Mannheim. Mädchen und Naturwissenschaften? Geht gar nicht! Dieser Meinung war zumindest Martin Walleser, Zweiter Direktor der „Mannheimer Töchterschule“. In der Festschrift zum 25-jährigen Bestehen der 1863 gegründeten Bildungseinrichtung im Jahr 1888 hielt Walleser fest: „Die Wissenschaftlichkeit mit ihrer Terminologie, mit ihren Formeln und verstandesmäßigen Deduktionen passt in die Mädchenschule nicht.“
Der Kontrast zur Gegenwart könnte größer nicht sein. „Bei Mädchen und Jungs gibt es keinerlei Unterschiede im Leistungsprofil, was Naturwissenschaften angeht“, formuliert Manuela Weiss, was aus heutiger Sicht keine wirkliche Überraschung ist. Im Gespräch mit dieser Redaktion geht die Pädagogin, seit gut 13 Jahren Direktorin des Elisabeth-Gymnasiums in D 7,8, auf das 160-jährige Jubiläum ein – und auf das „Geschenk“, das es zum runden Geburtstag gab: den Abschluss der Generalsanierung.
Drei Jahre haben die Arbeiten gedauert. Während dieser Zeit ging der Großteil des Unterrichts in einer Containeranlage neben der Keplerschule in K 5 über die Bühne. Unter der Hauptüberschrift „Brandschutz“ lief die rund 9,4 Millionen Euro teure Gesamtmaßnahme. Aber sie beinhaltete auch Umbauten und Umgestaltungen, mit denen Weiss ausgesprochen zufrieden ist.
Angebot für jüdische Schülerinnen
So führt die Direktorin durch mehrere Aufenthaltsräume. Sie bieten den Schülerinnen und Schülern während der unterrichtsfreien Zeiten eine Fülle von Möglichkeiten – zum Beispiel Tischkicker und große Schachspiele, Bibliothek, Rückzugsräume zum Lernen. Neu zur Verfügung steht jetzt auch eine große Terrasse mit Tischen und Stühlen an der nordwestlichen Gebäudekante. Die „Freiräume“, sagt Weiß, „tun dem Schulklima sehr gut“.
Auf ihrer Wunschliste steht allerdings noch die Umgestaltung des großen Pausenhofs, dessen unansehnlicher Asphaltbelag „sehr bucklig“ sei. Spielgeräte fehlen dort noch, auch über eine Entsiegelung würde Weiss sich sehr freuen. Immerhin haben die Schülerinnen und Schüler schon einmal mit dem Anlegen von Hochbeeten begonnen.
Newsletter "Guten Morgen Mannheim!" - kostenlos registrieren
Zurück zur Geschichte: 1863 gibt es eine Reihe christlicher Mädcheninstitute. Aber laut Festschrift 1888 zugleich den „Mißstand“, dass all diese Schulen „den Jüdinnen ihre Thüre verschlossen, durch welchen Bann eine Menge sehr achtbarer Familien der Stadt schwer betroffen wurde“. So kommt es nicht von ungefähr, dass vor allem jüdische Mannheimer Bürger sich für die Neugründung stark machen. Der Anteil jüdischer Schülerinnen liegt um 1890 bei über 50 Prozent. Während des Nationalsozialismus geht die Zahl der jüdischen Mädchen rasch und rapide zurück. Die Festschrift von 1988 dokumentiert, dass die noch verbliebenen drei jüdischen Mädchen 1938 „austreten“, wie es damals im Amtsdeutsch heißt, „die letzte, eine Oberprimanerin, am 10. November 1938“ – also dem Tag nach der Reichspogromnacht. Was ist aus ihnen geworden? Welches schreckliche Schicksal haben sie danach erlitten? Unbekannt.
Ihren heutigen Namen erhielt die vorherige „Mannheimer Töchterschule“ im Jahr 1909, benannt nach Elisabeth Charlotte Goethe, der Mutter des Dichterfürsten Johann Wolfgang. In D 7, 8 beheimatet ist das heutige Elisabeth-Gymnasium seit 1905, gestartet war die Schule 1863 im Westflügel des Schlosses, umgezogen 1889 zunächst ins ehemalige Tabakmagazin in D 7, 22. Aber in Folge der immer stärkeren Bombenangriffe auf die Stadt, bei denen auch das Schulhaus in D 7, 8 teilweise zerstört wird, müssen die Schülerinnen 1943 in den Schwarzwald und an den Bodensee. Mit Kriegsende bricht der Unterricht zunächst gänzlich zusammen, im Februar 1946 wird er wieder aufgenommen – zunächst im Gebäude des Karl-Friedrich-Gymnasiums.
Längst ist die Mädchenschule von damals offen für beide Geschlechter, die Ko-Edukation wurde zum Schuljahr 1973/74 eingeführt. Und offen ist sie ausdrücklich auch für Schülerinnen und Schüler, die es auf ihrem Lebensweg schwerer haben als manche andere.
Plädoyer für G9 und Ganztag
Die rund 250 Kinder und Jugendlichen, die derzeit die Schule besuchen, gehören 30 unterschiedlichen Nationen an, berichtet Weiss. „Wir versuchen hier, vieles auszugleichen, was Eltern nicht leisten können“, sagt die Direktorin. Deshalb würde sie eine Rückkehr zum neunjährigen Gymnasium außerordentlich begrüßen. Weiss wünscht sich für ihre Schülerinnen und Schüler, „ein Jahr mehr Zeit zu haben, um aufzubauen und nachzuholen, was sie in der fünften Klasse nicht mitbringen“.
Deshalb könnte sie sich das Elisabeth-Gymnasium auch gut als gebundene Ganztagsschule vorstellen, um schwächeren Schülerinnen und Schülern eine feste, klare Struktur zu ermöglichen. „Das ist eine spannende Zukunftsfrage“, sagt Weiss. Aber leider gebe es in Baden-Württemberg – im Unterschied zu Grundschulen – keinen klaren rechtlichen Rahmen für weiterführende Ganztagsangebote. Dabei sei die Nachfrage von Familien durchaus da.
Was Manuela Weiss ausgesprochen schätzt, ist die Überschaubarkeit, die sich durch die geringe Schülerzahl ergibt. Das helfe, eventuell aufkommende Konflikte schnell zu lösen. Und überdies hätten sich dank der Neugestaltung „Lärm und Pausenstress deutlich reduziert“.
URL dieses Artikels:
https://www.mannheimer-morgen.de/orte/mannheim_artikel,-mannheim-was-sich-am-elisabethgymnasium-mannheim-seit-1863-geaendert-hat-_arid,2143655.html