Die Eröffnung des Gotthard-Basistunnels vor einem Jahr hat der Güterzugstrecke zwischen Rotterdam und Genua eine noch größere Bedeutung beschert. Alle diese Züge rollen auch durch die Rhein-Neckar-Region, Tendenz steigend. Anwohner fürchten sich vor zunehmendem Lärm - ein Sachstand der Planungen und Forderungen.
Wer von Rotterdam nach Genua möchte, der kommt an der Metropolregion Rhein-Neckar nicht vorbei. Zumindest auf den Güterzugverkehr trifft dieser Satz zu, und das macht vielen, die heute schon unter den Geräuschen von Loks und Waggons leiden, weitere Sorgenfalten. Die wichtige Verbindung zwischen dem Nordsee-Hafen in Rotterdam und dem Mittelmeer-Hafen in Genua führt durch die Region. Die Prognosen gehen davon aus, dass der Verkehr auf der Route weiter zunimmt. Nicht zuletzt deshalb, weil es der vor einem Jahr eröffnete Gotthard-Basistunnel den Zügen ermöglicht, die Schweiz noch schneller zu durchqueren. Manche Berechnungen sprechen von 500 Güterzügen pro Tag, die im Jahr 2050 zwischen Köln und dem Gotthard fahren werden - und dabei auch die Region durchqueren.
Prinzipiell gibt es dafür vier mögliche Strecken - eine links des Rheins, eine entlang der Bergstraße (die sogenannte Main-Neckar-Bahn) sowie die über Lampertheim und Biblis auch durch Mannheim führende Riedbahn. Darüber hinaus plant die Deutsche Bahn eine zweigleisige, rund 60 Kilometer lange Neubaustrecke zwischen Frankfurt und Mannheim. Sie soll tagsüber von ICE- und nachts von Güterzügen genutzt werden. Die Neubaustrecke sieht die Deutsche Bahn als Lückenschluss in ihrem Hochgeschwindigkeitsnetz. Mit der Nachtnutzung durch Güterzüge will sie nach eigenen Angaben die Bestandsstrecken "nachhaltig vom Lärm entlasten".
Warten auf die Studie
Noch ist unklar, wie die Trasse für die Neubaustrecke genau verlaufen soll. Für den Bereich zwischen Lorsch und Mannheim ist lediglich ein Korridor festgelegt, durch den die Strecke führen könnte. Aber in Mannheim gibt es schon länger die Angst, dass eine im Norden andockende Neubaustrecke zu noch mehr Güterzugverkehr durchs Stadtgebiet führt. Diese Angst ist in diesem Herbst noch etwas konkreter geworden. Denn die Bahn hat beim Regierungspräsidium die Planungen für den durchgängig zweigleisigen Ausbau der östlichen Riedbahn eingereicht, die vom Stadtteil Neuhermsheim bis in den Stadtteil Blumenau führt. Damit auf der Strecke, so die Bahn, zum einen zusätzliche S-Bahnen fahren können - aber auch deutlich mehr Güterzüge. Statt derzeit rund 90 sollen es bis 2025 knapp 160 sein. Nicht erst seit diesen Plänen fordern von Anwohnern gegründete Bürgerinitiativen einen wirksamen Lärmschutz. Sie wollen einen Güterzugtunnel im Stadtgebiet oder alternativ eine oberirdische Umfahrung. Auch Stadtverwaltung und Gemeinderat haben die Deutsche Bahn kürzlich aufgefordert, dies zu prüfen. Als Vorbild wird dabei meist das südbadische Offenburg genannt, wo die Planungen für einen mehr als eine Milliarde Euro teueren Güterzugtunnel laufen.
Anders als in Offenburg befindet sich aber in Mannheim mit dem Rangierbahnhof einer der größten seiner Art in Deutschland - viele Züge müssen ihn anfahren. Entsprechend formuliert der Mannheimer Dezernent Christian Specht die Position der Stadtverwaltung: volle Anbindung des Hauptbahnhofs an den Personenverkehr, Anbindung des Rangierbahnhofs an den Güterverkehr, Ausbau der S-Bahn und optimaler Lärmschutz, unter Berücksichtigung von Tunnel oder Umfahrung. Die Bürgerinitiative "Interessengemeinschaft Bahnregion Rhein-Neckar 21" fordert eine Bündelung des Güterverkehrs auf der Neubaustrecke, samt Tunnel oder Umfahrung für Mannheim, wie ihr Vertreter Gunther Mair erklärt.
Die Bahn wartet unterdessen auf eine Studie zum Bahnknoten Mannheim, die das Bundesverkehrsministerium erstellt. Sie soll Mitte 2018 vorliegen. Erst dann könne man sagen, wie der Güterverkehr künftig durch Mannheim fahre, so eine Bahnsprecherin. "In Abhängigkeit davon werden wir etwaige Bypass- oder Tunnelvarianten untersuchen." Schon heute kann die Bahn Prognosen abgeben, wie viele Güterzüge im Jahr 2025 täglich durchs gesamte Stadtgebiet fahren sollen - knapp 300. Die genaue Trasse für die Neubaustrecke soll der Sprecherin zufolge bis 2019 feststehen.
Auch andere Städte zwischen Rotterdam und Genua leiden unter Bahnlärm. Daher treffen sich am heutigen Montag in Mannheim 30 Vertreter von Städten aus dem europäischen Regionennetzwerk "Rhein-Alpin-Korridor". Das Ziel laut Specht: die Aufmerksamkeit der Europäischen Union auf das Thema Lärmschutz lenken - mit der Hoffnung auf finanzielle Unterstützung.
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