Lesung

Warnung vor Loverboys an Schulen

Buchautorin schildert die wahre Geschichte einer Zwangsprostituierten

Von 
Valerie Gerards
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Barbara Schmid liest im Mannheimer Lessing Gymnasium aus ihrem Buch „Schneewittchen und der böse König“. © Valerie Gerards

An mehreren Mannheimer Schulen hat die Autorin und Journalistin Barbara Schmid Lesungen aus ihrem Buch „Schneewittchen und der böse König“ gehalten, zu der Amalie, die Beratungsstelle für Frauen in der Prostitution, und die Abteilung Gleichstellung der Stadt Mannheim eingeladen hatten. Darin geht es um die wahre Geschichte von Katharina M., die als junge Frau von einem Loverboy in die Zwangsprostitution gebracht wurde. Ihre Erfahrungen hat sie der Autorin anvertraut und mit ihr zusammen das Buch veröffentlicht. Es ist eine Horrorgeschichte, die in der Mannheimer Lupinenstraße ihren Anfang nimmt.

Die Neuntklässler tuscheln und kichern noch ein bisschen, als Schmid mit ihrer Lesung beginnt. Als sie vom 8. September 2000 erzählt und den Mädchen und Jungen des Lessing Gymnasiums erklärt, was überhaupt ein Laufhaus ist. Und warum Katharina dorthin gekommen ist, um sich gemeinsam mit ihrer großen Liebe eine Zukunft aufzubauen. Die erste Nacht im Laufhaus in der Lupinengasse steht ihr bevor. „Wir brauchen das Geld, und so schlimm wird es schon nicht werden“, denkt die damals 17-jährige Abiturientin. Das wird es dann leider doch. 21 Freier werden es in der ersten Nacht, berichtet sie. Ihr Bauch und ihre Scheide tun ihr weh, trotz Schmerzsalbe und Gleitgel. Weinend zieht sie den Schlafanzug an, den ihre Mutter ihr zu Weihnachten geschenkt hatte. Ihr Zuhälter, der zu diesem Zeitpunkt noch ihre große Liebe ist, ruft an. Er will wissen, was sie verdient hat. Im Klassenzimmer ist es jetzt ganz still.

Elf Jahre lang im Bordell

„Wie war es möglich, dass solch ein Krimineller ein solches Mädchen in die Finger bekommt?“, fragt Schmid. Er, der Reitlehrer der Gymnasiastin, ist für viele Pferdemädchen ein Schwarm. Es gelingt ihm, dass Katharina sich in ihn verliebt, er treibt einen Keil zwischen sie und ihre Familie. Er wird bald zum einzigen Menschen, der sie versteht – die klassische Loverboy-Methode. Dann lockt er sie in die Prostitution, mit dem Ziel, von dem Geld einen eigenen Reitstall kaufen zu können. Jahr für Jahr hält er Katharina hin. Sie glaubt bis zum Schluss daran, auch als er beginnt, sie krankenhausreif zu schlagen.

Beratungsstelle Amalie

  • Die Beratungsstelle Amalie berät und unterstützt in Mannheim Frauen, die in der Prostitution tätig sind, und Frauen, die aussteigen möchten.
  • Sie wurde 2013 gegründet. In diesem Jahr feiert sie ihr zehnjähriges Bestehen.
  • Viele der Frauen befinden sich in prekären Armutssituationen.
  • Amalie bietet psychosoziale Beratung, Begleitung, medizinische Grundversorgung und Ausstiegshilfen an.
  • Die Beratungsstelle wird finanziert durch die Stadt Mannheim, das Ministerium für Soziales, Gesundheit und Integration Baden-Württemberg und das Diakonische Werk.
  • Weitere Infos unter www.amalie-mannheim.de und www.diakonie-mannheim.de

Katharina bleibt nicht in der Lupinengasse. Sie wird herumgereicht, arbeitet in verschiedenen Städten in Bordellen und Laufhäusern. „Wie eine Stadt auf die Idee kommt, so einem Mädchen eine Lizenz für ein Bordell zu geben, ist mir schleierhaft“, sagt die Journalistin, die sich dafür einsetzt, dass Sexkauf in Deutschland gesetzlich verboten wird, in einem Gespräch am Rande des Klassenzimmers. „Die selbstbestimmte Sexarbeiterin ist die Ausnahme. 90 bis 95 Prozent der Frauen machen es nicht freiwillig.“ Wie alle Frauen betäubt Katharina sich mit viel Alkohol. Sie hat das Bordell elf Jahre lang nicht verlassen, bis auf die dringendsten Amtsbesuche, Besuche beim Gynäkologen und im Krankenhaus.

Die Schüler wollen von Schmid wissen, wie sie Katharina kennengelernt hat und wie es dazu kam, dass die damalige Spiegeljournalistin das Buch mit ihr geschrieben hat. Was mit den anderen Frauen im Bordell ist. Ob die Namen in dem Buch echt sind. Ob die Vergangenheit des Täters bekannt sei, und was mit dem ganzen Geld passiert ist. „Das wüssten wir auch gern. Das Geld ist weg. Er hat nie ein Bankkonto gehabt oder Steuern gezahlt“, antwortet Schmid. Über die Vergangenheit des Täters sei aus der Gerichtsverhandlung bekannt, dass er immer von Frauen gelebt habe. Seine eigene Ehefrau habe er ebenfalls auf den Strich geschickt – und als diese zu alt wurde, habe er sich Katharina geschnappt.

Schmid liest vor, wie Katharina schließlich entkommen kann. Erst elf Jahre später ist sie frei. Und hat Gewalt von 25 000 Freiern erlitten. Ihr Zuhälter wird gefasst und verhaftet. Die Haftstrafe von neun Jahren hat er bereits abgesessen, der 72-Jährige ist wieder auf freiem Fuß – mit einer Fußfessel, denn er ist immer noch gefährlich. Katharina, die heute 40 Jahre alt und mit der Autorin befreundet ist, lässt den Schülern über Barbara Schmid eine wichtige Nachricht ausrichten: „Seid vorsichtig. Wenn ein Typ auf so eine kranke Idee kommt, knallt ihm eine!“

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