Vor 25 Jahren, am 22. April 1994 – ein Freitag – rollten ab 12 Uhr mittags die ersten Autos durch den knapp 500 Meter langen und damals umgerechnet 80 Millionen Euro teuren, vierspurigen Straßentunnel unter den Bahngleisen und dem Neckarauer Übergang. Mannheim hatte somit nicht nur eine hochmoderne U-Straße wie andere Großstädte, sondern kann sich als einen der wenigen Orte rühmen, der gar eine dreistöckige, zentrale Verkehrskreuzung zu bieten hat. Im Rechten Winkel zum Fahrlachtunnel kreuzt der Neckarauer Übergang mit zwei Autofahrbahnen und einer zweigleisigen Stadtbahntrasse die rund 60 Meter breite Bahnanlage zwischen der Möhlstraße und den Hochschulen an Speyerer und Neckarauer Straße.
Sechs Jahre Bauzeit
Als der damalige Oberbürgermeister Gerhard Widder im Oktober 1988 den symbolischen ersten Spatenstich tätigte, lagen gut zehn Jahre verkehrspolitischer Debatten über das bislang teuerste Straßenbauprojekt in der Geschichte der Stadt hinter ihm. Bereits Mitte der 1980er Jahre waren finanzielle Bedenken geäußert worden. Damals hatte die Stadtverwaltung selbst statt des Tunnels eine wesentlich kostengünstigere Brückenlösung ins Spiel gebracht – zumal der in den 1930er Jahren erbaute Neckarauer Übergang an der gleichen Stelle erneuert werden musste. Zudem war die entlastende Wirkung des Tunnels zunächst umstritten – und stellte sich tatsächlich auch erst eine ganze Reihe von Jahren nach der Inbetriebnahme der Südtangente ein.
Oberbürgermeister Widder 1994: „Der Tunnel muss den Ost-West-Verkehr übernehmen, der nicht nach Mannheim, sondern eigentlich auf die Altriper Brücke gehört.“ Diese heiß umstrittene Rheinquerung war damals gerade endgültig verworfen worden, so dass für den Durchgangsverkehr andere Wege gefunden werden mussten. Ein ebenfalls kontrovers diskutiertes Verkehrsprojekt in diesem Zusammenhang war die von den Freien Wählern damals „Widder-Enge“ getaufte Umstellung der City-Zufahrt zwischen den Quadraten L 5 und L 7 von zwei auf nur noch eine Fahrspur. Der Durchgangsverkehr aus Richtung Ludwigshafen sollte eben von der City weg und über die seinerzeit ebenfalls erneuerte und ausgebaute Lindenhof-Überführung auf die Südtangente geleitet werden. Statt durch Bismarck- und Reichskanzler-Müller-Straße auf die Autobahn 656 sollte der Durchgangsverkehr über Südtangente, Fahrlachtunnel, Ludwigshafener Straße und B 38a (Rhein-Neckar-Schnellweg) auf der Achse Ludwigshafen-Heidelberg geleitet werden.
Verkehrsentlastung für die City
Ein Konzept, das einige Jahre am Beharrungsvermögen der Autofahrer zu scheitern drohte. Nur etwa 30 000 Fahrzeuge am Tag wurden auf der Strecke anfangs gezählt. Die Stadt stellte sogar Wegweiser zum Fahrlachtunnel auf, damit Ortsfremde den damals vielen irgendwie als Umleitung erscheinenden Weg überhaupt finden. Bei der Einweihung des Tunnels hatte der damalige Grünen-Bundestagsabgeordnete Jürgen Rochlitz heftige Kritik daran geübt, dass für den Autoverkehr Millionenbeträge im Untergrund verbuddelt würden.
Doch der Tunnel setzte sich langsam, aber sicher durch. Zum einen wäre ohne den Fahrlachtunnel die Entwicklung des Hochschulcampus („Denkmeile“) kaum möglich gewesen, zum anderen schaffte die langsame, aber stetige Verlagerung des Durchgangsverkehrs aus der Innenstadt heraus letztlich die Voraussetzung dafür, dass in der Bismarckstraße breite Fahrradspuren angelegt werden konnten. Heute rauschen durch die vierspurige U-Straße gut 60 000 Autos täglich – doppelt so viele als vor 25 Jahren.
Und auch in technischer Hinsicht stellte der Fahrlachtunnel in den 1990er Jahren eine Besonderheit dar. Weil die Doppelröhre teilweise nicht nur unter einer der am stärksten befahrenen deutschen Bahnstrecken, sondern auch noch unter dem Grundwasserspiegel liegt, vereisten die Ingenieure des damals für das Projekt maßgeblichen Bauunternehmens Bilfinger Berger kurzerhand das Erdreich der Baustelle. So konnte der Tunnel unter der Bahn bergmännisch vorangetrieben werden, ohne dass der Personen- und Güterzugverkehr beeinträchtigt wurde.
Zwar war die Vereisungstechnik nicht neu, das Mannheimer Bauvorhaben war seinerzeit aber ein großes und in der Fachwelt beachtetes Vorzeigeprojekt. Von den knapp 500 Metern Unterführungsstrecke wurden 184 als Tunnel im künstlichen Eis gebohrt und anschließend mit wasserdichtem Beton ausgekleidet.
Info: Fotostrecke unter morgenweb.de/mannheim
Fahrlachtunnel
- Mit gut 60 000 Autos täglich gehört der Fahrlachtunnel zu den am stärksten befahrenen Straßen in der Stadt.
- Bis vor einem Jahr galt auf den vier Fahrstreifen Tempo 70, im Frühjahr 2018 wurde die erlaubte Höchstgeschwindigkeit auf 50 Stundenkilometer abgesenkt.
- Neben einer Reihe von Verkehrsunfällen, bei denen es neben hohem Sachschaden auch Verletzte gab, ereigneten sich in dem Tunnel drei tödliche Motorradunfälle.
- Im Oktober 2011, im April 2014 und im April 2015 kamen drei 20 bzw. 21 Jahre alte Männer auf schweren Motorrädern ums Leben.
- Bei allen dreien bestand der Verdacht, dass sie wegen überhöhter Geschwindigkeit aus der langgestreckten Kurve des Tunnels getragen worden waren.
- In einem Fall geht die Polizei davon aus, dass der Verunglückte etwa 140 Stundenkilometer schnell gefahren war.
- Ein 22 Minuten langes Video über den Bau des Tunnels findet sich auf dem Portal bauforum24.biz. Direktlink: bit.ly/2Iq0y0D
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