Mannheim. Als Treffpunkt zum Fototermin schlägt er den Rheinauer Marktplatz vor. Das passt: Lothar Quast (SPD), langjähriger Baudezernent, wird an diesem Dienstag 70 Jahre alt. Er geht die Dinge gewohnt pragmatisch an: der Platz liegt nicht weit von seinem Haus entfernt, auf dem Weg zum Einkauf kommt er hier öfter vorbei - und die gesamte Umgestaltung der Anlage, vom Bürgerbeteiligungs- und Planungsverfahren, das im Herbst 2017 begann und mit der Fertigstellung zu Weihnachten 2022 bei Kosten von gut zwei Millionen Euro endete, sei doch „sehr gut gelaufen“, wie er resümiert.
Der Rekordhalter unter den Dezernenten
Dass er damit gleich von seinem Grundsatz abweicht, sich nicht zur Arbeit seines Nachfolgers und Parteifreunds Ralf Eisenhauer oder anderer aktuell in Politik und Verwaltung Verantwortlicher oder gar zu seiner eigenen Amtsführung zu äußern, kommt nicht etwa spontan, was für Lothar Quast auch eher ungewöhnlich wäre. Er tut‘s mit Bedacht und feinem, zurückhaltenden Humor. Denn Planung und Bürgerbeteiligung für den neugestalteten Platz liefen noch unter seiner Federführung, die Bauausführung hatte dann sein Nachfolger zu verantworten. Lothar Quast ist mit 32-jähriger Amtszeit bei drei Wiederwahlen der Rekordhalter unter den Dezernenten an der Verwaltungsspitze im Mannheimer Rathaus.
Für politisch Verantwortliche war es stets attraktiver, die großen Neubauvorhaben anzupacken statt sich der mitunter mühsamen Bestandspflege zu widmen.
Kaum ein Gebäude, eine Straße, Brücke oder Tunnel, bei dem er nicht mitgeplant, -gestaltet und am Ende die Ausführung in seinen Behörden genehmigen lassen hätte. Aber nicht nur der Bau-Sektor, sondern auch der Umwelt- und Naturschutz gehörten 24 Jahre lang zu seinem Ressort. Sei es der Schutz der Reißinsel, die Ausweisung neuer Naturschutzgebiete, die ersten Anstrengungen zur Rettung der leidenden Kiefern in den Stadtwäldern - von Beginn an übrigens in kritischer, aber durchaus konstruktiver Auseinandersetzung mit einem engagierten ehrenamtlichen Umweltschützer vom BUND namens Wolfgang Raufelder (1957-2016). Der legte, ähnlich wie Quast in der Stadtverwaltung, eine vergleichsweise steile Karriere im Gemeinderat als Stadtrat und Fraktionsvorsitzender der Grünen und später als Landtagsabgeordneter in Stuttgart hin.
Mannheimer Glückstein-Quartier: Ein Riesenprojekt in mehreren Phasen
Für den Weg in die höhere Politik - in den Bundestag nach Berlin - hatte Quast kurzzeitig Ambitionen, doch seine Partei stellte den Gewerkschafter Stefan Rebmann auf, der 2017 gegen den CDU-Jungstar Nikolas Löbel verlor. Als Lothar Quast 1989 nach Stationen im Rechtsamt und als persönlicher Referent des damaligen Oberbürgermeisters Gehard Widder ins Amt kam, standen die Dienstleistung und Industrie ganz oben auf der Tagesordnung: Neue Flächen auf der Friesenheimer Insel, der Rheinauhafen (mit durchaus umstrittener neuer Zufahrtsbrücke), und vor allem das Glückstein-Quartier, ein Riesen-Projekt, das Quast in mehreren Phasen vom reinen Büroviertel in ein durchaus lebenswertes urbanes Wohn- und Büroquartier heranreifen ließ.
Umweltschutz und Wohnungsbau als Herzensthemen
Dazu hatte er den Wohnungsbau zu verantworten, ein Herzensthema, das in den 1990er Jahren mit rund tausend neuen Wohneinheiten pro Jahr (zum Beispiel Im Rott) bestens lief. Seine Vorstellung eines neuen Stadtteils auf der grünen Wiese bei Straßenheim war jedoch politisch damals nicht mehr durchsetzbar. Lothar Quast stieß nach der Welt-Klimakonferenz 1992 in Rio de Janeiro vor Ort in Mannheim die Lokalen Agenda 21-Prozesse des nachhaltigen Gestaltens der Stadt in allen Bereichen mit an, begründete den Mannheimer Umweltpreis ebenso wie Biotop-Vernetzungen, Radweg-Konzptionen und den behördlichen Kampf gegen verkehrsbedingte Luftschadstoffe. Auch Müllabfuhr, Stadtreinigung und Kläranlage gehörte zu seinem Ressort. Bereiche, in denen seit den 1990er Jahren teils massive Umwälzungen und Modernisierungen vorgenommen und unter Quasts Federführung auch erfolgreich umgesetzt werden konnten.
Mannheim bei Erhalt und Pflege der Rheinbrücken „gut aufgestellt“
Dass es bei Erhalt und Pflege insbesondere der baulichen Infrastruktur - Stichworte Collini-Center oder Fahrlachtunnel - nicht überall so optimal lief, lässt Quast (fast) unkommentiert. Generell sagt er - und das könnte als leise Selbstkritik aufgefasst werden - habe sich Deutschland in den 1980er und 1990er Jahren einerseits noch nicht wirklich aus der Aufbauleistung der Nachkriegszeit verabschiedet gehabt und andererseits mit Blick auf die neuen Bundesländer dann ebenfalls Wieder- und Neuaufbau ganz oben auf die Tagesordnung gesetzt. Quast: „Für politisch Verantwortliche war es deswegen stets attraktiver, die großen Neubauvorhaben anzupacken statt sich der mitunter mühsamen Bestandspflege zu widmen.“
Lothar Quast
- Geboren am 1. Juli 1955 in Eschwege/Westfalen als Spross einer Flüchtlingsfamilie (Mutter aus Pommern, Vater aus Schlesien).
- Aufgewachsen in der Garnisonsstadt Rheine; dorthin wird der Vater als Berufssoldat versetzt. Dort leistet auch Quast seinen Wehrdienst ab.
- Ausbildung: Nach dem Abitur Jurastudium in Münster, 1982 Abschluss Zweites Staatsexamen mit Prädikat
- Berufliche Laufbahn: 1984 Rechtsamt Stadt Mannheim, 1987 Persönlicher Referent des Oberbürgermeisters, 1989-2020 Baubürgermeister.
- Partei: 1976 Eintritt in die SPD, in Mannheim im Ortsverein Rheinau, 1990-1998 Kreisvorsitzender.
- Familie: seit 1983 verheiratet mit Leonore. Sohn (36), Tochter (34).
- Hobbys: Jazz, Literatur, Architektur, Reisen, Fußball. -tin
Er verweist aber nachdrücklich darauf, dass Mannheim, was etwa die Instandhaltung der von der Stadt zu verantwortenden Brücken angeht, „immer gut aufgestellt war“, wie sich insbesondere mit Blick auf die Hochstraßen jenseits des Rheins konstatieren lasse. Ein Verdienst, dass er aber gar nicht sich selbst, sondern seinem langjährigen Tiefbaumtschef Kurt Dusch zuschreibt.
Als Kreisvorsitzender die zerstrittene Mannheimer SPD geeint
Acht Jahre lang lenkte Lothar Quast übrigens als Kreisvorsitzender die seinerzeit in Teilen ziemlich zerstrittene Mannheimer SPD. Gräben zwischen seinem Vorgänger Karl Feuerstein und dessen Stellvertreter Jörg Ueltzhöffer und deren Anhängerschaften konnte mit seiner sachlichen Art und pragmatischen Herangehensweise schließen. Dass er gelegentlich Parteifreunde trifft, das berichtet er im Gespräch - um sich sogleich wieder auf seinen Grundsatz zu besinnen, sich nicht öffentlich zu äußern. Und sich dann auch zu verabschieden, denn die Reise geht nach Berlin, wo er seinen Geburtstag zusammen mit seiner Familie verbringt.
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