„Nein, ich habe keine Midlife-Krise“, stellt Stefan S. Kassner lachend klar, als er von seinem ungewöhnlichen Lebensweg berichtet. Die Frage sei ihm in den letzten Monaten häufig gestellt worden. Seit Ende letzten Jahres hat der 43-Jährige nicht nur seinen Beruf, sondern auch seinen Wohnort gewechselt. Der ehemalige Hals- Nasen- und Ohrenarzt gab seine Mannheimer Praxis auf und lebt heute als Schriftsteller auf Mallorca.
„Es war eine Herzensentscheidung“, betont Kassner im Gespräch. Schon als Kind hat er Geschichten geliebt und begeistert zugehört, wenn ihm seine Eltern vorlasen. „Ich war ein fantasievoller Junge“, erinnert er sich. Später erfand er eigene Abenteuer und schrieb als Jugendlicher erste Kurzgeschichten. Zunächst entschied er sich aber für ein Medizinstudium und eine Laufbahn als Arzt mit eigener Praxis.
Rückblickend stellt Kassner fest: „Ich habe mich als Mediziner nie ganz wohlgefühlt.“ Die alte Sehnsucht, sich kreativ auszuleben, habe ihn nie losgelassen, erzählt er, „ich habe den kleinen Jungen in mir vernachlässigt.“ Da ihm bewusst war, dass ein erfolgreiches Buch handwerklich gut gemacht sein muss, holte er sich in einem Fernlehrgang das notwendige Rüstzeug und schrieb seinen ersten Roman.
Sehnsucht nach dem Meer
Mit dem zunehmenden Erfolg stieg allerdings auch die Doppelbelastung. „Ab einem gewissen Punkt, musste ich mich entscheiden“, berichtet der ehemalige Arzt. Der Entschluss für einen radikalen Schnitt war schnell gefallen. Warum mit einem ortsunabhängigen Beruf nicht auch den Lebensmittelpunkt ändern? „Ich habe eine große Sehnsucht nach dem Meer“, erklärt Kassner, „da lag es nahe, auf meine Trauminsel Mallorca umzusiedeln.“
Ende September übergab er seine Praxis an einen Nachfolger und bestieg im November das Flugzeug in Richtung seiner neuen Heimat. Einfach aussteigen, alles loslassen und einen Neuanfang wagen – Kassner hat das getan, wovon andere nur träumen. Die Entscheidung hat er bis heute nicht bereut: „Ein Neustart bietet spannende Perspektiven.“
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„Ich habe mich in Mannheim immer wohl gefühlt“, betont der gebürtige Mönchengladbacher, der zum Studium in die Region gezogen war. Auf die Frage, was er an Mannheim besonders vermisse, fällt ihm spontan ein: „der Blick aus den Fenstern meiner ehemaligen Praxis auf den Wasserturm.“
In Mannheim habe er nun mal nicht die Möglichkeit, zum Frühsport ins nahe gelegene Meer zu springen oder ausgedehnte Strandspaziergänge mit Hund Goliath zu unternehmen, so Kassner. Sein neues Leben sei aber kein Urlaub, bekräftigt er und berichtet, dass er sich einen strengen Tagesrhythmus auferlegt habe. „Der Vorteil ist, ich kann meine Zeit frei einteilen“, meint er. Als Frühaufsteher sitze er bereits gegen sechs Uhr morgens am Schreibtisch, etwa fünf bis sechs Stunden täglich verbringe er mit Schreiben. Viel Zeit verschlinge daneben die PR-Tätigkeiten und organisatorische Aufgaben. „Social-Media-Aktivitäten sind ganz wichtig in meinem Job“, hat er erkannt und freut sich über den großen Zuspruch, den insbesondere seine Online-Lesungen erhalten. Daneben nimmt er seit Kurzem Sprachunterricht, um sich besser mit seinen spanischen Nachbarn verständigen zu können.
Fantasy, Krimi oder Historisches
Kassner hat bisher mehrere Romane und Novellen veröffentlicht. Dabei ist er vom Fantasyroman über Historisches bis zu Kriminalliteratur breit aufgestellt. Im Buch „Kein Platz für die Liebe“ verarbeitet er seine Erfahrungen als Assistenzarzt im Klinikum, in der Anekdotensammlung „Let’s Talk about Medicine: Die Motte aus der Vagina“ sammelt er humorvolle Geschichten aus dem Medizineralltag und in „Hora Hominis - Frauenwerk“ taucht er in das London des ausgehenden neunzehnten Jahrhunderts ein.
Nach wie vor sprudelt Kassner vor Ideen und plant weitere Projekte. Anfang Februar erscheint der Roman „Poison Bakery – Zuckersüßer Tod“ als Auftakt einer vierteiligen Cosy-Crime-Reihe. Im Oktober dieses Jahres kommt der Schriftsteller für einige Lesungen nach Mannheim.
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