Mannheim. Das Community Art Center Mannheim (CAC) in der Neckarstadt-West zeigt aktuell die Ausstellung „Angsthasen“ von Valentin Krayl. Mit Scherenschnitten aus fluoreszierendem Papier hat er darin die unterschiedlichen Ängste von sieben Menschen aus der Neckarstädter Sozialphobie-Selbsthilfegruppe bildlich dargestellt, die bei Tageslicht und Schwarzlicht unterschiedliche Perspektiven ermöglichen. Zitate der Betroffenen ergänzen und erklären die Werke. Die Ausstellung ist noch bis zum 21. Dezember im CAC in der Mittelstraße 17 zu sehen. Der „MM“ hat mit dem Künstler gesprochen.
Herr Krayl, Sie haben eine ziemlich außergewöhnliche Vita. Brauchen Sie viel Abwechslung?
Krayl: Wie das in einer Grafikagentur läuft – da würde ich lieber bei der Post arbeiten oder irgendetwas ganz anderes machen. Mit verschiedenen kleinen Jobs und als selbständiger Illustrator habe ich einen ganz guten Weg gefunden, damit es nicht eintönig wird.
Bei der Vernissage während der Lichtmeile am 13. Oktober haben Sie gesagt, Sie seien gar kein Künstler. Wie sehen Sie sich selbst?
Krayl: Mit dem Künstlerwort tue ich mich schwer. Das hängt vielleicht mit der romantischen Vorstellung von einem leidenden Künstler zusammen, der Bilder mit einer unheimlichen Bedeutungstiefe schafft und versucht, die Probleme der Welt vor sich selbst zu lösen mit seiner Kunst. Ich habe das Gefühl, dass sich das bei mir eher in eine Dienstleistungsrichtung entwickelt. Ich habe das halt im Studium gelernt. Meine Illustrationen dürfen ruhig einen künstlerischen Ausdruck haben. Aber dieses nur aus mir selbst schöpfen ist, glaube ich, nicht meine Stärke.
Würden Sie die Angsthasen-Ausstellung auch als Auftragsarbeit bezeichnen?
Krayl: Das ist schwierig zu sagen. Ein Stück weit schon, weil ich den Auftrag hatte, hier eine Ausstellung über Ängste zu machen. Dann gibt es eine zweite Ebene, wo ich mit diesen Menschen zusammengearbeitet habe. Die Menschen haben mir den Inhalt gegeben, und ich habe dem Inhalt eine Form gegeben.
Zur Person
- Valentin Krayl wurde 1989 in Mannheim geboren.
- Hat Kommunikationsdesign studiert und als Barkeeper, in einer Eisdiele und bei der Post gearbeitet
- Lebt bei seiner Großmutter im pfälzischen Neuhofen und in einem buddhistischen Kloster im Odenwald, wo er sich um den Garten kümmert
- Arbeitet als selbstständiger Illustrator
- Gibt Kurse und Seminare, zum Beispiel einen Comic-Workshop für Schulklassen bei der Holocaust-Ausstellung im Kunsthaus Wiesbaden
Wie kam es zu dieser Idee?
Krayl: Das CAC hatte den Kontakt zu der Selbsthilfegruppe Sozialphobie Mannheim hergestellt, und ich habe schnell gemerkt, das würde das Projekt werden. Zu diesem Zeitpunkt wusste ich aber noch gar nicht, was ich damit machen und welche Bildsprache ich erfinden könnte. Ich dachte, wenn ich beispielsweise Gegenstände zeichnen würde und die Zitate daneben setze, würde es schnell in eine elitär-künstlerische Richtung gehen, das wollte ich nicht. Bei Scherenschnitten gibt es keinen eigenen Strich. Wenn man alles ausschneidet, das könnte irgendwie jeder machen.
Die Bilder sollten also absichtlich nicht als Ihre erkennbar sein?
Krayl: Bei meiner letzten Ausstellung hat sich mein Stil als Zeichner schon ein bisschen in den Vordergrund gedrängt. Ich wollte aber etwas anderes, mich mehr zurücknehmen und diese Symbolhaftigkeit in den Vordergrund rücken. Ganz klassisch macht man Scherenschnitte ja in schwarz-weiß. Das hätte auch gut zum Thema gepasst, weil viele der Interviewten gesagt haben, Angst sei für sie schwarz-weiß. Das fand ich dann aber auch nicht toll.
Warum nicht?
Krayl: Naja, es war Lichtmeile in der Neckarstadt-West, und ich fand es cool, wenn die Bilder leuchten würden. So kam erst die Idee mit dem Schwarzlicht. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich immer noch nichts gezeichnet. Dann kam ich auf die Idee mit den Angsthasen, wollte aber auf keinen Fall die Sache verballhornen. Das war meine größte Sorge, nach den ernsten Interviews mit diesem Titel so einen Stempel aufzudrücken. Ganz viele Bilder haben sich durch die Hasenidee dann erst so richtig entwickelt.
War die Sorge berechtigt?
Krayl: Zum Glück waren alle, die da waren, sehr gerührt. Ich glaube, das hat auch mit dem Scherenschnitt zu tun. Die Bilder haben etwas beruhigendes, da steckt sehr viel Liebe drin, die Angsthasen sind einem sympathisch. Es wird sich nicht lustig gemacht über die Angsthasen. Deshalb war es total in Ordnung.
Gab es auch Resonanz der anderen Besucher?
Krayl: Die Bilder und die Zitate haben die Leute anscheinend gut abgeholt. Während der Lichtmeile haben mich viele Menschen angesprochen, die einen therapeutischen Hintergrund haben. Die Therapeuten, die mit Menschen mit Ängsten oder psychischen Problemen arbeiten, haben gesagt, dass sie genau so eine Bildsprache brauchen. Damit habe ich überhaupt nicht gerechnet.
Wenn man das Zitat zu der jeweiligen Sozialphobie gelesen hat, ist das dazugehörige Bild plötzlich ganz klar und sehr greifbar.
Krayl: Danke! Es war auch total spannend und abenteuerlich zu sehen, was da entsteht.
Verraten Sie etwas über den Entstehungsprozess?
Krayl: Ich habe das auf dem Boden hockend gemacht, hier in diesem Raum (Ausstellungsraum der CAC, Anm. d. Red.). Da lagen ein großer Teppich und eine Schneidematte. Und tausend Schnipsel. Immer bei Nacht. Tagsüber war recht viel los, ich war dann spazieren, habe mir was gekocht … das war vielleicht so eine Art Vorbereitung. Abends habe ich dann gedacht, „so, jetzt aber“ (lacht). Das hat sich irgendwie bewährt. Wenn ein Bild fertig war, habe ich es direkt aufgehängt. Das hat sich gut angefühlt, herumzulaufen und die Ausstellung wachsen zu sehen.
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