Bildung - Schulen stecken bei Lernlücken-Nachhilfeprogramm in den Vorbereitungen / Rektorinnen hoffen auf baldigen Start

Warum das Nachhilfeprogramm "Rückenwind" in Mannheim noch keine Lernlücken schließt

Von 
Bertram Bähr
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Die Corona-bedingten Lernlücken sind bei Schülerinnen und Schülern groß. Das Nachhilfeprogramm „Rückenwind“ soll dazu beitragen, diese Lücken zu schließen. © dpa

Mannheim. Grundsätzlich eine gute Sache: So urteilen die meisten Beteiligten, wenn sie über das Landesprogramm „Lernen mit Rückenwind“ sprechen. Aber: Bei der Umsetzung – auch da sind sich fast alle einig – hapert es. Eigentlich hätten die ersten Förderstunden, mit denen Schülerinnen und Schüler pandemiebedingte Lernlücken schließen sollen, direkt nach den Herbstferien beginnen sollen. Doch gut zwei Wochen danach „läuft noch nichts, und zwar nicht nur an unserer Schule“, bedauert Kepler-Rektorin Angela Speicher.

Die geschäftsführende Leiterin der Mannheimer Grundschulen spricht damit ein Problem an, vor dem die meisten ihrer Kolleginnen und Kollegen stehen: Ohne Vertrag dürfe man die Kräfte, die in den kommenden gut eineinhalb Jahren für Fördermaßnahmen eingesetzt werden sollen, „nicht arbeiten lassen“. Und bis die Verträge durch die Mühlen der Landesbürokratie gegangen sind, dauert es.

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Davon kann Monika Müller ein Lied singen. Seit sechs Jahren arbeitet die Rentnerin an der Almenhofschule mit – unter anderem als Mediatorin und Lesepatin. Als das Land das Rückenwind-Programm bekanntgab, hatte die 72-Jährige deshalb „große Lust“, an ihrer bisherigen Wirkungsstätte mit einzusteigen. Aber seitenweise Formulare ausfüllen, Zeugnisse beglaubigen lassen und einiges mehr? „Das hat mich echt aufgeregt. Wenn ich nicht solch eine Freude bei meinem Engagement an der Schule hätte, ich hätte den ganzen Kram hingeschmissen.“

Dass sie das nicht getan hat, freut Rektorin Annette Diekmann-Sauer sehr. Ihr war zunächst nicht klar, „dass das solch ein Bürokratismus ist für die Helfer“ und „alles so lange dauert“. Dass es auch zum Schutz der Schüler ohne bestimmte Vorgaben wie etwa ein polizeiliches Führungszeugnis nicht gehe, sei zwar nachvollziehbar. Aber gerade „Menschen, die schon seit vielen Jahren unsere Schule unterstützen, kann man schon vertrauen“.

„Lernen mit Rückenwind“

Das Landesprogramm „Lernen mit Rückenwind“ soll bis zum Ende des Schuljahres 2022/23 laufen, also knapp zwei Jahre.

Die Schulen organisieren ihr eigenes Förderangebot, Schwerpunkte sind Mathematik und Deutsch. Sie können auf eigene Lehrkräfte zurückgreifen, die zu Mehrarbeit bereit sind, mit externen Helfern oder Partnern wie der Abendakademie zusammenarbeiten oder Bildungsgutscheine vergeben, etwa für Nachhilfeinstitute.

Die Teilnahme an den Förderkursen ist für die Schüler freiwillig. Viele Schulen setzen deshalb auf Differenzierungsangebote, die in den regulären Unterricht integriert werden oder beim Ganztag als individuelle Lernzeit eingeplant werden können.

Abendakademie stark beteiligt

Deshalb freut sich die Rektorin, dass das für die Verträge zuständige Regierungspräsidium sich „sehr um einen unkomplizierten Weg bemüht“ und das direkte Gespräch mit den Beteiligten suche. Mit einem Start des Programms an der Almenhofschule rechnet Diekmann-Sauer Anfang Dezember. Sehr zugute kam ihr, dass sie „auf ein Netzwerk von Helfern“ zurückgreifen konnte. Sich Kräfte über die Bewerbungsplattform des Landes zusammenzusuchen, „hätte mich sehr gestresst“.

So sieht es auch Monika Walz-Kurz, Leiterin der Waldhof-Grundschule. Sie „hätte nicht gewusst, wie wir das organisieren sollen“, wenn sie nicht die Abendakademie Mannheim mit ins Boot geholt hätte. Mit ihr hat die Schule einen Kooperationsvertrag. Und ist damit bei weitem nicht die einzige. Derzeit, berichtet Monika Simikin, sei man stadtweit mit rund 20 Schulen im Gespräch. Weitere kämen wohl noch dazu, teilt die Programmbereichsleiterin für Schulen und Bildungsprojekte an der Abendakademie mit.

Die bisherigen Kooperationen mit den Schulen hätten die Suche nach Personal für das Förderprogramm erleichtert, rund 40 Personen stehen derzeit bereit, „mit Tendenz nach oben“. Aber wegen des hohen Bedarfs an Helfern „freuen wir uns über jede Lehrkraft, die sich zusätzlich bei uns meldet“. Die Abendakademie führt mit den Interessierten Gespräche und prüft die Voraussetzungen, „meist ein entsprechendes Studium und Erfahrung mit der Zielgruppe“.

Einige der Kräfte, die dann an die Schulen gehen, sind bereits bekannt, andere nicht. „Wir wissen nicht, welche Kräfte kommen“, sagt Andreas Baudisch, Rektor der Humboldt-Grundschule. Für die regulären Lehrkräfte bedeute das: Zeitbedarf zum Einarbeiten der Neuen. „Die Leute müssen passen“, ergänzt sein Kollege von der Humboldt-Werkrealschule, Harald Leber. Auch Angela Speicher ist gespannt darauf, wie sich die externen Kräfte einbinden lassen: „Dazu muss ich erst mal hören, wer kommt.“

Anfrage im Landtag

Dass der Organisationsaufwand für die Rektoren enorm hoch ist, bestreitet niemand. Aber wie hoch? Das wollte der SPD-Landtagsabgeordnete Stefan Fulst-Blei von der Landesregierung wissen. Die hält sich bedeckt, detailliert lasse sich das nicht auflisten. „Es ist auf jeder Ebene viel Arbeit, unbenommen“, betont Sabine Hamann, „Rückenwind“-Koordinatorin beim Staatlichen Schulamt. Aber: „Je mehr ich mich damit beschäftige, desto überzeugter bin ich“, alle Ebenen seien bemüht, „gute Strukturen zu legen“.

„Ja, es gibt Kritik. Und ja, es ist viel Arbeit. Aber wenn am Ende was Gutes rauskommt, sind wir alle froh“, blickt Annette Diekmann-Sauer nach vorne. Dass „Rückenwind“ trotz aller Hürden „eine tolle Sache für die Kinder“ sei, meint auch Monika Walz-Kurz. Und Angela Speicher findet, wenn das Programm erst mal „läuft, kann es gut werden. Ich hoffe, dass es bald losgeht.“

Redaktion Reporter in der Lokalredaktion Mannheim. Schwerpunkte: Schulen und Kitas

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