Mannheim. Vor zwei Wochen hat der Mannheimer Klimaaktivist Raúl Semmler mit sieben weiteren Mitgliedern der Letzten Generation mit einer Störaktion den Betrieb am Frankfurter Flughafen blockiert. Nun bekamen sie deswegen unangekündigten Besuch: „Gegen 6 Uhr hat die Polizei sturmgeklingelt und sehr laut gegen die Tür gehämmert“, berichtet Semmler am Freitag am Telefon. Der Grund: Infolge der Klebeaktion auf dem Rollfeld wurden am Donnerstag auf Betreiben der Frankfurter Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts der Nötigung, Sachbeschädigung und des Hausfriedensbruchs die Wohnungen der acht Beschuldigten durchsucht und DNA-Proben von ihnen genommen.
„Ich bin aus dem Schlaf hochgeschreckt. Ich habe gefragt, ob ich mir noch etwas anziehen darf“, erzählt Semmler. Die Polizei habe deutlich verneint, von zehn habe sie daraufhin heruntergezählt und damit gedroht, die Tür einzutreten. „Als ich sie dann aufgemacht habe, musste ich mich nackt auf den Boden legen“, schildert er. Nichtmal eine Unterhose habe er getragen. „Nach wenigen Minuten durfte ich mir dann aber etwas anziehen.“
Polizei beschlagnahmt Elektrogeräte und Freundebuch
Daraufhin hätten zehn bewaffnete Beamte rund drei Stunden seine Wohnung komplett durchsucht. Er habe „netterweise“ einen Nachbarn als Zeugen hinzuziehen dürfen. Am Ende habe die Polizei Elektrogeräte wie Laptop oder Handy sowie eine SIM-Karte beschlagnahmt. „Und absurderweise auch ein Freundebuch“, das von einem Drehbuchautoren-Treffen stamme und nichts mit der Letzten Generation zu tun habe, wie der Klimaaktivist betont.
„Einschüchternd“ sei das Auftreten der Polizei zunächst gewesen, was er nicht verstehe, da er und die Letzte Generation nicht durch Gewalttaten auffielen. Dennoch sagt er: „Ich mache der Polizei keinen Vorwurf für das Handeln.“ Nach seinem Empfinden seien die Beamten korrekt vorgegangen. Sinn und Zweck der Hausdurchsuchung bleiben ihm aber „schleierhaft“. Es könne sich lediglich um Abschreckung handeln, vermutet Semmler und meint: „Die Polizei muss politisch zeigen, dass sie etwas gegen uns tut - irgendetwas. Denn Justiz und Polizei versuchen, uns unnötig zu kriminalisieren.“
Auch dass er eine DNA-Probe abgeben musste, kann Semmler nicht nachvollziehen. Das dient einer Mitteilung der Staatsanwaltschaft Frankfurt zufolge für einen Abgleich mit am Tatort sichergestellten Spuren. Nähere Angaben wollte die Behörde wegen des laufenden Verfahrens dazu zunächst nicht machen.
„Dass sie DNA-Spuren zuordnen müssen, ist reine Schikane“
Semmler geht mehr ins Detail: Als sie in Frankfurt in Gewahrsam saßen, sei bereits eine DNA-Probe verlangt worden, diese habe aber zumindest er abgelehnt. „Darauf wurde noch nie gepocht, weil wir mit Namen und Gesicht immer zu unseren Taten stehen“, stellt er klar. So auch im Falle der Klebeaktion am Flughafen. „Keiner von uns bestreitet, einen Zaun aufgemacht zu haben. Wir haben uns aber erst mal nicht dazu geäußert“, sagt Semmler. „Dass sie DNA-Spuren auf dem Zaun gefunden haben und zuordnen müssen, ist reine Schikane. Ich weiß nicht, inwiefern das der Ermittlungsarbeit dient.“
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Semmler und die sieben weiteren Beschuldigten im Alter von 20 bis 44 Jahren sollen sich am 25. Juli um 4.45 Uhr Zutritt zum Gelände des Flughafens verschafft haben. Eine Person soll sich an dem zerstörten Zaun, die anderen an mehreren Orten des Rollfelds festgeklebt haben, was den Betrieb am Flughafen für Stunden lahmlegte. Alle Beschuldigten wurden an dem Tag festgenommen und später wieder entlassen.
Trotz der Hausdurchsuchungen am Donnerstag will die Letzte Generation ihre Proteste an Flughäfen fortsetzen, wie sie in einer Mitteilung ankündigte. „Das Handeln der Justiz und Polizei kann uns nicht stoppen“, bekräftigt Semmler. Die Gruppe fordert einen Vertrag der Regierung, der bis zum Jahr 2030 den Ausstieg aus Kohle, Gas und Öl besiegelt. Nur das könne die Proteste beenden, betont Semmler und sagt: „Wir fordern einfach nur, dass unsere Lebensgrundlagen geschützt werden.“
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