Mannheim. „Etwa 100 Vogelarten sind in Mannheim zu finden. Auf den ersten Blick nicht schlecht für eine Industriestadt“, meint Thomas Hornung, umweltpolitischer Sprecher der CDU im Gemeinderat. Zu dieser großen Zahl trage die „Vielgestaltigkeit“ Mannheims bei: die Auenbereiche an Rhein und Neckar, der Übergang in die offene Feldflur am Stadtrand oder die typischen grünen Großstadträume wie Parkanlagen, Friedhöfe und Schrebergärten. Doch die Vögel leiden auch unter vielerlei Widrigkeiten. „20 bis 30 Arten sind hier verschwunden“, bedauert Hornung. Daher wollte der Politiker und Hobby-Ornithologe mit einer „Tour de Natur“ nicht nur interessierten Mannheimern die Vogelwelt an ihrem Wohnort näherbringen. Im Nachgang benennt er nun auch einige Möglichkeiten, wie man den Vogelschutz in der Stadt voranbringen könnte.
Gabriele Baier, Vorsitzende der Ortsgruppe des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) und Gemeinderatsmitglied der Grünen, sowie Jolene Libbey vom Ortsverein des Naturschutzbund Deutschland (Nabu) begrüßen auf Nachfrage das Engagement für die Tiere. Im Gespräch mit dieser Redaktion zeigen beide weitere Ansätze zum Schutz der gefiederten Lebewesen auf. Und auch Thomas Hornung vom Gemeinderat gibt hilfreiche Einblicke. Hier eine Auswahl:
Kampf gegen das Insektensterben
„Vogelschutz ist vor allem Insektenschutz“, macht Thomas Hornung deutlich. Denn Insekten sind die wichtigste Nahrung der Vögel. „Daher sollte in Mannheim noch mehr über Blühstreifen auf öffentlichen Flächen nachgedacht werden“, betont er. Nabu und BUND würden das ebenfalls begrüßen. „Denn der Rückgang an Insekten ist dramatisch“, betont Gabriele Baier.
Sie und Jolene Libbey fordern zudem, „die bisherigen Mäh-Traditionen zu überdenken. Wenn beispielsweise die Neckarwiesen, die sich wie ein großes Band von der Stadtgrenze bis in die Innenstadt ziehen, auf einmal gemäht werden, gibt es dort keinen Rückzugsraum mehr für Insekten und so auch keine Nahrung für die Vögel“, erklärt die BUND-Vorsitzende. Das sieht auch ihre Kollegin vom Nabu so. „Wenn das Grünflächenamt es schaffen würde, Wiesen generell staffelweise zu mähen und das Mähgut auf den Flächen zu belassen, würde damit ein großer Beitrag zum Erhalt und Schutz der Insekten geleistet werden“, erklärt sie.
Mehr Biotopvernetzung
Zu den Besonderheiten Mannheims zählt Thomas Hornung den „ländlichen Bogen von Sandhofen bis Feudenheim“. Bluthänfling, Stieglitz und Schafstelze hat er bei seiner Tour dort entdeckt. „Andere Arten sind jedoch nicht oder nur noch in sehr geringer Zahl da.“ Der CDU-Gemeinderat vermisst etwa Rebhuhn, Kiebitz und Grauammer. Er möchte daher zusammen mit den Landwirten ausloten, welche Möglichkeiten es zum Schutz und zur Vernetzung von Biotopen auf den Feldern um die Quadratestadt gibt.
Gabriele Baier will diese Pläne weiterfassen. So müssten Biotop-Verbünde einerseits verstärkt auch über die Grenzen von Kommunen hinweg gedacht werden. Andererseits würde die Großstadt in Zeiten industrialisierter Landwirtschaft inzwischen „selbst zum Rückzugsraum für viele Arten“. Daher sei es wichtig, auch in Mannheim Biotopvernetzungen voranzutreiben.
Schrebergärten als Lebensraum
Auch die rund 6000 Schrebergärten in Mannheim hält Thomas Hornung für „höchst wertvoll für Vögel“. Nicht nur den Gartenrotschwanz, den Grünfink oder Spechte gebe es dort. „Wir haben sogar einen Sperber und Schwalben darüber beobachten können“, berichtet der Vogelkundler. Die 26 Kleingartenanlagen bezeichnet er als „ökologischen Gewinn“ für die Quadratestadt und würde ihre Flächen - wo es möglich ist - gerne ausweiten oder gar neue Anlagen ausweisen.
Auch Gabriele Baier findet, „dass Schrebergärten einen wichtigen Beitrag zum Vogelschutz leisten können“. Wie stark, hänge allerdings von den Vorgaben der Vereinsvorstände ab, meint sie. Man müsse wegkommen von den aufgeräumten Parzellen und mehr Artenvielfalt fördern.
Friedhöfe und Parkanlagen
Lebensraum für Vögel mitten in Mannheim bieten auch die Friedhöfe mit ihren alten Baumbeständen. „Bei der Tour über den Hauptfriedhof beispielsweise haben wir selbst an einem heißen Sommertag etwa 20 Arten entdeckt“, berichtet Thomas Hornung. Doch aus seiner Sicht könnten es noch einige mehr sein. Um das Nahrungsangebot für die Vogelarten durch Insekten zu erhöhen, schlägt der Experte eine Ausweitung der naturnahen Bewirtschaftung und mehr Wildblumenwiesen auf Friedhöfen vor.
„Einige positive Beispiele gibt es da schon - etwa in Käfertal“, erklärt Gabriele Baier. Gleichzeitig fordert sie mehr heimische Hecken auf Friedhöfen sowie in Parkanlagen. Schlehen, Weißdorn oder Holunder etwa. Denn solche Gehölze bieten Vögeln nicht nur Platz zum Nisten, sondern mit ihren Beeren auch Fressen und mit den Blüten wiederum Futter für Insekten, so die Biologin.
Weitere Nisthilfen
Für eine gute Sache hält Jolene Libbey auch den Gemeinderatsbeschluss, dass Nistkästen für Gebäudebrüter an städtischen Immobilien angebracht werden müssen. Ein solches Projekt, erläutert sie, werde etwa an der Kepplerschule umgesetzt, wo Stadt, Gebäudeverwaltung und Nabu zusammenarbeiten.
Unterdessen bedauert Gabriele Baier, dass im Zuge der baulichen Verdichtung innerhalb Mannheims immer mehr offene Grundstücke und Brachen weggefallen. „Dabei sind gerade das hochwertige Lebensräume für Vögel“, betont die Fachfrau. Ausgleichsmaßnahmen zu schaffen sei daher bei Baumaßnahmen enorm wichtig. Zusätzlich müsse von der Verwaltung kontrolliert werden, dass diese „auch von der Qualität her stimmen“.
Gefährliche Glasfassaden
Jolene Libbey macht noch auf ein weiteres Problem aufmerksam: „Viele Vögel sterben einen sinnlosen Tod, weil sie mit Glas kollidieren“, sagt sie. Auch in Mannheim. Besonders verhängnisvoll: die stark spiegelnden Glasfronten moderner Gebäude. „Vögel erkennen oft nicht, dass die Landschaft dort nicht weitergeht“, macht die Naturschützerin deutlich.
Eine Möglichkeit, dies zu verhindern, wäre die Verwendung von sogenanntem Vogelglas - sprich: Glas, das mit feinen Linien durchzogen, bedruckt oder halbtransparent ist und zudem wenig reflektiert. Allerdings sei das Nachrüsten an bereits stehenden Häusern kosten- und ressourcenintensiv, weiß Jolene Libbey. Daher würde sich der Nabu wünschen, dass bei Neubauten künftig gleich ganz selbstverständlich Vogelschutzglas verwendet würde.
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