Von Mannheim über Italien nach Griechenland

Warum das Jugendsinfonieorchester Mannheim in dem griechischen Dorf Elliniki auftritt

Das Jugendsinfonieorchester Mannheim (JSOM) plant in diesem Jahr eine Sommertour mit einem besonderen Begleiter. Gemeinsam mit "Café-Prag"-Betreiber Adonis Malamos reisen sie unter anderem in dessen Heimatdorf Elliniko

Von 
Angela Boll
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Wenn Dirigent Jan-Paul Reinke und Café-Betreiber Adonis Malamos ihre Geschichte erzählen, fühlt es sich an, als ob sie vor sich ein Puzzle zusammensetzten. Seit Monaten schon reiften ihre Gedanken, Stück für Stück fügte sich eine Idee an die andere. Startpunkt und erstes Puzzleteil war das „Café Prag“ bei der Musikschule in den C-Quadraten.

Adonis Malamos ist Betreiber und Gesicht des „Café Prag“. Wie das Puzzle am Ende aussehen soll, hat er sich längst ausgemalt: Er sieht die untergehende Sonne in seinem griechischen Heimatdorf Elliniko und das Jugendsinfonieorchester Mannheim (JSOM), wie es am Fuße des Berges Tzoumerka ein Konzert gibt. „Das wird sehr emotional“, malt er sich beim Gedanken daran aus. Er erzählt davon hinter seiner dampfenden Kaffeemaschine. Dort, wo man den Griechen eher selten tief berührt erlebt. An diesem Morgen ist das anders. Spürbar geht das Thema Mannheims Kaffeehaus-Legende ans Herz. „Die ganze Geschichte ist ein Geschenk“, betont er, und man glaubt, eine dezente Gänsehaut zu bemerken.

Zurück zu den Puzzleteilen und zu Jan-Paul Reinke, der auf dem Barhocker sitzt. Er leitet das JSOM und gehört zu den Stammgästen des „Café Prag“. Kein Wunder, denn nur ein Stockwerk über der Theke unterrichtet er seine jugendlichen Musiktalente. Dass er Cappuccino trinkt, muss er im „Café Prag“ nicht mehr erwähnen, auch nicht, als Adonis Malamos an diesem Morgen tief emotional in der Ferne schwelgt.

Auf den ersten Blick verbindet die beiden nichts. Malamos ist Grieche, 58 Jahre alt, leidenschaftlicher Fotograf und gerne auf Reisen. Sein Vater und sein Großvater haben schon Cafés betrieben, Adonis aber wollte reisen, dabei landete er irgendwann in Mannheim und blieb. „Es waren Frauen im Spiel“, antwortet er knapp auf das Warum. 1995 eröffnete er das „Café Riz“, das er später an Mahmut Touran abgab, seit 2002 serviert er im „Prag“. Jan-Paul Reinke, 36 Jahre alt, lässt sich wenig von Kaffee oder Frauen leiten, seine Leidenschaft ist die Musik. Er wuchs in Mannheim auf, machte Abi auf der Waldorfschule und ging dann zum Studium nach Köln. Musikpädagogik und Orchesterleitung stand auf dem Programm, zurück nach Mannheim lockte ihn ein ehemaliger Lehrer, der ihm erzählte, dass die Musikschule einen Leiter für das JSOM suche. Seit 2016 arbeiten Malamos und Reinke jetzt schon im selben Gebäude und lernten sich mit jedem Cappuccino etwas näher kennen. Reinke erzählte immer häufiger von seinem Orchester, von den Touren nach Australien, Holland und Frankreich, und Malamos hörte zu, staunte, dass die Truppe den Deutschen Jugendorchesterpreis abräumte, und wurde plötzlich hellhörig, als Reinke Italien und vor allem Griechenland anpeilte.

„Wir brauchen Fördergelder für unsere Reisen“ erklärt Reinke, der die 75 jungen Musizierenden zwischen 13 und 22 Jahren zur Hochform dirigiert. Durch eine Kooperation mit dem deutsch-griechischen Jugendwerk sicherte er den Zuschuss und die Begegnung mit dem Underground Youth Orchestra aus Athen. Schon länger hatte es die Verbindung nach Florenz gegeben, und so fügten sich die ersten Puzzleteile für die Fahrt nach Italien und Griechenland zusammen - und Malamos spürte den Drang, Teil des Ganzen werden zu wollen. Lange genug hatte er in Athen gewohnt, bot an, der Musikschule beratend zur Seite zu stehen. „Und dann hat sich das immer weiterentwickelt“, berichtet Reinke beim bereits zweiten Cappuccino. Malamos habe ihm von seinem Heimatdorf Elliniko erzählt. Dabei fiel Reinke auf, dass er regelmäßig nur drei Kilometer von dort entfernt Urlaub mit seinen Kumpels gemacht hatte. Und dann blitzte plötzlich bei Beiden dieses Bild auf: das JSOM auf dem malerischen Marktplatz eines bis dato kaum beachteten griechischen Dorfes.

Aber wo sollten die Musikerinnen und Musiker schlafen? Wie könnten sie sich versorgen? Man möchte an dieser Stelle nicht mit Vorurteilen spielen, aber es darf mit dem Einverständnis der Familie Malamos geschrieben werden, dass im Dorf alle irgendwie miteinander verwandt sind. Eben auch mit Adonis Malamos, der dann plötzlich nicht mehr nur die Kaffeemaschine auf Tour brachte, sondern seine Heimat aufheizte. So erfuhr er, dass im einst verlassenen Nachbardorf kürzlich - einsam, allein und völlig verrückt - ein Hotel eröffnet hatte. Kein touristischer Bunker.

Steinhaus an Steinhaus reiht sich hier nun aneinander, offen für Firmentagungen, Familienfeiern oder für Freunde der Abgeschiedenheit. Oder eben für ein Jugendsinfonieorchester. Und während Jan-Paul Reinke in Mannheim damit begann, griechische Volkslieder einzustudieren, stimmte Kostas, der Bruder von Adonis Malamos, die Bürger Ellinikos auf das Orchester ein. Mittlerweile steht fest: Kostas Malamos wird für Speis und Trank sorgen und die Einwohner zum Auftischen dirigieren. Was für ein Auftritt. Für Mannheim. Für Elliniko. Für das Jugendsinfonieorchester. Für Jan-Paul Reinke. Und für Adonis und Kostas Malamos.

Der „Mannheimer Morgen“ begleitet die Truppe. Auf den sozialen Netzwerken geht die Redaktion mit auf die Reise durch Italien und Griechenland. Adonis Malamos stellt seine Fotos zur Verfügung, er hält fest, wenn am Freitagmorgen um 5 Uhr vor seinem Café 75 Instrumente vom Schlagzeug bis zur Oboe in die beiden Reisebusse verfrachtet und am 11. August wieder ausgepackt werden. Und natürlich wird er seine Stammgäste und die Kurpfalz über den Instagram-Kanal des „Mannheimer Morgen“ auch an einem seiner wohl emotionalsten Ereignisse teilhaben lassen.

Und es gibt vielleicht dieses Bild, das fertige Puzzle, den Moment!

Die Route der Sommertour

Am Freitagmorgen um 5 Uhr geht’s los für die 75 Mitglieder des Jugend Symphonie Orchesters. In den Reisebussen werden außerdem vier Elternteile, drei Lehrer der Musikschule, Jan-Paul Reinke und Adonis Malamos Platz nehmen.

Das erste Konzert findet am Samstag, 30. Juli, in Florenz auf der Piazza della Signoria statt.

Schon einen Tag später am Sonntag, 31. Juli, tritt das Orchester in Mercatello sul Metauro auf.

Am Freitag, 5. August, stehen die Mannheimer in Athen beim Rhamatia-Festival auf der Bühne – gemeinsam mit dem Underground Youth Orchestra.

Am Montag, 8. August, ist ein Konzert in Ioannina geplant und ganz zum Schluss, am Mittwoch, 10. August, steht Elliniko auf dem Programm. abo

Redaktion Lokalredakteurin, Gerichtsreporterin, Crime-Podcast "Verbrechen im Quadrat"

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