Mannheim. Eigentlich ist die Radfahrerin mit langem Zopf und Helm schon an der Kontrolle vorbei, wartet noch auf grünes Licht an der Ampel zur Auffahrt auf die Friedrich-Ebert-Brücke. Da spricht sie doch ein Polizist an: An ihrem Mountainbike fehlen leider die Reflektoren - und das kostet. „Das ist das erste Mal in zehn Jahren, dass ich kontrolliert werde“, sagt die Mannheimerin gelassen und zückt ihre EC-Karte. Denn praktischerweise haben die Experten und Expertinnen von der Verkehrspolizei bei ihren Schwerpunktkontrollen neben aufklärenden Gesprächen und Verwarnungen auch ein mobiles Kartenlesegerät fürs Bußgeld dabei.
Zehn Beamte kontrollieren Verhalten und technische Veränderungen
Tatsächlich ist die Radfahrerin nur eine von wenigen, die bei den Kontrollen an gleich vier Stellen rund um die Friedrich-Ebert-Brücke an diesem Mittwochmorgen angehalten wird. Seit sieben Uhr werfen die Verkehrspolizisten vom Polizeipräsidium (PP) Mannheim einen genauen Blick auf die unzähligen Berufspendler, die per Lastenrad, E-Scooter, per Pedelec oder mit dem Rennrad unterwegs zur Arbeit sind. „Wir sind mit zehn Beamten im Einsatz und prüfen dabei das Verhalten der Fahrenden, aber auch technische Veränderungen am Rad“, erklärt Einsatzleiter Michael Schwenk von der Verkehrspolizei.
Getunte Motorteile sind häufig - und gut versteckt
Mit dabei ist die Prävention des PP Mannheim und zeigt, welche Schlösser und Helme am sichersten sind. Gerade bei so genannten Pedelecs komme es oft vor, dass Nutzende mit einem kleinen Chip den elektrischen Motor austricksen - und damit das automatische Ausschalten verhindern. So können die Räder schneller als 25 km/h fahren - was andere gefährdet. Die getunten Motorteile sind laut Schwenk oft gut versteckt. Fällt so ein aufgemotztes Teil den Polizisten in die Hände, wird das Rad beschlagnahmt und untersucht. Denn das technische Verändern ist eine Straftat.
E-Bike oder Pedelec?
- Beide Begriffe werden umgangssprachlich selten klar getrennt. Was sie laut ADAC unterscheidet:
- Pedelecs sind Fahrräder mit elektrischer Tretunterstützung. Sind sie bis zu 25 km/h schnell, werden sie als Fahrräder behandelt. Dafür braucht es keinen Führerschein, es gibt kein Mindestalter. Es besteht keine Helmpflicht. Erreicht das E-Fahrrad die 25 km/h, setzt der Hilfsmotor aus. Eine Schiebehilfe bis 6 km/h ist zulässig.
- S-Pedelecs können bis zu 45 km/h schnell fahren und gelten als Kleinkraftrad. Sie brauchen ein Nummernschild und müssen versichert sein. Führerschein der Klasse AM und Helm sind Pflicht, es darf nur auf der Fahrbahn gefahren werden. In Baden-Württemberg sind einzelnen Radwege freigegeben, ansonsten gilt: Radwege sind tabu.
- E-Bikes: Hier muss niemand strampeln, der elektrische Motor beschleunigt ohne Tretkraft. Sind sie bis zu 25 km/h schnell, gelten sie rechtlich als Mofas und brauchen Versicherungskennzeichen und Führerschein, es gilt Helmpflicht. Außenorts darf auf Radwegen gefahren werden. Innerorts nur auf markierten Radwegen.
- E-Bikes, die bis zu 45 km/h schnell sind, gelten als Kleinkraftrad und brauchen eine Fahrerlaubnis der Klasse AM sowie ein Kennzeichen. Radwege sind überall tabu, Fahren ist nur auf der Fahrbahn erlaubt. lia
Woran die Beamten sehen, welches Pedelec getunt wurde? „Wir haben einen Rollenprüfstand dabei, der ähnelt einem Hometrainer. Damit lassen sich die Leistung und die Geschwindigkeit des Rads checken“, erklärt Alexander Grun. Er ist auch Mitglied der Ermittlungsgruppe Poser - und kennt sich mit manipulierten und aufgemotzten Fahrzeugen bestens aus. Ihm und seinen Kollegen ist nach einer Stunde Kontrolle am Unteren Luisenpark noch kein illegales Modell aufgefallen. Vielmehr sind es Rotlichtverstöße oder fehlendes Licht und Reflektoren, die Grund zum Anhalten geben.
Großteil der Verkehrsteilnehmer mit korrekter Ausstattung
Was an dieser Stelle, unweit vom Theresienkrankenhaus, häufig vorkommt. Denn hier gibt es gleich zwei Ampeln, eine für Fußgänger und eine für Radfahrer. Wer als Radler das grüne Fußgängerlicht nutzt und dabei das Rotlicht für Fahrräder ignoriert, riskiert ein saftiges Bußgeld von 100 Euro und einem Punkt in der Verkehrssünderdatei in Flensburg. Schließlich dient die Radampel dazu, den Querverkehr von der anderen Straßenseite zu regeln.
Weil hier öfters Unfälle passieren, haben sich die Beamten genau hier positioniert. Genau das erklären Schwenk und seine Kollegen auch immer wieder den überraschten Fahrenden. Während die meisten Verständnis zeigen für die Kontrollen, erklärt ein Berufspendler beim Warten an der Ampel: „Bei den meisten Unfällen mit Fahrradfahrern liegt es oft an den Autos. Die sollten man viel stärker kontrollieren“, findet der Mann mit Helm. Das Licht am Fahrrad erst im Dunkeln zu kontrollieren, hält er außerdem für sinnvoller als tagsüber.
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Tatsächlich schreibt die Straßenverkehrsordnung ein festinstalliertes Licht am Fahrrad vor, egal zu welcher Tageszeit. Eine abnehmbare Lampe, die man im Rucksack dabei hat, lassen die Beamten aber durchgehen. Anders ist es bei Reflektoren: Die müssen entweder in den Speichen des Rads angebracht oder auf den Reifen selbst gedruckt sein. Hauptsache, die Räder sind von der Seite sichtbar. Der Großteil der Vorbeiflitzenden auf zwei Rädern ist an diesem kalten, aber sonnigen Morgen korrekt ausgestattet: Licht, Klingel, Reflektoren und Helm sind hier Grundausstattung.
Kopfhörer sind nicht generell verboten, Musik hören kann aber teuer werden
Manche tragen auch Kopfhörer - was doch verboten ist, oder? „Das stimmt nicht ganz. Solange man den Verkehr und seine Umgebung gut hören kann, ist das Tragen von Kopfhörern erlaubt“, sagt Einsatzleiter Schwenk. Nur wer einen Unfall baut und dabei laut Musik hört, für den könnte es teuer werden. Ähnlich heikel wird es auch bei Pedelecs, die schneller fahren als erlaubt.
Denn solche Spielereien am Motor werden nicht nur für die Fahrer teuer, sondern sind auch fatal für Unfallopfer, erklärt Verkehrspolizist Grun, während er mit prüfendem Blick die stetig vorbeisausenden Radfahrenden mustert. Denn alles, was schneller fahre als 25 km/h, sei versicherungspflichtig.
In einem Fall habe sich ein Rad sogar auf bis zu 90 km/h beschleunigen lassen, erinnert sich Grun. Im Schadensfall zahlt außerdem auch die Haftpflichtversicherung nicht, was im Umkehrschluss bedeutet: Opfer werden nicht ausreichend entschädigt. Ein weiteres Risiko: Oftmals sind die Bremsen von günstigen Modellen nicht für die ungedrosselte Geschwindigkeit ausgelegt und versagen im schlimmsten Fall. „Je schneller man fährt, desto größer sind die Verletzungen“, sagt der Verkehrspolizist.
Jeder könnte ein Tuner sein
Wer also sind diese Tuner, die den Geschwindigkeitsrausch auf zwei Rädern suchen? „Da gibt es keine Personengruppe, das kann jeder und jede sein, auch Senioren“, sagt Einsatzleiter Schwenk. Mit seinem Team wird er in dieser Woche noch weitere Kontrollstellen errichten. Wo genau, das verrät der Verkehrspolizist natürlich nicht. Fahrradhotspots seien in Mannheim die Kunststraße, die Fressgasse und der gesamte Ring um die Quadrate sowie Oststadt und Lindenhof.
Unterwegs sind die Beamten aber nicht nur zur Rushhour beim Berufsverkehr frühmorgens, sondern auch zur Mittagspausenzeit oder zum Feierabendverkehr. Das genaue Konzept muss aus taktischen Gründen selbstverständlich geheim bleiben.
35 Verstöße bei 45 Kontrollen festgestellt
Die Bilanz nach knapp zwei Stunden Kontrolle an der Brücke? 45 Fahrräder und neun Pedelecs wurden kontrolliert, dabei 18 Verstöße wegen fehlendem Licht festgestellt. Sechs Fahrräder hatten keine Klingel angebracht, sechs Fahrer waren verbotenerweise auf der entgegengesetzten Fahrtrichtung unterwegs. Lediglich fünf fuhren über rote Ampeln. Um die Zahl der Kontrollierten ins richtige Licht zu rücken, lohnt sich ein Blick auf die Fahrradsäule auf der Brücke. Um kurz vor 9 Uhr sind dort auf nur einer Seite schon mehr als 760 vorbeigefahren.
Grünes Licht gibt es am Ende für die Radfahrerin ohne Reflektoren. Ein kurzes Warten, dann ist das Verwarngeld von 20 Euro per EC-Karte bezahlt. Was sie zur Kontrolle sagt? „Ist verständlich, aber neue Reflektoren kaufe ich mir erstmal nicht.“ Einsichtiger zeigt sich eine zweite Radlerin, die auch auf dem Weg zur Arbeit ist. Sie kann nicht mit Karte bezahlen, sondern lässt sich die Verwarnung samt Zahlungsaufforderung per Post schicken. „Ich fahre seit 30 Jahren Rad und hab’ mich schon gefragt, ob das Pflicht ist“, sagt die Lehrerin ehrlich, bevor sie weiter zur Schule fährt.
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