Mannheim. Alle haben es gesehen, allen war es sofort klar - nur der UEFA erst jetzt. Der Europäische Fußballverband räumte vergangene Woche ein, dass das Handspiel des Spaniers Marc Cucurella im EM-Viertelfinale gegen Deutschland doch strafbar war (ach nee?!) und einen Elfmeter zur Folge hätte haben müssen.
Die Redaktion ist sich sicher: Dieses absolut überraschende und schnelle UEFA-Eingeständnis eines Fehlers wird Schule machen. Wir glauben an eine beispiellose Welle von aus den Socken hauende Geständnissen in Mannheim, die genauso wenig zu erwarten waren wie das der UEFA. Und in den meisten Fällen allen sowieso schon lange klar. Wir schmeißen die satirische Glaskugel an: Das könnte nächste Woche passieren.
Montag, 10.38 Uhr: Die Wahrheit zum Mannheimer Verkehrsversuch
Mannheims Verkehrsbürgermeister Ralf Eisenhauer (SPD) prescht als einer der Ersten vor. Er stößt seinen Parteifreund und Vorsitzenden der Bundestagsfraktion, Rolf Mützenich, von den NTV-Kameras im Berliner Bundestagsgebäude weg: „Ja, der Verkehrsversuch ist gescheitert. Er war schlecht konzipiert, und wir mussten ihn Anfang 2023 früher abbrechen als wir wollten“, sagt er hektisch in die Mikrofone.
Das führt prompt zu einer 180-Grad-Kehrtwende beim Mannheimer Innenstadt-Handel. „Auch wir waren nicht ganz ehrlich: Eigentlich ist der Verkehrsversuch gar nicht schuld an Umsatzeinbußen. Aber wir können doch nicht offen zugeben, dass es an uns liegt“, bittet Lutz Pauels, Vorsitzender der Werbegemeinschaft City, um Verständnis. Er und Eisenhauer trösten sich gegenseitig.
Montag, 11.09 Uhr: Doppelagentin mit Herz scheitert bei Merz
Während Eisenhauer einige Zeit später sichtlich erleichtert durchpustet, hört man in Berlin lautes Rufen von hinter den Kameras. „Ich will eigentlich gar nicht zur CDU.“ Es ist die leicht wacklige Stimme von Melis Sekmen, die 2021 über die Landesliste der Grünen in den Bundestag eingezogen war. Im Sommer verließ sie Fraktion und Partei, schloss sich der CDU an.
Sie müsse das für eine höhere Sache in Kauf nehmen, sagt sie: „Es geht mir nicht um mein Mandat. Aber ich musste Friedrich Merz treffen, um ihn als Kanzlerkandidat der Union zu verhindern“, so die Doppelagentin der Grünen niedergeschlagen. Ihre Merz-Mission ist, wie man weiß, krachend gescheitert.
Dienstag, 16.45 Uhr: Journalisten gähnen bei den Grünen
Völlig gerührt ergreift am Tag danach Sekmens Ex-Parteifreundin Nina Wellenreuther in der Mannheimer Klapsmühl’, dem neuen Stammtagungsort der Partei, das Wort. Ehrliche Geständnisse, die die Öffentlichkeit verblüffen würden, kündigt die Fraktionsvorsitzende der Grünen im Mannheimer Gemeinderat mit leicht feuchten Augen an.
„Raymond Fojkar war für die Oberbürgermeisterwahl 2023 gar nicht unser Wunschkandidat.“ Keiner der anwesenden Journalisten hält die Luft an, manche gähnen. „Aber er war der einzige Kandidat, den wir hatten.“ Keine Journalistin notiert sich das in ihren Block. Neuigkeitswert? Dann doch null.
Mittwoch, 12 Uhr: CDU beweist Perfektion und Geschlossenheit
Die CDU ist sich unterdessen keiner Schuld bewusst. „Niemand aus der Christlich-Demokratischen Union Mannheim hat in den vergangenen Jahrzehnten Fehler gemacht“, betont der Vorstand um den Vorsitzenden Christian Hötting geschlossen. „Wer etwas anderes behauptet, den knebeln wir mit Corona-Schutzmasken.“ Die hat die Partei in Nikolas Löbels Keller gefunden.
Donnerstag, 7.05 Uhr: Behörde beichtet und bettelt um Beachtung
Die ungewohnt offenen Worte der Mannheimer Politikerinnen und Politiker sind nur der Auftakt. Am behörden üblichen sehr frühen Donnerstagmorgen räumt das Landesdenkmalamt in einer Pressemitteilung ein, dass man gestehen müsse, dass das Stadthaus eigentlich doch gar nicht so dolle sei.
„Wir haben N 1 nur unter Denkmalschutz gestellt, um auch mal Stadtgespräch zu sein“, fleht die Behörde um mehr Aufmerksamkeit. Zur Wiedergutmachung könne man sich vorstellen, das Parkhaus in N 2 unter Denkmalschutz zu stellen, um es vor dem Abriss für eine neue Stadtbibliothek zu schützen. CDU, Mannheimer Liste, FDP und AfD gründen daraufhin bei Schnittchen einen Förderverein für das Landesdenkmalamt.
Donnerstag, 8.30 Uhr: PR-Skandal beim Mannheimer Nationaltheater
Mit ähnlicher Argumentation für kommunikative Trickserei wie die Stuttgarter Behörde treten fast zeitgleich die Intendanten des Mannheimer Nationaltheaters an die Öffentlichkeit. „Die Generalsanierung ist ein gigantischer PR-Gag, um über Jahre in den Medien präsent zu sein“, so der Geschäftsführende Intendant Tilmann Pröllochs bei einer Pressekonferenz auf dem Goetheplatz. Es regnet, als er reumütig einräumt: „Kleiner hätte auch gereicht, aber wir denken eben groß.“
Vor den völlig überfüllten Ersatzspielstätten in der Stadt, wo das Statement für Tausende Menschen auf Leinwänden gezeigt wird, wird kräftig gebuht. Die NTM-Marketingabteilung muss zum Rapport bei Kulturbürgermeister Thorsten Riehle.
Freitag, 12.04 Uhr: Neues Stadion mit wohlklingendem Namen
Ganz anders die Situation bei einem in der ganzen Stadt bekannten und beliebten Fußball-Drittligisten. „Alles Komppl . . . äh, voll in Ordnung bei uns“, sagt Jennifer Schäfer, Geschäftsführerin der SV Waldhof Mannheim, auf Nachfrage.
Das liegt vielleicht auch einer Offenbarung in diesen Tagen der Wahrheit von Oberbürgermeister Christian Specht. Er tritt am Mittag am Rathaus in E 5 vor die Presse und verkündet freudestrahlend: „Das neue Stadion kommt, weil es alle wollen! Auf dem Gelände der ehemaligen Spiegelfabrik.“ Waldhof-Präsident Bernd Beetz ist der Investor, will dafür nur die Namensrechte für den neuen Fußballtempel für 52 000 Zuschauer, davon 28 000 Logenplätze: Bernd-bringt-die-Buwe-in-die-Bundesliga-Stadion. Wohlklingendere Namen haben nur die Arenen in Düsseldorf und Duisburg.
Samstag, 15.30 Uhr: Öl, ALTER, Demos - Polizei entschuldigt sich
Leider endet die geschichtsträchtige Transparenz-Woche nicht harmonisch. Bei einer spontanen Demonstration gegen offene Polizei-Worte am Samstagnachmittag kommt es auf dem Paradeplatz zu Zusammenstößen. Zuvor hatte Polizeipräsidentin Ulrike Schäfer massenhaft Fehler in der Vergangenheit eingestanden. „Ja, wir haben’s am ALTER am Alten Meßplatz und bei den Demonstrationen von Free Palestine schleifen lassen“, gibt sie zu, nachdem das Präsidium in den vergangenen Wochen sämtliche Kritik dazu einfach beiseite gewischt hatte. „Wir möchten uns dafür entschuldigen.“ Die Polizei verteilt dazu Döner und Luftballons.
Um die neue Ehrlichkeitsoffensive zu untermauern, hat Schäfer eine blonde Frau dabei. Es ist die Polizeibeamtin, die bei einer Protestaktion der „Letzten Generation“ auf der Konrad-Adenauer-Brücke im September 2023 einer Umweltaktivistin Öl über den Kopf schüttete. In der Hand hält sie symbolisch einen Öl-Kanister und sagt kurz und knapp nur drei Worte: „Es war Absicht.“ Den Kopf senkt sie voller Bedauern, Ulrike Schäfer legt ihr einfühlsam die Hand auf die Schulter.
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