Politikerin

Wie für Gökay Akbulut aus einem Urlaub ein Horrortrip wurde

Die Bundestagsabgeordnete Gökay Akbulut (Linke) wurde mehrere Stunden von der türkischen Justiz festgehalten - trotz Diplomatenstatus. Die Mannheimerin steht noch immer unter Schock

Von 
Walter Serif
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Die Mannheimer Bundestagsabgeordnete Gökay Akbulut (Linke) kritisiert seit Jahren das Erdogan-Regime in der Türkei. 2020 nahm sie an einer friedlichen Demonstration gegen den „türkischen Vernichtungskrieg“ gegen die Kurden teil. © Christoph Blüthner

Berlin. Ihren Urlaub hat sich Gökay Akbulut gewiss anders vorgestellt. Die Bundestagsabgeordnete wollte sich im türkischen Antalya vom Stress als Politikerin erholen. Doch jetzt hat es sie eher unfreiwillig auf die griechische Insel Samos verschlagen. Und dort geht es ihr überhaupt nicht gut, obwohl die Temperaturen nicht so hoch wie in Antalya ist. „Ich stehe noch ganz unter Schock“, sagt sie am Sonntag ins Handy. Und das, obwohl seit dem 3. August doch schon zehn Tage vergangen sind.

„Man fühlt sich ohnmächtig“

An jenem Donnerstag landete ihr Flieger um 15.30 Uhr am Flughafen Antalya. „Ich habe mir wirklich keine Sorgen gemacht. Ich war zwar zuvor fünf Jahre nicht mehr in der Türkei, aber 2022 gab es keine Probleme mit meiner Einreise. Und im Touristengebiet ist es sicherer als in anderen Flecken der Türkei“, erklärt die Politikerin der Linken, weshalb sie von der Festnahme völlig überrascht wird. „Ich habe zwar damit gerechnet, dass es irgendwann mal ein Verfahren gegen mich geben könnte. Aber erst nach Ablauf meines Bundestagsmandats. Wegen meines kurdisch-alevitischen Hintergrunds bin ich natürlich eine Zielscheibe für das Erdogan-Regime“, sagt sie.

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Weil Akbulut als Bundestagsabgeordnete einen Diplomatenpass hat, genießt sie Immunität. Allerdings haben die Sicherheitsbehörden in der Türkei darauf auch schon in der Vergangenheit nicht immer Rücksicht genommen. 2016 wurde der damalige Grünen-Bundestagsabgeordnete Volker Beck ebenfalls ins Visier genommen. Der Unterschied: Beck musste 2016 in Istanbul nur rund 15 Minuten bangen. Akbulut dagegen wurde mehrere Stunden festgehalten. Erst um 21.30 Uhr war sie wieder eine freie Frau. „Man fühlt sich ohnmächtig, umringt von mehreren Polizisten, es ist unfassbar, was da in der Türkei abläuft. Dort gibt es keine Gewaltenteilung“, sagt Akbulut, die sich bis jetzt nicht richtig erholt hat. „Die ersten zwei bis drei Tage war es richtig schlimm.“

Akbulut wurde direkt am Schalter festgenommen. „Die haben mich dann vom Flughafen aufs Polizeirevier gebracht. Dort hieß es, ich müsste innerhalb der nächsten 24 Stunden zur Staatsanwaltschaft. Ich habe mich aber geweigert. Dann müsse ich eben die Nacht auf dem Polizeirevier verbringen, wurde mir gedroht. Deshalb wollte ich doch zur Staatsanwaltschaft“, schildert die Politikerin den Ablauf.

Danach wurde es nach ihrer Schilderung aber erst richtig turbulent. „Bei der Staatsanwaltschaft hieß es, dass diese schon um 18 Uhr schließen würde. Deshalb wurde ich in einen Raum gebracht, in dem die Staatsanwaltschaft in Kayseri per Videokonferenz zugeschaltet werden sollte. Ich hatte wirklich Glück im Unglück, dass die deutsche Botschaft und das Auswärtige Amt sich schnell eingeschaltet haben, die haben mir dann eine Liste mit Anwälten geschickt. Da ging es mir dann besser“, sagt Akbulut.

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Lisa Kaufmann
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Und im Hintergrund gab es Gespräche auf höchster Ebene zwischen Auswärtigem Amt und Justizministerium. „Das war ja schon eine kleine diplomatische Krise“,sagt die Mannheimerin, die nur noch die deutsche Staatsbürgerschaft besitzt. Aber offensichtlich war der politische Druck aus der Heimat erfolgreich. Akbulut wurde um 21.30 Uhr wieder ins Polizeirevier gebracht. Und um 22 Uhr war der Spuk vorbei. „Der Haftbefehl wegen angeblicher Terrorpropaganda wurde gelöscht“, sagt Akbulut. Sie sieht in der Festnahme einen „ Einschüchterungsversuch“, bekräftigt aber, was sie schon auf X geschrieben hat: „Keine Sorge: Durch den Haftbefehl lasse ich mich nicht einschüchtern.“

Gökay Akbulut ist für das Regime in der Türkei ein rotes Tuch: Ihr kurdisch-alevitischer Hintergrund, ihre Kritik am Verbot der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) in Deutschland, der Einsatz für Frauen- und Menschenrechte - all das missfällt dem türkischen Herrscher Recep Tayyip Erdogan, der aber offensichtlich keinen richtigen diplomatischen Konflikt auslösen wollte.

Am Dienstag wieder in Mannheim

Interessant ist, dass Akbulut selbst die Presse nicht von dem Vorfall am 3. August informiert hat. „Ich wollte das wegen der Sicherheitslage in der Türkei nicht medial öffentlich machen“, sagt sie. Sie geht davon aus, dass das Auswärtige Amt die Meldung lanciert hat. Die Politikerin kehrt am Dienstag wieder zurück nach Mannheim.

Redaktion Reporter für Politik und Wirtschaft

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