Hintergrund

Warum Krankenschwester Isabell Belser Oberbürgermeisterin von Mannheim werden will

Kleine Partei, große Überraschung: Die Mannheimer Linke unterstützt die Mannheimer Krankenschwester Isabell Belser als OB-Kandidatin. Wer ist die Frau und was sind ihre Ziele?

Von 
Lea Seethaler
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Die 47-jährige Krankenschwester Isabell Belser aus Mannheim ist die unabhängige Kandidatin für die Oberbürgermeisterwahl, die von der hiesigen Linken unterstützt wird. © Lea Seethaler

Wie ihre Chance steht, Oberbürgermeisterin zu werden, weiß die unabhängige Kandidatin Isabell Belser, die von der Linken unterstützt wird, ganz genau. Doch ihr geht es um „ein Signal, ein Zeichen“, sagt sie im Gespräch mit dem „MM“, nach dem sie auf dem Neujahrsempfang der Linken als OB-Kandidatin vorgestellt wurde.

Auch die Mannheimer Partei weiß ganz genau, um welches (taktische) Zeichen es geht. Und hat daher Luigi Pantisano, Stuttgarter Stadtrat und Ex-OB-Kandidat in Konstanz, geladen. Der Linke erreichte dort einst 45 Prozent der Stimmen und unterlag am Ende nur knapp dem CDU-Amtsinhaber.

„Mitten aus dem Leben“

Pantisano macht gleich zu Beginn seiner Rede klar, was Sache ist. Er fängt an, männliche Vornamen aufzuzählen, sagt, er habe ein Rätsel mitgebracht: „Johann, Valentin, Heinrich, Ludwig, Friedrich, Heinrich, Ludwig, Eduard (...) und Peter“, liest er vor. Auf die Frage nach Gemeinsamkeiten schreit es aus dem Publikum: „Männlich und weiß!“, „Bürgermeister!“ Pantisano bejaht und sagt: „Aber ich finde, dass es an der Zeit ist, eine Oberbürgermeisterin zu haben, die für die Vielfalt der Stadt Mannheim steht!“

Die Linke spielt die Vielfaltskarte

Mit Isabell Belser spielt die Mannheimer Linke die Vielfaltskarte. Dass der Wahlkampf mehr als eröffnet ist, wird klar, als Pantisano nachlegt: Die Zeit sei reif für Menschen im OB-Amt, „die bei der Wohnungssuche benachteiligt werden, weil sie nicht Thorsten oder Christian heißen, weil sie People of Color oder Schwarz“ oder „alleinerziehende Frau“ seien. Die nächste OB solle „mitten aus dem Leben der Stadt Mannheim kommen“, sagt er. Belser, die politisch recht unerfahren ist und über keine Verwaltungserfahrung verfügt, macht derweil mehrfach klar, dass ihre Beweggründe auch persönlicher Natur seien.

Forderungen in der Ich-Form und unkonkret bei Lösungsvorschlägen

Wahlforderungen fängt sie meist in der Ich-Form an. Sagt etwa, sie suche seit drei Jahren eine Wohnung, finde aber keine bezahlbare. Spricht weiter über sich als alleinerziehende Mutter einer Tochter. Als gelernte Altenpflegerin und Krankenschwester im Schichtdienst im systemrelevanten Beruf im Klinikum Ludwigshafen. Und legt damit ebenfalls den Finger in die Wunden, in die kritischen Themen dieser Zeit. Belser ist dabei in den Forderungen laut - aber bei den Lösungsansätzen eher still. Etwa was die Finanzierung ihrer Ideen angeht. Bei all ihren Themen bleibt sie beim Neujahrsempfang hinsichtlich Durchführung oder verantwortlicher politischer Ebene unkonkret oder vage.

Stets eigene Erfahrung dabei

Familienbonus, Mietzuschüsse, besseres Kita-Essen, kostenlose Kitas, bessere Bildung, Luftfilter für alle Schulen (für kommende Covid- oder Erkältungswellen) - Belser benennt all diese Punkte. Stets mit ihren eigenen Erfahrungen. Auch die Situation in der Pflege, Erzieher- oder dortiger Personalmangel sind ihr ein Dorn im Auge. Sie will zudem mehr Sozialwohnungen und die Situation Obdachloser und Armer verbessern. Weiter ist sie bei den klassischen (Mannheimer) Themen, die auf der linke(re)n Agenda angesiedelt sind: „Ich als Mutter wünsche mir hier mehr Grün“, sagt sie und schweift weiter zum Thema Parkplätze. Leitet über zu „öfter mal das Fahrrad nehmen“, „autofreie Flächen“ und gleitet somit auch in andere politsche Gefilde. Auch Vertreter der Mannheimer Grünen haben im Übrigen an diesem Tag im Saal zum Neujahrsempfang Platz genommen.

Fuhrmann: "Kohle baggern wir nur bei Reichen ab"

Die 47-jährige wird dann in Redebeiträgen von MdB Gökay Akbulut, von LI.PAR.Tie.-Fraktionschef Dennis Ulas, Andreas Parmentier von der Tierschutzpartei und Kreissprecherin Isabell Fuhrmann im Namen der Partei unterstützt. Fuhrmann fügt, nachdem Akbulut noch über ihre Arbeit als parlamentarische Beobachterin in Lützerath gesprochen hat, süffisant an: „Kohle wollen wir nur bei den Reichen abbaggern, ansonsten bleibt sie im Boden!“

Kritische Stimmen

Dass der Jubel in der von einigen Auseinandersetzungen geplagten Partei nicht von allen Seiten Belser und ihrer Nominierung gilt, ist bei Stimmen am Rande der Veranstaltung rauszuhören. Zu Belsers politischer Erfahrung teilt die Partei indes mit, dass sie seit 2017 bei der hiesigen Linken organisiert sei, seit 2019 Mitglied im Kreisvorstand und auch auf Landesebene in der Linken aktiv ist. Seit 2021 engagiere sich Belser zudem als ehrenamtliche Richterin.

Pantisano in Stuttgart: OB-Wahlkampf auf Dating-App Tinder

Die Mannheimerin und Fachwirtin im Gesundheits- und Sozialwesen wurde in Neckarau geboren, ist auf dem Lindenhof und in den Quadraten aufgewachsen. Dort wohnt sie auch aktuell. Als OB-Kandidatin strebt Belser ein Bündnis mit Parteien, Organisationen und Einzelpersonen an. Gespräche dazu laufen, und sie lädt „alle herzlich dazu ein, die Unterstützung für ihre Kandidatur zu erklären“.

An diesem Abend wird einmal mehr klar: Die Linke will mit ihrer Kandidatin den Wahlkampf kreativ und gezielt aufmischen. Pantisano macht Belser Mut auf „unkonventionellen Wahlkampf“, erklärt, wie er damals auf der Datingapp Tinder („Man sagte mir, da wird eigentlich keine Politik gemacht“) warb und dort die Menschen erreichte. Menschen erreichen, das wird auch bei dieser Wahl ein entscheidender Faktor sein.

Redaktion Redakteurin und Online-Koordinatorin der Mannheimer Lokalredaktion

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