Forum Deutsche Sprache

Was den Besuchern im geplanten Sprachmuseum in Mannheim geboten wird

In Mannheim soll ab Ende des Jahres das Forum Deutsche Sprache gebaut werden. Die Macher erklären, warum in der Ausstellung keine Vitrinen stehen werden und was das Gebäude mit dem Stadion von Bayern München gemeinsam hat

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Timo Schmidhuber
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Mannheim. Herr Lobin, das von Ihnen geleitete Leibniz-Institut für Deutsche Sprache (IDS) plant am Alten Meßplatz ein Sprachmuseum, das zugleich auch Forschungsstätte sein soll: das Forum Deutsche Sprache. Die Klaus Tschira Stiftung hat vor dreieinhalb Jahren bekanntgegeben, dass sie das Haus baut und dem IDS schenkt. Wann geht‘s los mit den Bauarbeiten?

Henning Lobin: Wir hoffen, dass wir Ende des Jahres mit dem Bau starten können, im späten Herbst soll die Baustelle eingerichtet werden.

Frau Schoppa-Briele, Sie leiten den Stabsbereich für das Forum. Mit welcher Bauzeit rechnen Sie?

Elena Schoppa-Briele: Circa drei Jahre. Die Planung sieht so aus, dass das Gebäude frühestens Ende 2027 fertig ist.

Beim Architekten-Wettbewerb war Ende 2021 der Vorschlag des Berliner Büros Henn zum Sieger gekürt worden. Wird dieser Entwurf nun so gebaut?

Henning Lobin und Elena Schoppa-Briele präsentieren beim Interview Illustrationen und Modell des geplanten Gebäudes. © Thomas Tröster

Lobin: Im Prinzip ja. Außer dem Erdgeschoss werden wir drei Vollgeschosse haben sowie ein viertes Geschoss, auf dem es eine kleine Dachterrasse gibt, die öffentlich zugänglich ist. Von dort kann man direkt auf den Neckar blicken.

Die Fassade sieht auf den Modellbildern aus, als wäre sie aus Glas, was sie aber nicht ist. Erklären Sie es uns.

Schoppa-Briele: Die Fassade ist dreigeteilt. Innen ist es eine Glasfassade. Die zweite Schicht ist ein Sonnenschutz aus verstellbaren Holzlamellen, und außen ist eine nachhaltige, transparente ETFE-Folie über das Gebäude gespannt. Die gleiche Folie wie bei der Allianz-Arena, dem Stadion von Bayern München. Da ist sie allerdings mit Luft gefüllt, das wird bei uns nicht der Fall sein.

Lassen Sie uns ins Innere des Gebäudes gehen. Was erwartet die Besucher da?

Schoppa-Briele: Im Foyer wird es eine Veranstaltungsfläche und einen Picknickbereich mit Snack- und Getränkeautomaten geben. Wir planen zudem eine zentrale Installation, die in das Thema Sprache einführen wird. Ebenfalls im Erdgeschoss gibt es einen kostenfrei zugänglichen Erlebnisbereich speziell für Kinder im Vor- und Grundschulalter. Die Sprachraumstation ist eine interaktive Ausstellung, die sich unter anderem mit kultureller und sprachlicher Vielfalt beschäftigt, weil das in der Neckarstadt sehr wichtig ist. Es geht um bewegtes Lernen, und es soll zum Beispiel Kletterwände geben, an denen die Kinder Sprachspiele machen können.

Forum Deutsche Sprache

  • Der Sprachwissenschaftler Prof. Dr. Henning Lobin ist seit 2018 Wissenschaftlicher Direktor des Leibniz-Instituts für Deutsche Sprache (IDS).
  • Elena Schoppa-Briele leitet beim IDS den Stabsbereich Forum Deutsche Sprache.
  • Das IDS wird das Forum Deutsche Sprache am Alten Meßplatz betreiben. Gebaut wird es von der Klaus Tschira Stiftung, die dem IDS das Gebäude schenkt. Zu den Kosten macht die Stiftung keine Angaben.

 

Die Klaus Tschira Stiftung baut dem IDS nicht nur das Gebäude, sondern schenkt ihm auch die erste Dauerausstellung. Was wird in der Dauerausstellung zu sehen sein, Herr Lobin?

Lobin: Die Besucherinnen und Besucher fahren mit dem Aufzug ins dritte Obergeschoss, wo die Ausstellung beginnt und von wo sie dann ins zweite Obergeschoss geleitet werden. Die Dauerausstellung besteht aus sechs sogenannten Sprachwelten mit jeweils unterschiedlichen Themen.

Womit beschäftigen sich die Sprachwelten?

Lobin: In einer geht es um Geschichte und Verbreitung der deutschen Sprache, in den anderen um Sprache und Gesellschaft, um Normierung und Regulierung von Sprache oder um Besonderheiten der deutschen Sprache sowie um die Vielfalt der deutschen Sprache im Austausch mit anderen Sprachen und um Technologie und Sprache.

Keine Angst, da werden keine Vitrinen stehen, sondern digitale und interaktive Exponate, bei denen man einiges zu machen hat
Henning Lobin Wissenschaftlicher Direktor

Klingt nach harter Kost …

Lobin: Keine Angst, da werden keine Vitrinen stehen, sondern digitale und interaktive Exponate, bei denen man einiges zu machen hat. Wenn es zum Beispiel darum geht, sich die Verbreitung der deutschen Sprache in der Welt anzuschauen, dann arbeiten wir mit einer digitalen Projektion eines Globus auf einer Kugel. Dort können Sie auf verschiedene Regionen tippen und so etwas über das Deutsche in Brasilien, Südtirol oder Ost-Belgien erfahren. In allen Bereichen wird es solche Exponate geben.

Schoppa-Briele: Gerade die Sprachwelt Technologie und deutsche Sprache ist ja mit Blick auf ChatGPT aktuell besonders interessant. Dort sollen Besucherinnen und Besucher mit einer Künstlichen Intelligenz in Kontakt treten, die ihnen erklärt, wie Technologie Sprache verändert oder beeinflusst. Beim Thema Vielfalt der Sprache soll es abwechslungsreiches Audio-Material geben, bei dem zu hören ist, wie unterschiedlich die deutsche Sprache gebraucht wird. Es geht hier um Dialekte, aber auch um Akzente und Mehrsprachigkeit.

Als Sie 2020 die Forum-Pläne vorgestellt haben, da war ChatGPT noch weit entfernt. Möglicherweise müssen Sie Ihre Ausstellung bis zur geplanten Öffnung noch ein paar Mal umplanen …

Lobin: Das ist gewiss eine Gefahr, doch das haben wir natürlich im Blick. Die Ausstellung entwickeln wir zusammen mit einer erfahrenen Agentur aus Stuttgart, dem Atelier Brückner.

Die Dauerausstellung ist in den Etagen drei und zwei geplant. Was gibt’s in der ersten Etage?

Lobin: Dort gibt es etwas, das uns sehr wichtig ist: eine Sprachwerkstatt, in der die Besucherinnen und Besucher an Forschung selbst mitwirken können, indem sie eine eigene Sprachprobe hinterlassen – in gesprochener Weise, als Text oder aus Chats, die sie auf dem Handy haben. Diese Sprachproben sind für die Forschung unheimlich wichtig. Das alles soll sehr transparent geschehen, und Bürgerinnen und Bürger sind eingeladen, sich in Citizen-Science-Projekten auch aktiv in den Forschungsprozess einzubringen. Wir wollen auf diese Weise Vertrauen und Verständnis für die Sprachforschung aufbauen und gemeinsam mit Interessierten neue Forschungsfragen entwickeln und bearbeiten. Dies tun wir übrigens bereits im Kooperationsprojekt die Sprach-Checker, wo Kinder und Jugendliche aus der Neckarstadt-West gemeinsam mit Sprachforschenden des IDS die Mehrsprachigkeit in ihrem Quartier entdecken, erforschen und dokumentieren.

Wir wollen ein Museum für alle sein
Elena Schoppa-Briele Forum Deutsche Sprache

Die Konzeption eines Museums ist immer eine Gratwanderung: Will man viele Besucher anlocken, darf man nicht zu speziell werden. Aber als Wissenschaftler will man natürlich auch nicht im Banalen bleiben. Wie lösen Sie das?

Lobin: Unser Anspruch in der Ausstellung ist, dass wir wissenschaftlich fundiert Sachverhalte darstellen, aber nicht in einem wissenschaftlichen Ton. Es müssen alle, die ganze Öffentlichkeit, verstehen können.

Schoppa-Briele: Wir wollen in der Ansprache so sein, dass jede Person, die ins Haus kommt, von dem vielfältigen Angebot profitieren kann. Wir wollen ein Museum für alle sein.

Also eine Ausstellung wie die Klimaarena in Sinsheim oder die Experimenta in Heilbronn – nur mit dem Thema deutsche Sprache?

Schoppa-Briele: Der Klimaarena-Vergleich hinkt insofern, weil wir ja noch die Möglichkeit der Interaktion in der Sprachwerkstatt haben. Es gibt aber schon gewisse Parallelen, etwa die Möglichkeit, Dinge mit nach Hause zu nehmen. Dieser Ansatz ist komplett neu, und wir haben ihn auch nicht in den wenigen anderen Sprachmuseen weltweit gefunden. Dennoch waren die Besuche bei Planet Word in Washington, bei der Cité internationale de la langue française nördlich von Paris, bei der Grimmwelt in Kassel und im Wortreich in Bad Hersfeld natürlich sehr inspirierend für uns.

Die wichtigste Frage für viele Besucher: Wird Ihre Ausstellung Eintritt kosten? Und wenn ja: wie viel?

Lobin: Wir müssen noch kalkulieren, wie hoch der Eintritt für die Dauerausstellung genau sein wird. Das werden jetzt aber keine 20 Euro, sondern eher 7,50 Euro. Wir müssen auf diese Weise dafür sorgen, dass wir den Betrieb finanziert bekommen. Wir wollen auch Sponsoren finden. Unser Ziel ist, Eintrittspreise für Kinder und Jugendliche weiter zu reduzieren oder auf null zu setzen.

Wie hoch ist Ihr Budget für den laufenden Betrieb?

Lobin: Das Budget setzt sich aus mehreren Komponenten zusammen. Über unsere Bund-Länder-Finanzierung wird unser Etat bereits jetzt Schritt für Schritt um eine Million Euro pro Jahr erhöht. Hinzu werden der Bauunterhalt des Landes kommen und die Einnahmen aus Tickets und Veranstaltungen. Intern wird es zudem Verlagerungen geben, da wir wegen der im Gebäude ganz oben vorgesehenen Büroräume zukünftig auf eine Anmietung in der Augustanlage verzichten können, die wir gegenwärtig noch haben. Insgesamt ergibt sich ein auskömmlicher Etat für das, was wir vorhaben, wie uns schon bei der Masterplanung für das Projekt vor fünf Jahren bestätigt worden ist.

In der Öffentlichkeit ist das Forum manchmal fälschlicherweise für das Ende des beliebten Freizeitprojekts Alter verantwortlich gemacht worden. Dabei war von vornherein klar, dass es Alter an dieser Stelle nur vorübergehend gibt. Sehen Sie Ihr Projekt zu Unrecht in Missgunst gezogen?

Lobin: Ich glaube nicht, dass in der Breite der Wahrnehmung in Mannheim das Forum negativ gesehen wird. Da kommen ganz andere Signale bei uns an. Für uns war es bei den Gesprächen mit der Stadt Mannheim über die Nutzung dieses Grundstücks vom ersten Moment an eine Grundüberzeugung, dass wir nur dann an den Alten Meßplatz gehen, wenn auch für Alter eine dauerhafte Lösung gefunden wird. Im entsprechenden Gemeinderatsbeschluss von 2020 ist das auch genau so enthalten. Das Grundstück im Westen bekommt das Forum, und der Verein Pow kann die Fläche im östlichen Bereich an der Kurpfalzbrücke bespielen.

Um die Neugestaltung der Platzmitte des südlichen Teils des Alten Meßplatzes kümmert sich die Stadt. Sie hat dafür 2022 einen Bürgerbeteiligungsprozess gestartet, am 2. März ist dazu der nächste Workshop geplant. Wie wünschen Sie sich den Platz?

Schoppa-Briele: Die schönste Vorstellung wäre für mich, dass der Platz belebt ist, mit unterschiedlichen Menschen, die Lust haben, bei uns reinzuschauen und die vielleicht auf einer schönen Treppe sitzen und auf den Neckar schauen können.

Redaktion Stellvertr. Leiter der Lokalredaktion Mannheim

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