Mannheim. Im „St. James“ in der Hafenstraße sitzen drei glückliche junge Menschen im Freien. Ihre Partei Volt hat sich bei der Europawahl stark verbessert. Deutschlandweit holte sie 2,6 Prozent und in Mannheim, wo sie bisher lokalpolitisch so gut wie keine Rolle spielte, überraschend gar 4,1 Prozent. Hier im Jungbusch waren es schier unfassbare 9,6 Prozent.
Kurz vor der Wahl hätten ihn Umfragen schon optimistisch gestimmt, sagt Johannes Dewald, Elektriker aus Maxdorf. Aber mit einem solchen Zugewinn ausgerechnet in ihrer Wahlheimat Mannheim hätte sie nicht gerechnet, meint Sila Kilinc, die Germanistik, Medien und Kommunikation studiert. Der Dritte am Tisch, Tristan Muno, studiert ebenfalls hier an der Uni Politikwissenschaft. Insgesamt hätten sie in der Umgebung eine mittlere zweistellige Zahl von Mitstreitern, so die Drei.
Auf die Kommunalwahl haben sie erstmal bewusst verzichtet
Man merkt ihnen am Montagmittag nicht an, dass sie am Vorabend noch eine vermutliche ausschweifende Wahlparty in Heidelberg hatten. Kilinc: „Wir haben am Philosophenweg mit Blick aufs Schloss gegrillt. War wirklich toll!“ Ihre Parteifreunde dort holten mit 9,5 Prozent sogar ein noch besseres Ergebnis und werden dort künftig aller Voraussicht nach auch im Gemeinderat mitmischen.
Im Mannheim hatten sie sich erstmal entschieden, nicht bei der Kommunalwahl anzutreten. Im Nachhinein sei das ein bisschen schade, meint Kilinc, aber auch sinnvoll. So hätten sie sich im Wahlkampf voll auf europapolitische Themen konzentrieren können. Der nächste Schritt für sie ist laut Muno nun, in Mannheim strukturell stärker Fuß zu fassen, auch mit regelmäßigen Veranstaltungen. So soll es am Dienstag um 18 Uhr hier am Verbindungskanal ein nächstes „Meet & Greet“ für Interessierte geben.
Sie hätten vor allem bei Jüngeren gepunktet, weiß Dewald, teilweise auch bei enttäuschten Grünen-Wählern. Neben diversen Aktivitäten in sozialen Medien machte Volt in Mannheim auch ganz klassisch mit rund 350 Plakaten auf sich aufmerksam. Darauf stehen großteils doppeldeutige Botschaften. „Für mehr Eis“ etwa richtet sich gegen die Erderwärmung, „Wählen rettet Leben“ thematisiert die Not von Flüchtlingen im Mittelmeer.
Auf viel Aufmerksamkeit stoßen vor allem die „A . . .“-Plakate
Das meiste Aufsehen erregte indes ihr „Sei kein A . . .!“-Plakat, die Endung reimt sich auf „doch“. Im Kleingedruckten steht, dass es gegen Rechtsextremismus geht. Dieses Motiv wurde gezielt über oder unter Plakaten einer Partei angebracht, die ebenfalls mit A anfängt. Mancherorts habe die AfD anschließend ihre Wahlwerbung umgehängt, erzählt Muno. „Und wir dann unsere auch. Das war ein Hase-und-Igel-Spiel.“ Bei ihren Anhängern sei das Plakat super angekommen, sagen die Drei. Viele hätten es sich auch in ihrer Straße gewünscht. „Wir sind gar nicht mehr nachgekommen.“
Bei einigen Älteren war die Begeisterung allerdings weniger groß. Beim „MM“ beklagten sich mehrere Leser über die Fäkalsprache. Die eine oder andere Beschwerde kam auch bei Volt an. Aber Silinc hat die Erfahrung gemacht, dass auch einige Ältere Verständnis hätten, wenn sie hörten, um was es sich drehe. Muno versuchte es bei einer älteren Dame mit dem Argument, es gebe heutzutage doch größere Probleme als einen Verfall der Sprache. Überzeugt habe er sie leider nicht. Aber dafür ja einige andere.
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