Gewahrsam

Was Menschen in der Ausnüchterungszelle der Polizei Mannheim erwartet

Gemütlich ist anders: Wenn Menschen in der Gewahrsamszelle landen, ist oft Alkohol im Spiel. Wie man bei der Polizei Mannheim ausnüchtert.

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Valerie Gerards
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Zum ausnüchtern nüchtern ausgestattet: Die Gewahrsamszelle des Polizeireviers Mannheim-Innenstadt. © Valerie Gerards

Mannheim. Es gibt sicherlich kostengünstigere und auch komfortablere Möglichkeiten, in Mannheim seinen Rausch auszuschlafen, als in der Gewahrsamszelle des Polizeireviers Mannheim-Innenstadt. Am Morgen gibt es keinen frisch gepressten Orangensaft und heißen Kaffee gegen den Kater. Trotzdem ist die Rechnung happig. Die Allerwenigsten, die hier einquartiert werden, übernachten freiwillig.

Die Einrichtung der Gewahrsamszelle, die gerne auch Ausnüchterungszelle genannt wird, weil bei den Gästen häufig Alkohol im Spiel ist, könnte nüchterner kaum sein: ein weiß gestrichener Raum ohne Fenster, zwei Meter breit, an dessen Ende sich ein gemauerter Sockel in ganzer Raumlänge befindet. Darauf eine blassblaue, schmale Matratze, die jeglichen Komfort zu wünschen übriglässt. Sie ist mit abwaschbarer Folie bezogen, sauber und desinfiziert, aber manche Flecken sind nicht richtig rausgegangen. In den braun gekachelten Fußboden ist eine Hocktoilette aus Stahl eingelassen.

Ausnüchterungszelle in Mannheim: Die Sicherheit hat Priorität

Wasser gibt es beliebig viel und so oft die Insassen möchten – in Pappbechern, von denen keine Verletzungsgefahr ausgeht – und wird laut Polizeisprecher Philipp Kiefner bei den regelmäßigen Kontrollgängen oft gewünscht. Eine Decke wird auf Nachfrage ebenfalls ausgegeben; die Zelle ist aber so gut beheizt, dass man auch ohne Decke nicht frieren würde.

Klopapier ist ebenfalls zu bekommen, wird aber erstaunlich selten nachgefragt. Die Zelle ist kameraüberwacht, im Bereich der Toilette allerdings verpixelt. Über eine Gegensprechanlage kann man jederzeit mit einem Polizeibeamten in Kontakt treten.

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Vor dem Einchecken müssen die Gäste ihre Habseligkeiten abgeben. Vor allem Feuerzeuge, Schnürsenkel und Gürtel – eben alles, was zu einer Verletzung oder möglicherweise zu einer Selbsttötung führen könnte, wird ihnen abgenommen. Sogar frische Kleidung ist vorhanden, bestehend aus hellgrauen Jogginghosen und Sweatshirts. „Wenn sich jemand übergeben musste oder die Kontrolle über den Harndrang verloren hat, muss er natürlich nicht die ganze Nacht mit der verunreinigten Kleidung in der Zelle verbringen“, berichtet Polizeihauptkommissar Kiefner.

In hilfloser Lage: Ausnüchterungszelle ist offiziell Schutzgewahrsam

Wer zum Ausnüchtern in die Zelle gesteckt wird, kommt genauer gesagt in Schutzgewahrsam. „Es handelt sich dann um Personen, die in einer hilflosen Lage sind und um die sich niemand kümmern kann“, erklärt der Polizeisprecher weiter. Der Schutzgewahrsam ist die ultima ratio, wenn es keine andere Lösung gibt. „Wenn ein Freund sagt, er nimmt seinen sehr betrunkenen Kumpel mit nach Hause, dann ist für uns alles gut. Dann müssen wir niemanden in Gewahrsam nehmen.“

Problematisch werde es dann, wenn der Betrunkene niemanden benennen kann oder will. Oder sich niemand findet, der ihn abholt. Die Polizei telefoniere nicht etwa nachts um 3 Uhr 50 Leute aus dem Bett – wenn die ersten zwei schon sagen, sie wollen nichts mit dem Aufgegriffenen zu tun haben. „Manchmal wird auch die Mutter angerufen und sie sagt: Nee, das ist schon das vierte Mal diese Woche. Wir können niemanden zwingen, auf die Person aufzupassen.“

Polizeidirektor Timon Kuntz leitet das Polizeirevier Mannheim-Innenstadt seit April. © Christoph Blüthner

Wenn diese aufgrund ihres Zustands hingegen eine Gefahr für sich selbst und andere darstellt, hat sie den Aufenthalt quasi fast gebucht, auch ohne vorher das Zimmer bestellt zu haben. Die Buchung dauert dann so lange, bis eine gewisse Ausnüchterung stattgefunden hat. Denn es könnten, so verdeutlicht Kiefner, schwere Verkehrsunfälle passieren, wenn jemand desorientiert und ohne Acht über die Straße läuft.

Krankenwagen, mögliche Verletzung: Der Weg auf das Polizeirevier in Mannheim-Innenstadt

Der Weg in die Ausnüchterungszelle beginnt oft damit, dass jemand auf der Straße liegt und von Passanten gemeldet wird. Die Polizei ruft dann direkt einen Krankenwagen hinzu, so dass an Ort und Stelle eine erste medizinische Abklärung stattfindet: Ist das ein Fall fürs Krankenhaus oder die Gewahrsamszelle? Hat die Person sich schon eingenässt oder schwer übergeben, ist hingefallen und hat eine Kopfverletzung?

Kann die Person zum Ausnüchtern in Schutzgewahrsam, wird nochmals ein Polizeiarzt hinzugezogen. Er klärt dann ab, ob eine besondere Beobachtung nötig ist, etwa regelmäßige Kontrollen alle halbe Stunde, oder eine Videoüberwachung wichtig ist, weil die Möglichkeit besteht, dass der Insasse sich übergibt und daran ersticken könnte.

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All diese Extras stehen hinterher mit auf der Rechnung. Der Polizeieinsatz, die Fahrt ins Revier und die ärztliche Untersuchung können zusammen um die 200 bis 300 Euro kosten, alles festgelegt in der Landesgebührenordnung. Eine besondere Zellenreinigung, die in manchen Fällen notwendig ist, kostet extra. Wer anstatt der Toilette die Matratze benutzt hat, bekommt eine gesonderte Rechnung.

Auch nach schweren Delikten ist die Gewahrsamszelle erste Station

Es sind aber nicht nur alkoholisierte oder unter Drogeneinfluss stehende Personen, die in die Zelle kommen. Ein Grund ist auch die Vorbereitung der Haft nach schweren Delikten – etwa wegen Raub oder versuchtem Totschlag.

Auch Störer und Randalierer landen in der Gewahrsamszelle, wenn mehrere Ansprachen, ein Platzverweis und alle milderen Mittel nicht reichen und klar ist: Da geht es gleich wieder rund. In diesen Fällen, die vom Nachbarschaftsstreit bis zum Ehekrach reichen, wird Gewahrsam angedroht und dann auch ausgeführt, wenn die Person sich nicht beruhigt. Ein Richter entscheidet, wie lange die Person in Gewahrsam bleibt.

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