Mannheim. Auf den ersten Blick sieht die Erfindung von Lars Erlbeck aus wie ein Haufen voller Schläuche mit Kanistern, Kabeln und Motoren, versteckt in einer Garage. Tatsächlich aber ist die Eismaschine des damaligen Doktoranden der Hochschule Mannheim die erste ihrer Art. Denn sie kann Salzwasser in Trinkwasser umwandeln - und braucht dafür nur einen Stromanschluss.
Als kleiner Kühlschrank könnte die Maschine zum Beispiel in Haushalten auf Inseln stehen - mit der University of Panama etwa stehen die Wissenschaftler schon in Kontakt. Denn gerade auf Inseln kann die Eismaschine per Solarstrom Meerwasser zu Trinkwasser umwandeln - per Knopfdruck.
„Bislang sind alle Verfahren zu teuer. Meine Anlage muss nicht ständig laufen, sondern nur dann, wenn man sie braucht. Oder wenn gerade die Sonne scheint und damit Strom produziert wird“, erklärt Erlbeck. Sein Ziel: Wasser so günstig zu produzieren, dass es für alle erschwinglich ist. Wie also funktioniert diese Erfindung? Ist sie wirklich so ausgefuchst, dass niemand vorher darauf gekommen ist? Beim Besuch im Center for Mass Spectrometry and Optical Spectroscopy (Cemos) auf dem Hochschulcampus holt der 37-Jährige weit aus. Er spricht von Umkehrosmose, Verbrennungsenergie, Salzkonzentrat und vor allem eins: Eiskristallen.
So funktioniert die Entsalzung
Sie sind die Basis, mit der Erlbeck das Salz vom Eis trennt. Und das funktioniert so: Salzwasser fließt in einen Zylinder. Eine Kühlanlage senkt die Temperatur im Inneren des Behälters runter auf Minus zehn Grad, hier gefriert selbst Salzwasser. Aber noch befindet sind in den gewachsenen Eiskristalle zu viel Salz.
Eine sich drehende Transportschnecke kratzt deshalb das Eis an der Seite ab und befördert es nach oben. Dort wird die Eismasse stark durch einen nach oben offenen Kegel zusammengepresst - und damit gleichzeitig die letzten Salzreste wie bei einem Schwamm ausgedrückt. Das Salzkonzentrat läuft über kleine Löcher im Kegel ab. Oben heraus kommt dann reines Eis. Aber ist das wirklich trinkbar? „Ich habe bei den Versuchen mit Kochsalzlösung gearbeitet und daraus Wasser nach den gängigen Trinkwasserstandards gewonnen“, antwortet Erlbeck. Die Idee hatte der gebürtige Chemnitzer durch ein geplatztes Projekt zur Wasserherstellung mit Kuwait, das am Persischen Golf liegt. Wegen der großen Ölvorkommen nutzt man dort eins der beiden gängigen Verfahren, um Trinkwasser herzustellen: die Verdampfung durch Ölverbrennung. Im Vergleich zu Erlbecks Methodik verbraucht das sieben Mal mehr Energie. Die meisten Anlagen gibt es nur im Großformat, kleine Anlagen schienen wenig attraktiv.
Deshalb ist sich der mittlerweile promovierte Erfinder sicher: Die Zeit spielt ihm in die Karten. „Der Öl-Preis, genauso wie die Kosten für CO2-Emissionen steigen. Und in Europa werden die AKW bald abgeschaltet.“ Um Trinkwasser herzustellen, nutzen die Europäer das zweite gängige Verfahren, die Umkehrosmose. Dabei wird das verschmutzte Wasser durch eine Membran gedrückt und so gereinigt. Der Nachteil: Hier fallen chemische Abfälle an - im Gegensatz zur Eismaschine. Bei all den Vorteilen, die Erlbeck aufzählt, bleibt die wichtigste Frage noch offen: Woran hakt es, dass das autarke Entsalzungsgerät nicht längst in trockenen Regionen oder in Entwicklungsländern in jedem Haushalt steht? „Es fehlt der letzte Schritt: Ein Unternehmer, der die Anlage herstellt und vertreibt. Solange sie nicht verkaufsfertig ist, kann man die Wasserherstellungskosten nur abschätzen. Viele scheuen das Risiko“, gibt der Erfinder zu. Das Patent hat er mit seinem Doktorvater und Cemos-Leiter Matthias Rädle für den europäischen Raum und die Türkei angemeldet. Ein weiterer Haken: Der Prototyp der Eismaschine existiert nur noch auf Papier. Denn die Fördergelder für das Forschungsprojekt, das gleichzeitig Erlbecks Dissertation war, sind ausgelaufen.
Und die Maschine in der Garage? Sie ist das Nachfolgemodell in Großformat und das neue Forschungsprojekt von Erlbeck. Sie könnte später eine nachhaltige Alternative für Hotelanlagen sein, die bislang von Öl-Tankern beliefert werden und per Verdampfung Trinkwasser herstellen.
Entsalzungs-Anlagen im Vergleich
Die Kosten fußen auf der Basis von erneuerbaren Energien:
- Umkehrosmoseanlagen: Ein Kubikmeter Wasser kostet von 3,14 €/m³ bis 9,00 €/m³ . Umkehrosmoseanlagen auf den Kanarischen Inseln etwa, die teils mit Windanlagen und teils mit Verbrennungsanlagen betrieben werden, erzeugen Wassergestehungskosten in Höhe von 1,00 €/m³ bis 5,00 €/m³.
- Verdampfungsanlagen: Ein Kubikmeter Wasser kostet 3,50 €/m³ bis 8,00 €/m³. Wobei die Verdampfungsanlagen eher kleine Abkochanlagen für verunreinigtes Wasser in der Wüste sind.
- Für die Eisanlage der Hochschule Mannheim entstehen theoretisch Wassergestehungskosten von 2,71 €/m³ bis 4,53 €/m³, je nach Betriebsweise und Optimierung.
- Der durchschnittliche Trink- und Abwasserpreis in Baden-Württemberg läuft sich laut Statistischen Landesamtes auf rund vier Euro je Kubikmeter (m³). Das Wasser aus dem Hahn einschließlich des Abwassers kostet damit im Land rund 0,4 Cent je Liter. lia
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