Welt-Aids-Tag - Die Gesundheitsämter sind stark mit der Pandemie ausgelastet

Versorgungslücke beim HIV-Checkpoint Mannheim wegen Corona-Pandemie

Von 
Lea Seethaler
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Mannheim.. Die Gesundheitsämter sind stark mit der Pandemie ausgelastet. Testungen auf HIV und STI (sexuell übertragbare Infektionen) seien heruntergefahren – „somit sind wir im Rhein-Neckar-Kreis fast die einzigen, die präventive Testungen auf HIV anbieten“, sagt Marc Fischer, Sozialarbeiter und Leiter bei KOSI.MA. Das ist das Kompetenzzentrum zu sexuell übertragbaren Infektionen in Mannheim. Präventive Testung bedeutet, dass Menschen, die zum Beispiel einen HIV-Risikokontakt hatten, sich am Checkpoint testen und beraten lassen können.

Die Mannheimer Anlaufstelle sei schon immer gut besucht gewesen. „Jeder, der zu uns kommt, wird nicht einfach nur getestet – sondern auch ausführlich beraten“, sagt Fischer. „Wir nehmen uns lieber einmal viel Zeit für einen Menschen, damit er einen besseren persönlichen Umgang mit Sexualität und sexuellem Risikomanagement findet“, berichtet er.

Gestiegene Nachfrage

KOSI.MA sei ein Angebot für alle Bürger, besonders aber für Männer, die Sex mit Männern haben. „Das hat sich jetzt stark verschoben, die weite Stadtgesellschaft möchte sich nun dort testen lassen“, so Fischer. Das Testangebot sei „aktuell sehr stark ausgelastet“. Es gäbe Engpässe, so dass eine „Versorgungslücke“ für die Mannheimer entstanden sei, macht Fischer deutlich.

Auch die Nachfrage nach persönlichen Beratungen haben zugenommen, sagt der Sozialarbeiter: „Wir vermuten eine stärkere Auseinandersetzung mit den Themen Krankheit, Viren, Infektionen.“ Jedoch hätten die Menschen auch durch Homeoffice und Kurzarbeit die Möglichkeit, sich mit einer Testung auseinanderzusetzen. Das höre man aus den Beratungen raus.

Im Jahrestreffen der Checkpoints Deutschland zeigten Daten bereits: Seit der Pandemie sind HIV- und Syphillis-Neuinfektionen gestiegen, berichtet Fischer. „Das hatten wir schon erwartet“, sagt er. „Weil einfach in ganz Deutschland viel weniger getestet wurde.“ Auch die deutsche Aidshilfe warnt indes per Statement drastisch: Die Corona-Pandemie reduziere „HIV-Testangebote und kann Spätdiagnosen und HIV-Übertragungen begünstigen“, heißt es in der Mitteilung.

Frühes Testen wichtig

Fischer betont hier eindringlich die Wichtigkeit der Checkpoints: „Es ist wichtig, die Leute rechtzeitig und frühzeitig aufzufangen.“ Es sei essenziell, eine HIV-Infektion frühzeitig zu erkennen, um Infektionsketten zu unterbrechen. Und um schnell medikamentös zu handeln: Dann sei der Behandlungserfolg am größten. „Wenn jemand ein Risiko hatte und unsicher ist, benötigt er eine Stelle, an die er sich wenden kann, die mit den Themen vertraut und auf sie spezialisiert ist.“ Gerade weil HIV im Anfangsstadium auch mit grippeähnlichen Symptomen einhergehe, so der Checkpoint-Leiter. Hinzu kommt, dass ein HIV-positiver Mensch unter erfolgreicher Therapie nicht mehr infektiös sei und die Infektionsketten so unterbrochen werden.

Heute gehört zum sogenannten „Safer Sex 3.0“ im HIV-Kontext auch die sogenannte Präexpositionsprophylaxe (kurz: PrEP). Durch Einnahme von Medikamenten können HIV-Negative mit substanziellem Risiko die Übertragungswahrscheinlichkeit präventiv sehr stark senken. Auch hier zeigten die Daten des Jahrestreffens: Die Menschen gehen seit der Pandemie seltener zu den Praxen, um eine PREP verschrieben zu bekommen, so Fischer. Zudem könnten Praxen ohne Termin nicht mehr besucht werden – oder seien durch die Pandemie ebenfalls ausgelastet. Eine gefährliche Entwicklung, betont Fischer. Auch das Robert Koch-Institut macht in einer aktuellen Publikation deutlich: „Umfragen bei HIV-Schwerpunktpraxen im Rahmen der PrEP-Evaluation zeigten einen deutlichen Rückgang der Nachfrage nach PrEP in Verbindung mit den Maßnahmen zur Eindämmung von SARS-CoV-2“, heißt es dort.

Und auch beim Checkpoint hat sich durch Corona einiges geändert. Normalerweise wird anonym getestet. „Nun nehmen wir die Daten auf. Nur für den Fall, dass Nachverfolgung wegen Corona seitens des Gesundheitsamtes nötig sein sollte.“ Nach vier Wochen werden sie automatisch gelöscht. Dass man mit einem Infektionsschutzkonzept geöffnet habe, sei wichtig, sagt Fischer. Denn trotz Kontaktbeschränkungen – Sex mit Infektionsrisiko gibt es weiter: „Menschen haben das Grundbedürfnis nach Sex, gerade in diesen schwierigen Zeiten. Uns war deshalb seit Krisenbeginn bewusst, dass sie trotzdem Sex haben werden.“ Deshalb beschäftigt Fischer und sein Team weiter die Frage: „Wie geht es erfolgreich weiter durch diese Pandemie-Phase?“ Vor allem finanziell. Im September habe man schon gemerkt, es wird schwierig. „Wir haben viele Ausfälle von Sponsoring- und Benefizaktionen in diesem Jahr“ sagt er. „Jeder versucht verständlicherweise das Geld zusammenzuhalten, eigene Existenzen sind bedroht. Das bringt uns in die Bredouille, die Testangebote weiter aufrecht zu halten.“ Deshalb müsse man seit September pro Test zehn Euro verlangen, so der Checkpoint-Leiter. Vorher war der Test gratis.

„Kunst tut gut“ fällt aus

Besonders schwer wiegt der Ausfall der Benefizkunstauktion zum Welt-Aids-Tag „Kunst tut gut“ im Dezember. Normalerweise wird sie von KOSI.MA in Kooperation mit dem Rosengarten und dem Künstlerbund Rhein-Neckar durchgeführt. Die Erlöse nutzt KOSI.MA als Eigenmittel, finanziert daraus das Testangebot zu großem Anteil. Fischer hört man seine Wehmut an: „Uns fehlen sehr wichtige Gelder trotz hoher Auslastung. Und Künstlern entfällt eine Plattform, sich zu bewerben und für Aufträge – in dieser schwierigen, für sie existenzbedrohenden, Zeit.“

Aidshilfe

KOSI.MA ist die Aidshilfe in Mannheim. Sie bietet Beratung, Prävention, Testung und Aufklärung zu den Themen HIV, sexuell übertragbare Infektionen (STI) und sexuelle Gesundheit.

Träger von KOSI.MA ist Plus. Psychologische Lesben- und Schwulenberatung Rhein-Neckar e.V..

In Mannheim findet zum Welt-Aids-Tag am Dienstag, 1. Dezember um 19.30 Uhr, in der CityKirche Konkordienein ökumenischer Gottesdienst statt. „Distanz – Corona – Aids“ lautet der Titel der ökumenischen Feier, bei der Pfarrer Thilo Müller, Seelsorger in den Pflegeheimen der Evangelischen Pflegedienste Mannheim (EPMA) die Predigt hält.

Zu dieser Feier laden mehrere Gruppen gemeinsam ein: Die Ökumenische Arbeitsgruppe Homosexuelle und Kirche (HuK), KOSI.MA, die Citygemeinde Hafen Konkordien und die Katholische Citypastoral Mannheim . see

Redaktion Redakteurin und Online-Koordinatorin der Mannheimer Lokalredaktion

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