Kandidatenporträt - Michael Schlecht tritt für die Linke an / Erfahrener Gewerkschafter hat mittlerweile seine Strategie geändert

Weniger Tempo, aber viel Bewegung

Von 
Angela Boll
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Der Bundestagsabgeordnete Michael Schlecht beim Frühstück im Café Journal. Er ist sich sicher: "Die Linken werden wichtig sein!"

© Tröster

Es ist noch gar nicht lange her, da raste Michael Schlecht noch mit Vollgas durchs Leben, immer bei den Kämpfern an der Front. Einer, der gleich den Mund aufmachte und lospolterte, ein leidenschaftlicher Gewerkschafter der frühen Stunde. Mittlerweile aber schlägt der 62-Jährige, der bei der Bundestagswahl für die Linke antritt, ruhigere Töne an. Er hat den Fuß vom Pedal genommen, spart sich seit geraumer Zeit die körperlich zehrenden Alpenüberquerungen auf dem Rennrad und geht lieber wandern.

"Ich habe ein bisschen Tempo 'rausgenommen", erzählt er beim Frühstück im Café Journal, "man kann sagen: Ich bin einfühlsamer geworden." Der Weg mag sich geändert haben - die Ziele aber hat er nicht aus den Augen verloren. Wenn man den Bundestagsabgeordneten, Volkswirt und ehemaligen Gewerkschaftssekretär fragt, was ihn auszeichnet, spricht er über eine Eigenschaft, die ihn vor allem in den zahlreichen Verhandlungen vorangetrieben hat: "Ich besitze eine große Entschiedenheit bei den Dingen, die ich erreichen will, dranzubleiben." Hartnäckigkeit - das birgt Potenzial zum Anecken . . . ? "Anzuecken gefällt mir, ich bin bereit dazu, wenn es um die Sache geht", sagt er und berichtet mit Feuereifer über 40 Jahre Kampf um eine Tarifpolitik, die "durch falsche Bundespolitik immer mehr eingeschränkt wurde". Frustrierend ist das doch, demotivierend - woher kommt der starke Wille, etwas voranzutreiben, was aus eigener Sicht in vergangener Zeit immer mehr verschlechtert wurde? "Man muss doch nicht alles ertragen, man kann ja trotzdem was tun", betont Schlecht und genießt die letzte Gabel mit Rührei, Champions und Käse. Weiter geht's mit Schinkenbrötchen und der Hoffnung auf Bewegung. "Natürlich weiß ich, dass es auch weiterhin nach einer schwarzgelben Regierung aussieht", redet der Linke nichts schön, "und ich habe zur Kenntnis genommen, dass die SPD kein rot-rot-grünes Bündnis eingehen würde". Aber: "Ich zweifle nicht daran, dass die Linken auch aus dem Parlament heraus deutliche Akzente setzen können. Wir werden wichtig sein", ist er sich sicher.

"Sicht auf die anderen"

Mit dem zweiten Latte Macchiato wollen wir mehr über den Mensch Michael Schlecht erfahren. Reden wir über das Familienleben, seine Frau, mit der er in Stuttgart wohnt und seit 26 Jahren verheiratet ist. Auch sie sei eine Kämpfernatur und in der Zeit, als die beiden längst erwachsenen Töchter noch zu Hause lebten, sei es die größte Herausforderung gewesen, beim Essen zu Wort zu kommen, lacht der Familienvater. "Aber mehr will ich nicht sagen. In der Hinsicht bin ich nicht so auskunftsfreudig", winkt er ab und will über das rote Röhrchen im Latte Macchiato am liebsten wieder zurück auf die Ziele der Linken kommen.

Ein wenig mehr möchten wir allerdings doch noch über die Entscheidung erfahren, im Leben ein paar Gänge zurückzuschalten, das Rennradfahren, das er so exzessiv betrieb, radikal einzuschränken. Wie kam es dazu? "Mir war es einfach zu anstrengend." Auch klettern geht er nicht mehr - "zu gefährlich". Jetzt sucht er das Weite, liebt es auf dem Mittelmeer zu segeln. "Den Segelschein habe ich schon vor Jahrzehnten gemacht, mit dem Gedanken daran: Das mach' ich mal, wenn ich alt bin. Jetzt fühlte ich mich irgendwie danach, und es tut mir gut."

Davonzusegeln, sich vom politischen Acker zu machen und einfach aufhören, wäre das mit 62 nicht reizvoll? "Ich habe schon früh im Leben gewusst, dass man die Sicht nicht nur auf sich, sondern immer auch auf die anderen lenken muss. Man kann nicht glücklich sein, ohne das Bewusstsein, Teil eines Ganzen zu sein", schlägt der Stuttgarter plötzlich philosophische Töne an - und er betont seinen Spaß am gemeinsamen Wahlkampf: "Ich hab' einfach noch Lust am Dranbleiben, am Bewegen."

Michael Schlecht

Michael Schlecht wurde am 25. Juni 1951 in Hildesheim geboren.

Er wuchs in Hamburg auf.

Er machte eine Ausbildung zum Drucker, studierte danach erst Druck-Ingenieur, später VWL in Berlin.

Schlecht engagierte sich bis 2001 in der IG Druck und Papier, später IG Medien; bis 2009 war er Chefvolkswirt bei ver.di.

1982 trat er in die SPD ein, 2005 folgte der Austritt - und die Mitgliedschaft in der WASG, der Vorgänger-Partei von die Linke.

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