Neckarstadt-West

Wie das MAraum-Festival ungewöhnliche Orte für Konzerte und Kunst erschließt

Besondere Musik erfordert besondere Umgebungen. Das erste MAraum-Festival belebt mit Live-Musik und Ausstellungen die Jungbuschbrücke, einen Bolzplatz und Paul-Gerhardt-Kirche

Von 
Christian Hoffmann
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Singer/Songwriterin Emma Krischkowsky begeisterte mit ruhigen Deutschpopliedern unter der Jungbuschbrücke © Christian Hoffmann

Mannheim. Besondere Musik erfordert besondere Umgebungen. Um fortan musikalische Live-Darbietungen an ungewöhnlichen Orten anzubieten, fand zum ersten Mal das zweitägige Musik- und Kunstfestival MAraum im Stadtteil Neckarstadt-West statt. Nämlich an drei herausragenden Orten, an der Paul-Gerhardt-Kirche, unter der Jungbuschbrücke gegenüber dem Stadtarchiv Marchivum und auf einem Bolzplatz. Und das bei freiem Eintritt. "Das war unser erster Aufschlag, wir müssen schauen, wie das ankommt", erklärte Organisatorin Lisa Barthelmes von Next Mannheim in Bezug auf das Projekt. "Wir führen Kunst und Musik im öffentlichen Raum zusammen", erläuterte die 30-Jährige.

In der Fachsprache der Stadtentwicklung nennt sich das "Creative Placemaking". Es handelte sich um eine Veranstaltung des Vereins Music Commission Mannheim in Zusammenarbeit mit Next Mannheim und dem Band-Support mit finanzieller Unterstützung durch das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg.

Wachsendes Publikum unter der Jungbuschbrücke. © Christian Hoffmann

Unter der Jungbuschbrücke trat die junge Singer/Songwriterin Emma Krischkowsky auf, die mit ihrem ruhigen Auftritt, der sich mit Attributen wie verträumt und zurückgenommen zusammenfassen lässt, viele interessierte Zuhörer anzog. Deshalb entstand eine Menschentraube vor der singenden Gitarristin. In dem autobiografischen Song "Gestrandet" der Sängerin, die ursprünglich aus Ulm stammt und seit knapp drei Jahren in Mannheim lebt, setzt sich die 24-Jährige mit dem Thema soziale Phobie auseinander.

Immerhin bietet sich die Musik an, um persönlichen Seelenschmerz zu verarbeiten. Darum enthält dieses melancholische Stück die vergrübelte Textzeile "Kann mich nicht bewegen, soll ich mich ergeben?". Zwischendurch tippte die Multiinstrumentalistin auf ihrem Laptop herum, um ein paar Einstellungen an ihrem Synthesizer und ihrem elektronischen Schlagzeug vorzunehmen. Im Hintergrund flatterten bunte Fähnchen im kühlen Sommerwind. Andererseits kann das wilde Nachtleben mit Freunden ebenfalls Thema in den deutschsprachigen Liedern von Popsängerin sein, etwa in der Eigenkomposition "Schall und Rauch", in dem die Musikerin den Satz "Die Nacht beginnt, wenn Endorphine in meinen Beinen sind" singend hervorbringt. "Ich bin über das Förderprogramm Band-Support zu diesem Auftritt gekommen. Im zurückliegenden Jahr durfte ich dort Workshops besuchen", schilderte die introvertierte Singer/Songwriterin Emma Krischkowsky am Rande der Veranstaltung. Gegenwärtig verfolgt die 24-Jährige, die Gitarre, Schlagzeug und Klavier beherrscht, ein Studium in Kommunikationsdesign an der Hochschule Mannheim.

Spiral Drive setzen Kontraste

Mit einem donnernden Schlagzeug setzte hinterher der Auftritt der Neo-Psychedelic-Rockband Spiral Drive ein. Somit lag das lärmende Quartett im totalen Kontrast zum zuvor gehörten Konzert der leisen Popmusikerin Emma Krischkowsky. Wie ein lauter Weckruf wirkten die tiefgestimmten Songs von Spiral Drive auf das stetig wachsende Publikum.

Mit tiefen E-Gitarren und Halleffekten sorgte die Neo-Psychedelic-Band Spiral Drive für allerhand Lärm unter der Jungbuschbrücke © Christian Hoffmann

Unter der Jungbuschbrücke arbeitete die vierköpfige Rockband mit Rückkopplungen und spacigen Halleffekten. Mit E-Gitarre und E-Bass ließen Raphael Neikes und David Knevels die Verstärker dröhnen. Gegen Ende zog der bärtige Bassist David Knevels mit einem solistischen Bass-Lauf die Aufmerksamkeit auf sich. Denn David Knevels besitzt wahre Donnerfinger an seinem Instrument. Sind in Bezug auf die Band diffuse Vergleiche mit Stoner-Rock-Ikonen wie Kyuss oder Queens of the Stone Age zulässig? "Das ist kein Stoner-Rock, wir machen Neo-Psychedelic-Rock", korrigierte Sänger und Gitarrist Raphael Neikes nach dem Konzert. "Ob aus den 1960ern, den 1970ern oder den 1990ern, wir sind von jedem Jahrzehnt beeinflusst", relativierte der 32-Jährige, der aus der Nähe von Innsbruck kommt und seine drei Bandkollegen in der Quadratestadt kennengelernt hat. "Wir sind alle Wahl-Mannheimer", erklärte Saitenhexer Raphael Neikes. In der Vergangenheit befanden sich Spiral Drive in etlichen europäischen Ländern auf Tournee. Am 2. Februar war Spiral-Drive-Vorsteher Raphael Neikes der Studiogast in der Hard'n'Heavy-Radiosendung Stahlwerk auf Radio Fritz, die Sendung kann man im Online-Audioarchiv nachhören.

Künstlerin Tabea Lankhuijzen vor einem ihrer farbenfrohen Tufting-Teppiche © Christian Hoffmann

Im Rahmen des ersten MAraum-Festivals stellte die Künstlerin Tabea Lankhuijzen farbintensive Kunstwerke unter der Jungbuschbrücke aus, in aufgespannten Holzrahmen. Als visuelle Aufwertung einer grauen Betonversiegelung. Mithilfe der Tufting-Technik schießt die Künstlerin aus einer Pistole farbenfrohe Fäden in Stoffgewebe. "Über die Tufting-Technik gibt es tolle Videos im Internet auf YouTube", begeisterte sich Tabea Lankhuijzen, deren Nachname holländischen Ursprungs ist.
Zusammen mit der Frauennähgruppe des Ikubiz-Leseladens erstellte die 29-Jährige, die beruflich als Sozialarbeiterin tätig ist, schillernde Kunstteppiche. Die von ihr ausgestellten Textil-Exponate bilden Menschenhände ab, von der Anmut her vergleichbar mit den "Betenden Händen" von Albrecht Dürer.

Screamo-Punk auf dem Bolzplatz

Nach dem Live-Programm in der Paul-Gerhardt-Kirche und unter der Jungbuschbrücke setzte sich das MAraum-Festival auf dem Bolzplatz neben der Ludwig-Jolly-Straße fort. Dort buhlten die beiden Acts Yale und Schroff um die Gunst des feierwütigen Publikums. In einem Lied der Screamo-Punk-Band Schroff geht es um eine abenteuerliche Fahrt in einem Opel Kadett nach Jena in Ostdeutschland. Außerdem besingen die schroffen Punk-Rocker morgendlichen Zigarettenkonsum und durststillenden Alkohol. Darüber hinaus traten noch das Haz'art Trio, Engin, Lynn, Ghays Mansour, Kalkyl, Persian Empire, Fofana Jo und Disco Dicks auf dem MAraum-Festival auf. Zudem bot das Festival den Künstlern Florian Budke und Carolin Kaiser ein Forum zur Selbstdarstellung.

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