Religion

Vom Neubeginn des jüdischen Lebens in Mannheim

Regisseurin Isabel Gathof erzählt in ihrem Film „TKUMAnnheim - Jüdisches Leben2 von 1945 bis heute“ ein bewegendes Stück Manhheimer Stadtgeschichte

Von 
Sebastian Engelland
Lesedauer: 

Fast 400 Jahre ist es her, dass die ersten Juden nach Mannheim kamen und beim Wiederaufbau im Anschluss an den Dreißigjährigen Krieg ebenso halfen wie beim Aufstieg zur Industriestadt. Die jüdische Gemeinschaft ist seither nicht aus der Stadt wegzudenken und leistete etwa einen großen Beitrag zur Finanzierung des Schlosses oder zur Errichtung des Herschelbades, das vom jüdischen Kaufmann und Stadtrat Bernhard Herschel gestiftet wurde. Ins kollektive Gedächtnis der jüdischen Gemeinde brannte sich aber natürlich auch die Zeit des Nationalsozialismus und der Deportationen ein, die in den meisten Fällen ins südfranzösische Gurs und zum Ende des Zweiten Weltkriegs nach Auschwitz führten.

„Wie hätten wir uns verhalten?“

Regisseurin Isabel Gathof erzählt mit ihrem Film „TKUMAnnheim – Jüdisches Leben2 von 1945 bis heute“ auch diesen Aspekt Mannheimer Geschichte, will den Blick vor allem aber auf die Zeit nach 1945 bis heute richten. Tkuma bedeutet so viel wie Auferstehung oder Neubeginn. Die Regisseurin hat sich zur Aufgabe gemacht, die Wiederauferstehung der jüdischen Gemeinde in der Stadt zu verfilmen. Jetzt feierte der Film im Cinema Quadrat Weltpremiere.

Oberbürgermeister Peter Kurz sprach in seinem Grußwort von Mannheim als „besonderem Ort des Widerstands, aber auch der Verfolgung und der Ausgrenzung“ während der Nazi-Herrschaft. Der Film solle bei der Beantwortung der Frage helfen: „Wie hätten wir uns selbst verhalten?“ Kurz erklärte, der Film bespiele „beide Dimensionen: Erinnerung, aber auch Dialog und Verständigung in der Gegenwart“.

Über ein Jahr machte sich die Regisseurin mit ihrem Team auf die Suche nach Spuren jüdischen Lebens in der Stadt und kam dabei gleichermaßen mit Zeitzeugen der Nachkriegszeit sowie mit der jüdischen Jugend von heute in Kontakt. Dazu begleiteten die Filmemacher die Vorsitzenden des Mannheimer Stadtjugendrings, Elina Brustinova und Suhail Butt.

Beitrag zur Verständigung

Suhail Butt, Angehöriger des Islams, berichtet, wie ihm schon von klein auf erzählt worden sei, dass seine Familie jüdischer Abstammung sei. Das Judentum als vermeintlich verfeindete Religion anzusehen kam ihm daher nie in den Sinn. Auch Isabel Gathof möchte mit ihrem Film einen Beitrag zur Verständigung über Religionen hinweg leisten. Das medienpädagogische Projekt ist vor allem an Jugendliche gerichtet. „Ein Film mit der Jugend für die Jugend“, wie Stadträtin Heidrun Kämper im Vorfeld der Vorführung anmerkte. Ein besonderer Beitrag, den der Film leiste, sei die Behandlung des gegenwärtigen Lebens der Juden in Mannheim. Junge Juden wollten nicht die ganze Zeit mit Holocaust und Verfolgung in Verbindung gebracht werden.

Und so erzählt der Film von Oskar Althausen, der 1919 in Lampertheim geboren wurde und nach Ende des Krieges mithalf, die jüdische Gemeinde in der Stadt wiederaufzubauen. Viele, die damals die Gemeinde neu gründeten, hätten eigentlich gar nicht bleiben wollen, erzählt Rita Althausen, Tochter von Oskar Althausen. Mehr oder weniger provisorisch wurde in R 7 die erste Synagoge nach dem Krieg errichtet, bevor den Juden ein neues Zuhause in der Maximilianstraße fanden.

1987 erfolgte die Rückkehr ins Herz der Stadt nach F 3, nur ein Quadrat entfernt von F 2, wo die Synagoge ehemals gestanden hatte. Mittlerweile, so erzählt eine Protagonistin im Film, zähle Mannheim zu den weltoffensten Gemeinden überhaupt.

Die Einwohner der ehemals als „Jerusalem Deutschlands“ bezeichneten Quadratestadt schafften es, über Glauben und religiöse Ansichten hinweg ein besonderes Exempel zu statuieren. Das jüdische Gemeindezentrum stand in der Vergangenheit etwa auch muslimischen Hochzeiten zur Verfügung, und auch Regisseurin Gathof stellte Mannheim im Nachgang als Vorbild für andere Städte heraus.

Alljährlicher „Jewrovision“

Zuletzt wurde der Fokus auf die jüngsten Angehörigen der jüdischen Gemeinde gelegt, vor allem auf den alljährlichen „Jewrovision“, ein Gesangswettbewerb in Anlehnung an den Eurovision Song Contest, bei dem alle jüdischen Gemeinden in Deutschland dazu eingeladen sind, einen Song mit umgeschriebenem Liedtext zu präsentieren. Besonders die Siege der Mannheimer Gemeinde in den Jahren 2015 und 2016 werden beleuchtet,.

In einer Fragerunde im Anschluss an die Vorstellung erklärte Isabel Gathof die Hintergründe des Projekts, das in zwei Abschnitte unterteilt ist.

Sie sei der Meinung, „jüngere Menschen müssen mit Bewegtbildern erreicht werden“. In der Gesellschaft sei zunehmend Antisemitismus zu beobachten, dem entgegengetreten werden müsse. Der erste Teil des Projekts sei durch den Film abgeschlossen, den zweiten Teil stellt die Erstellung einer Website sowie von pädagogischem Begleitmaterial dar, das in Schulen verwendet werden könne.

Auf Rückfrage erklärte Gathof zudem, dass der Film bei Festivals angemeldet sei, eine Vorstellung des Films im Kino sei jedoch im Anschluss an die Festivals auch in Mannheim denkbar. Außerdem würden Sponsoren für eine Untertitelung auf Englisch oder gar auf Hebräisch gesucht.

Copyright © 2025 Mannheimer Morgen