer ignorierten das Verbot einfach, klagt eine Anwohnerin aus N 4. Die Stadt reagiere auf Hinweise nicht – dabei wäre das „für eine qualitative Auswertung des Verkehrsversuchs sowie zum Schutz aller Bürger sinnvoll“. Auch an anderer Stelle würden die Kunststoff-Begrenzungen einfach überfahren. Generell sieht die Frau den Verkehrsversuch aber positiv. „Durch die ruhigere und grünere Fressgasse habe ich persönlich seitdem mehr Lust, durch die Straße zu schlendern und nehme Geschäfte wahr, die ich vorher nie beachtet habe.“

Auch Vertreter der CDU-Gemeinderatsfraktion kritisierten kürzlich bei einem City-Rundgang unter anderem mit Blick auf die genannte Stelle, dass die Stadt den Versuch nicht richtig umsetze. Die Stadträte Claudius Kranz, Thomas Hornung und Martina Herrdegen halten das Projekt zum jetzigen Zeitpunkt auch für falsch. Der Versuch könne erst stattfinden, wenn der Fahrlachtunnel wieder geöffnet sei und es ein annähernd funktionierendes digitales Parkleitsystem gebe. Generell müssten die Autofahrer besser informiert werden, etwa durch eine bessere Beschilderung schon außerhalb.

„Keiner weiß, wie er fahren soll“

Aber auch in der City, findet Herrdegen. Die Straße zwischen E 1 und E2, wo ihre Konditorei liegt, ist jetzt Fahrradstraße. Die Autofahrer wüssten nicht, dass sie hier nicht durchkönnten. „Das ist eine Katastrophe, keiner weiß, wie er fahren soll.“ Außerdem sehe die gesperrte Straße „wie eine Baustelle“ aus, die aufgestellten Sitzgelegenheiten findet Herrdegen „hässlich“. Andere Kritiker finden Bänke und Pflanzkübel zumindest „lieblos“ aufgestellt.

Die Stadtverwaltung erklärt auf Anfrage, „die neuen Bewegungsräume und Sitzgelegenheiten“ würden „bereits gut angenommen“. Da es sich aber nur um einen Versuch handle, sei das Ganze nur „mit einfachen Mitteln hergestellt“. Dass viele Autos trotz Verbots durch die Kunststraße fahren, ist im Rathaus bekannt. Deshalb will man die Radspur jetzt so abgrenzen, dass keine Autos mehr durchpassen. Die Stadt hat nach eigenen Angaben vor dem Start des Versuchs Prognosen zu möglichen Verkehrsführungen erstellt. Spätere Erhebungen hätten zudem gezeigt, dass die Sperrung des Fahrlachtunnels keine zusätzliche Verkehrsbelastung in der Innenstadt gebracht habe. Nun sind laut Rathaus mehrere weitere Verkehrszählungen im Lauf des Versuchs geplant. Unter anderem soll im Juni in der Erbprinzenstraße, in der es häufig Stau gibt, eine Dauerzählstelle kommen. Zur Auswertung gehören im Herbst auch Befragungen verschiedener Nutzergruppen wie Besucher, Anwohner oder Händler. Anfang 2023 soll dann der Gemeinderat über das weitere Vorgehen entscheiden.

Im Innenstadt-Handel ist die Stimmung mies, wie jüngst bei der Mitgliederversammlung der Werbegemeinschaft City und beim Forum Innenstadtwirtschaft der Industrie- und Handelskammer (IHK) deutlich wurde. Jetzt, da die meisten Corona-Einschränkungen gefallen seien, bremsten der Verkehrsversuch und immer mehr Baustellen die Kunden zusätzlich aus, hieß es.

Kritik an der Kommunikation

Man unterstütze grundsätzlich die Ziele des Versuchs, mehr Aufenthaltsqualität zu schaffen. Aber so wie er jetzt laufe, schade er dem Handel. IHK-Präsident Manfred Schnabel ärgert besonders, wie im Umland kommuniziert wird – wo viele Kunden leben, die für die City so wichtig sind. Eine „plakative Beschilderung“, die darauf hinweist, wünscht sich auch Andreas Hilgenstock. „Das ist versprochen worden, wann kommt das?“, fragt der geschäftsführende Gesellschafter von Engelhorn, der außerdem ein „vernünftiges Verkehrsmanagement“ fordert.

An den Stadteingängen stehen zwar Banner mit Hinweisen zu Umleitungen. Die Informationen können aber auf die Schnelle beim Vorbeifahren nicht aufgenommen werden. Die Stadtverwaltung will bei der Beschilderung über die neuen Wege in der Innenstadt nachlegen. Es sei geplant, die elf Hinweisbanner in der City und an zwei Standorten am Stadteingang „zu aktualisieren und zu optimieren“, sagt eine Sprecherin, ohne konkreter zu werden.

Stadtmarketing-Geschäftsführerin Karmen Strahonja erklärt, man habe sich bei der Kommunikation zum Versuch bewusst für die Bezeichnung „Neue Wege“ entschieden, da das Wort „Baustellen“ abschrecke. Manfred Schnabel findet: „Neue Wege sind schwierig, wenn immer mehr Baustellen kommen.“

© Grafik MM

Redaktion Redakteur in der Wirtschaftsredaktion

Redaktion Stellvertr. Leiter der Lokalredaktion Mannheim

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