Mannheim. Viele Eltern sind Kummer gewöhnt. Weil Personal fehlt oder der Krankenstand hoch ist, fallen in Kitas und Krippen immer wieder Randstunden weg – oder eine Gruppe schließt gleich ganz für einen Tag. Am Donnerstag, 13. Februar, bleiben aber nicht nur einzelne Gruppen dicht, sondern gleich die mehr als 50 städtischen Kitas und Krippen. Das ist fast ein Drittel aller Mannheimer Betreuungseinrichtungen. Grund ist in diesem Fall nicht Personalmangel, sondern ein ganztägiger Warnstreik, zu dem die Gewerkschaft Verdi aufgerufen hat.
Die Interessenvertretung fordert in der aktuellen Tarifrunde für die mehr als 2,5 Millionen Beschäftigten im Öffentlichen Dienst von Bund und Kommunen acht Prozent, mindestens aber 350 Euro mehr monatlich für Entgelterhöhungen. Außerdem verlangt Verdi „drei zusätzliche freie Tage, um der hohen Verdichtung der Arbeit etwas entgegenzusetzen“, heißt es in einer Pressemitteilung. Vor der zweiten Verhandlungsrunde (17./18. Februar in Potsdam) wolle man den Druck auf die Arbeitgeber erhöhen – im Südwesten liegt dabei ein Schwerpunkt auf Mannheim.
Kein Mittagessen an Ganztagsschulen und Horten
Zu spüren bekommen diesen Druck jetzt nicht zuletzt die betroffenen Eltern. Was zu erwarten ist, präzisiert die Stadtverwaltung. So bleiben nicht nur sämtliche Betreuungseinrichtungen geschlossen – es gibt auch keine Notbetreuung. Ebenfalls dicht bleiben die „Einrichtungen der Schulkindbetreuung sowie die Randzeitenbetreuung an Ganztagsschulen“, so die Stadt: „Ein Mittagessen kann weder in der Hortbetreuung noch an den Ganztagsgrundschulen angeboten werden.“ Die Verwaltung empfiehlt Eltern, „sich rechtzeitig über die Betreuung ihrer Kinder zu informieren und mögliche Alternativen zu planen“.
Die Nerven der Betroffenen scheinen zunehmend blankzuliegen. Bei einem ähnlich gelagerten Streik vor knapp drei Jahren, am 4. Mai 2022, war das noch anders. Der Stadtelternbeirat (STEB), die Vertretung der Eltern städtischer Betreuungseinrichtungen, stand damals voll hinter dem Ausstand – und das, obwohl die Kitas bereits zum zweiten Mal innerhalb von zwei Monaten ganztägig bestreikt wurden.
STEB-Sprecher Hildwin Wonner hatte sich seinerzeit zu den Streikenden auf die Neckarwiese gesellt. Man unterstütze die Forderungen der Betroffenen „vollumfänglich“, betonte er im Gespräch mit dem „Mannheimer Morgen“. Natürlich sei die durch den Streik verursachte Situation für Eltern „nicht schön“. Aber ganz wichtig sei doch, „dass die Kitas und Krippen „in der angespannten Situation adäquates Personal bekommen“. Das gebe es nur, wenn die Arbeitsbedingungen stimmten.
Die aktuelle Stellungnahme des STEB unterscheidet sich deutlich von der damaligen. Zwar könne man die Forderung von Verdi nach Verbesserung der Arbeitsbedingungen für Erzieherinnen und Erzieher „nachvollziehen“. Dennoch treffe die Entscheidung, „auch die Kitas zu bestreiken, die Elternschaft sehr“, schreiben Hildwin Wonner und Ko-Sprecherin Nora Dreier in einer Pressemitteilung.
„Enorm verschlechtert“ habe sich „in den letzten Jahren die Situation für die Elternschaft mit Kindern in Kindertagesstätten“. Die Sprecher nennen unter anderem die Stichworte: Gebührenerhöhungen, angespannte Personallage und flächendeckende Absenkung des Ganztags-Betreuungsumfangs, aber auch eine Verschlechterung durch abgeschlossene Tarifverträge, in denen beispielsweise zwei Regenerationstage vereinbart worden seien. Auch wenn dies die „Attraktivität des Berufszweigs“ steigere, werde dadurch der „Betriebsablauf von Kitas erschwert“, was zu kurzfristigen Schließungen führen könne.
Verdi sieht die Beschäftigten an der Belastungsgrenze
Vor diesem Hintergrund, so Wonner und Dreier, „hätten wir uns gewünscht, dass Kitas nicht mitbestreikt werden“. Denn „die Leidtragenden sind nicht die verhandelnden Parteien der Arbeitgeber und Unternehmen, sondern Eltern, meist Mütter, und – falls vorhanden – Großeltern, die die fehlende Betreuung unentgeltlich auffangen“.
Sabine Leber-Hoischen aus Neckarau kann den Standpunkt der Eltern zwar nachvollziehen. „Dass die Belastung groß ist, erleben wir tagtäglich.“ Aber die Vertrauensfrau der für Kita-Personal zuständigen Gewerkschaft Verdi betont, dass auch Kolleginnen und Kollegen über Gebühr belastet seien. Da es im Moment kein Angebot der Arbeitgeber gebe, bleibe nichts anderes übrig, als den Druck zu erhöhen. Dazu trügen „auch die Kolleginnen und Kollegen der Kitas als Teil des Ganzen bei“.
Gab es Verdi-intern Diskussionen darüber, ob auch Kitas bestreikt werden sollten? Zu Fragen der Streiktaktik möchte sich Leber-Hoischen nicht äußern. Nur so viel: „Natürlich wird darüber nachgedacht, welche Bereiche wann Flagge zeigen.“
Auch Klinikum, Stadtraumservice und Nationaltheater betroffen
Das sind am 13. Februar deutlich mehr als Krippen, Kitas und Horte. Die Stadt geht unter anderem davon aus, dass sämtliche Bürgerdienst-Standorte, Hallenbäder und Innenstadtbibliotheken geschlossen bleiben. In der Musikschule könnten einzelne Stunden entfallen, auch in Jugendhäusern und -treffs rechne man mit „eingeschränktem Betrieb oder Schließungen“.
Die Gewerkschaft Verdi ergänzt, dass daneben Klinikum, Sparkasse, Agentur für Arbeit, Jobcenter, Nationaltheater, Stadtraumservice und Stadtentwässerung bestreikt würden. Verdi plant am 13. Februar eine Demo, die gegen 9 Uhr am Gewerkschaftshaus beginnt und mit einer Kundgebung gegen 9.30 Uhr am Alten Meßplatz abgeschlossen wird.
URL dieses Artikels:
https://www.mannheimer-morgen.de/orte/mannheim_artikel,-mannheim-verdi-warnstreik-in-mannheim-kitas-und-horte-betroffen-_arid,2284853.html
Links in diesem Artikel:
[1] https://www.mannheimer-morgen.de/orte/mannheim.html